1. Einführung

NETZ setzt sich für die Gleichstellung der Geschlechter, für Würde sowie für gleiche Chancen und Rechte für alle Menschen unabhängig von ihrer geschlechtlichen Identität ein. Die Organisation fördert eine positive Bürokultur mit offenem Austausch und gegenseitiger Fürsorge. Die Gender Policy von NETZ, die sich ausdrücklich auf diese Verhaltensregeln bezieht, fördert die Gleichstellung der Geschlechter als Teil unserer gesamten Arbeit sowie der organisatorischen Abläufe und Strukturen. Sexuelle Belästigung zerstört nicht nur ein sicheres Arbeitsumfeld und beschneidet das Recht der Mitarbeiter*innen auf einen sicheren Arbeitsplatz, sie verletzt auch die Würde eines jeden Menschen. Jede Person kann von sexueller Belästigung betroffen sein. Sowohl die betroffene Person als auch die*der Täter*in können jedem Geschlecht angehören. NETZ ist bestrebt, eine Organisationskultur zu fördern, die auf Verantwortlichkeit basiert und keinerlei Toleranz gegenüber jeglicher Form von Belästigung zulässt. Wir verpflichten uns, klare Schutz- und Beschwerdemechanismen gegen sexuelle Belästigung aufrechtzuerhalten und sicherzustellen, dass gemeldete Fälle in einem fairen Disziplinarverfahren ohne Verzögerung untersucht werden.

2. Anwendungsbereiche

Diese Verhaltensregeln gelten für alle Personen, die in direkter oder indirekter Beziehung zu NETZ stehen. Dazu gehören z.B. alle Mitarbeiter*innen der Organisation in Bangladesch und Deutschland, alle bezahlten oder ehrenamtlichen Freiwilligen und/oder Praktikant*innen, alle Amtsträger*innen innerhalb des Vereins (z.B. Mitglieder des Vorstands) sowie Teilnehmer*innen an von NETZ organisierten Austauschprogrammen. Dies gilt auch für Mitarbeiter*innen und Amtsträger*innen unserer Partner-NGOs und alle Dienstleister*innen, die mit ihnen oder NETZ in von NETZ geförderten Projekten zusammenarbeiten. Falls Partner-NGOs von NETZ eigene Verhaltensregeln gegen sexuelle Belästigung haben, sollten diese jederzeit befolgt werden und werden durch dieses Dokument ergänzt. Die Verhaltensregeln von NETZ stellen jedoch den Mindeststandard dar. Sie werden alle zwei Jahre von den Genderbeauftragten überprüft, um deren Gültigkeit zu gewährleisten.

3. Verbotene Verhaltensweisen

Belästigung ist jedes unangemessene oder ungewollte Verhalten, von dem ausgegangen werden kann, dass es eine andere Person beleidigt oder erniedrigt, oder das als solches wahrgenommen wird. Jede Form der Belästigung, z.B. aufgrund des Geschlechts, der Geschlechtsidentität und des Geschlechtsausdrucks, der sexuellen Orientierung, der körperlichen Fähigkeiten, des Aussehens, der ethnischen Zugehörigkeit, der nationalen Herkunft, der politischen Zugehörigkeit, des Alters oder der Religion, wird von NETZ als verbotenes Verhalten betrachtet. In Deutschland ist sexuelle Belästigung nach § 184i STGB ein Straftatbestand und kann strafrechtlich verfolgt werden. In Bangladesch befassen sich z.B. verschiedene Abschnitte des Women and Children Repression Act, des Strafgesetzbuchs und der Polizeiverordnung der Metropolregion Dhaka mit sexueller Belästigung.

Diese Verhaltensregeln befassen sich speziell mit sexueller Belästigung als einer Art von verbotenem Verhalten. Sexuelle Belästigung ist jedes unerwünschte Verhalten sexueller Natur, von dem ausgegangen werden kann, dass es Beleidigung oder Demütigung hervorruft oder als solches empfunden wird. Sexuelle Belästigung kann jegliches Verhalten verbaler, nonverbaler oder physischer Natur sein, einschließlich schriftlicher und digitaler Kommunikation, und kann zwischen Personen desselben oder unterschiedlichen Geschlechts auftreten. Sexuelle Belästigung im Arbeitsumfeld umfasst unter anderem Folgendes:

• Herabwürdigende oder erniedrigende Bemerkungen über die sexuelle Orientierung oder die Geschlechtsidentität von Personen
• Beschimpfungen oder Verunglimpfungen mit einer geschlechtlichen/sexuellen Konnotation
• Sexuelle Bemerkungen über Aussehen, Kleidung oder Körperteile
• Die Bewertung der Sexualität einer Person
• Das Auffordern einer Person zum Sex
• Das Anstarren in einer sexuell anzüglichen Weise
• Unerwünschte Berührungen, einschließlich Kneifen, Streicheln, Reiben oder absichtliches Berühren einer Person
• Unangemessene sexuelle Gesten, wie z.B. anzügliche Beckenbewegungen
• Das Erzählen sexueller oder anzüglicher Anekdoten oder Witze
• Das Versenden von sexuell anzüglichen Nachrichten in jeglicher Form
• Das Teilen oder das Zeigen von pornografischen Bildern oder Videos in jeglichem Format
• Die Aufnahme von Fotos oder Videos zum Zwecke der Erpressung und des Rufmordes
• Der Versuch der Herstellung einer körperlichen Beziehung mit sexueller Implikation durch Missbrauch von Verwaltungs-, Autoritäts- oder Berufsbefugnissen
• Der Versuch der Herstellung einer sexuellen Beziehung durch Einschüchterung, Täuschung oder falsche Zusicherung
• Jeder versuchte oder tatsächliche sexuelle Übergriff

Jegliche Form der sexuellen Belästigung ist untersagt, unabhängig davon, ob sie innerhalb oder außerhalb der Räumlichkeiten von NETZ stattfindet, d.h. beispielsweise bei Veranstaltungen, Reisen, Schulungen, Austauschbesuchen, Tagungen usw., die von NETZ organisiert werden.

4. Verfahren, Rollen und Zuständigkeiten

4. 1 Prävention von sexueller Belästigung

NETZ unternimmt verschiedene Schritte, um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu verhindern. Dies umfasst:

• Alle in Kapitel 2 genannten Akteur*innen werden über diese Verhaltensregeln informiert und bestätigen ihre Einhaltung schriftlich, z.B. durch Unterzeichnung dieses Dokuments selbst oder durch Unterzeichnung von Verträgen, Vereinbarungen, Arbeitsverträgen usw. mit NETZ, die dieses Dokument als Anhang enthalten.
• Regelmäßige (mindestens jährliche) Besprechung der Inhalte der Verhaltensregeln in Teamtreffen von NETZ und in Treffen mit unseren Partnerorganisation in Bangladesch sowie in Orientierungsveranstaltungen für Mitarbeiter*innen in neuen Projekten.
• Aufnahme einer Klausel zu „Nulltoleranz gegenüber sexueller Belästigung“ und eines Verweises auf diese Verhaltensregeln in allen Verträgen, z.B. Projektvereinbarungen, Terms of References (ToRs) und Dienstleistungsverträge.
• Veröffentlichung der Verhaltensregeln in englischer und deutscher Sprache auf unserer Website und Weitergabe einer bengalischen Version an unsere Partnerorganisationen.

4.2 Beschwerden

Wer sexuell belästigt wird, sollte, wenn möglich, die belästigende Person darauf hinweisen, dass das Verhalten unerwünscht ist. NETZ ist sich bewusst, dass sexuelle Belästigung in ungleichen Machtverhältnissen vorkommen kann und dass es der betroffenen Person unter Umständen nicht möglich ist, die*den Täter*in zu konfrontieren.

Dieses Kapitel enthält Informationen über das Beschwerdeverfahren bei NETZ. Eine Beschwerde kann jederzeit eingereicht werden, eine Eingangsbestätigung erfolgt umgehend und eine erste Antwort darauf innerhalb von 15 Arbeitstagen, wenn die betroffene Person nicht anonym bleiben möchte. Innerhalb dieser Zeit werden die Schutzmaßnahmen gemäß Kapitel 4.5 angewandt. Jede Beschwerde wird an den zuständigen Beschwerdeausschuss weitergeleitet. Es wird sichergestellt, dass die Identität der betroffenen und beschuldigten Person anonym bleibt, bis die Anschuldigung bewiesen ist und die Sicherheit der betroffenen Person sichergestellt ist.

Wenn die betroffene Person beschließt, eine anonyme Beschwerde einzureichen, muss die Beschwerde mindestens folgende Angaben enthalten: 1) Was ist passiert? (kurze Beschreibung des Vorfalls); 2) Wo ist es passiert? 3) Wer war beteiligt? 4) Wann ist der Vorfall passiert?

Direkte Beschwerden: Beschwerden über sexuelle Belästigung können auf einem der folgenden Wege von der betroffenen Person oder einer von ihr beauftragten Person oder einer Person, die sexuelle Belästigung beobachtet hat, eingereicht werden:

(1) Durch ein persönliches Gespräch mit einer der beiden Genderbeauftragten.

(2) Durch eine Nachricht an die E-Mail-Adresse der Genderbeauftragten (E-Mail: gender@bangladesch.org); darüber hinaus können Beschwerden auch per Post an die Adressen der NETZ-Büros in Bangladesch oder Deutschland gesendet werden, wobei die Genderbeauftragte direkt adressiert wird.

(3) Durch telefonische Kontaktaufnahme mit der jeweiligen Genderbeauftragten während der Bürozeiten unter der auf der NETZ-Homepage angegebenen Rufnummer. Sollte die Genderbeauftragte nicht erreichbar sein, so ist eine Nachricht zu hinterlassen, damit ein Rückruf erfolgen kann.

Ist die Genderbeauftragte von sexueller Belästigung beschuldigt oder betroffen, kann die Beschwerde an ein anderes Mitglied des Beschwerdeausschusses oder die Geschäftsführung von NETZ gerichtet werden.

Indirekte Beschwerden: Wenn die betroffene Person es vorzieht, kann sie die*den unmittelbaren Vorgesetzte*n informieren mit der Bitte, weitere Maßnahmen zu ergreifen (nur für Mitarbeitende von NETZ). Die*Der Vorgesetzte nimmt die Beschwerde ernst, leitet sie an die jeweilige Genderbeauftragte weiter und sorgt dafür, dass sie bearbeitet wird. Darüber hinaus verfügen die NETZ-Büros in Bangladesch und Deutschland an einer sichtbaren Stelle in den Büroräumlichkeiten einen Beschwerdekasten, der regelmäßig von der jeweiligen Genderbeauftragten und einer zweiten Person geöffnet wird, die auch als Mitglied des Beschwerdeausschusses benannt ist (für Details siehe unten).

4.3 Beschwerdeausschuss in Bangladesch und Deutschland

Beschwerdeausschüsse werden sowohl in Bangladesch als auch in Deutschland eingerichtet und bestehen aus jeweils drei Mitgliedern (die Ausschüsse bestehen mehrheitlich aus Frauen). Sie werden von einem weiblichen Mitglied geleitet und haben die Aufgabe, Beschwerden entgegenzunehmen, unparteiisch zu untersuchen und Empfehlungen an die NETZ-Geschäftsführung zu geben. Die Genderbeauftragte ist aufgrund ihrer Position Mitglied des jeweiligen Ausschusses und fungiert als Koordinatorin. Die anderen Mitglieder werden vom jeweiligen Managementteam ausgewählt und von der Geschäftsführung des NETZ-Büros in Bangladesch bzw. in Deutschland alle zwei Jahre ernannt; zwischenzeitlich erforderliche Neuberufungen erfolgen nach demselben Verfahren. Ist ein Mitglied des Beschwerdeausschusses von sexueller Belästigung beschuldigt oder betroffen, koordinieren die anderen Mitglieder des Beschwerdeausschusses das weitere Vorgehen und schalten bei Bedarf die Geschäftsführung von NETZ ein.

4.4 Antwort- und Untersuchungsprozess

Der Antwort- und Untersuchungsprozess beider Beschwerdeausschüsse orientiert sich an den Leitlinien des Obersten Gerichtshofs von Bangladesch zu sexueller Belästigung sowie an den Leitlinien für Beschäftigte, Arbeitgeber und Betriebsräte der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (siehe Anhang) und ist an die Anforderungen von NETZ angepasst. Nach Eingang einer Beschwerde untersucht der Ausschuss jeden Fall und legt seinen Untersuchungsbericht mit Empfehlungen innerhalb von 30 Tagen der Geschäftsführung vor. Schutzmaßnahmen werden unmittelbar nach Eingang einer Beschwerde ergriffen. Wenn ein Mitglied der Geschäftsführung beschuldigt wird, wird der Bericht den Vorstandsvorsitzenden von NETZ vorgelegt. Die Frist für die Vorlage des Berichts kann vom jeweiligen Beschwerdeausschuss auf maximal 60 Tage verlängert werden, wenn mehr Zeit für die Untersuchung erforderlich ist und alle Ausschussmitglieder einstimmig dafür stimmen. Für jede eingereichte Beschwerde entscheidet der jeweilige Ausschuss, welche Mitglieder den Hauptteil der Untersuchung durchführen werden. Der Beschwerdeausschuss wird sich bei seiner Antwort an bewährten Praxisbeispielen orientieren, zu denen Folgendes gehört:

• Die Person, die die Beschwerde einreicht, wird von einem Ausschussmitglied, in der Regel der Genderbeauftragten, darüber informiert, dass die Beschwerde ernstgenommen wird und eine angemessene Untersuchung durchgeführt wird.
• Die Ausschussmitglieder wahren stets die Vertraulichkeit. Dies gilt sowohl für die Person, die die Beschwerde eingereicht hat, als auch für die beschuldigte(n) Person(en).
• Der Ausschuss ergreift unverzüglich Maßnahmen, nachdem eine direkte oder indirekte Beschwerde eingereicht wurde, und untersucht die Anschuldigung gründlich. In Anbetracht der Form der angezeigten sexuellen Belästigung unternimmt der Ausschuss geeignete Schritte zur Durchführung der Untersuchung.
• Aussagen von beteiligten Personen (z.B. der betroffenen und der beschuldigten Person) und möglichen Zeug*innen werden gesammelt und dokumentiert; die angesprochenen Personen werden darüber informiert, dass sie bestimmte, von ihnen gemachte Angaben als vertraulich einstufen können, d.h. nur für den internen Gebrauch des Ausschusses, aber nicht darüber hinaus, bestimmt sind.
• Auch wenn die betroffene Person eine erhobene Anschuldigung zurückzieht, setzt der Ausschuss seine Untersuchung fort und legt einen schriftlichen Bericht mit Empfehlungen vor.
• Der Ausschuss trifft seine Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip.
• Das zuständige Gremium (d.h. die jeweiligen Mitglieder der Geschäftsführung in einem der beiden Büros oder, falls ein Mitglied der Geschäftsführung beschuldigt wird, der Vorstand) ergreift auf der Grundlage der Empfehlungen des Untersuchungsberichts Disziplinarmaßnahmen.

4.5 Schutz und Unterstützung

NETZ verfolgt einen Ansatz, bei dem die Erfahrungen, Rechte und Bedürfnisse der betroffenen Person im Mittelpunkt stehen und während des gesamten Prozesses unterstützt werden. Wenn eine Beschwerde eingereicht wird, stellt NETZ in Absprache mit der betroffenen Person deren Schutz sicher. Eine Option in diesem Zusammenhang ist, dass während der Untersuchungen oder bis zur Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme keine arbeitsbezogenen Begegnungen mit der beschuldigten Person eingegangen werden. Dies könnte z.B. bedeuten, dass Projektbesuche eingestellt werden oder, dass im Homeoffice gearbeitet wird. Zu diesem Zweck informiert der Beschwerdeausschuss die jeweiligen Mitglieder der Geschäftsführung eines Büros, um gemeinsam über die notwendigen Schritte zu entscheiden; falls sich die Anschuldigung gegen ein Mitglied der Geschäftsführung richtet, werden alle anderen Mitglieder der Geschäftsführung beider Büros informiert, um über geeignete Schritte zum Schutz der betroffenen Person zu entscheiden. Darüber hinaus bietet NETZ den von sexueller Belästigung betroffenen Personen medizinische und beratende Unterstützung an und vermittelt ihnen bei Bedarf Rechtsbeistand. Wenn die Partnerorganisationen in Bangladesch nicht über Schutz- und Unterstützungssysteme verfügen, können sie von NETZ Unterstützung beim Aufbau solcher Systeme erhalten. In der Zwischenzeit sollten sie die oben erwähnten Verfahren befolgen.

4.6 Disziplinarmaßnahmen

Ergibt die Untersuchung, dass die Anschuldigungen glaubwürdig sind, werden von dem zuständigen Gremium sofortige Disziplinarmaßnahmen eingeleitet. Je nach Schwere des Fehlverhaltens, die vom Beschwerdeausschuss festgelegt wird, können die Maßnahmen Folgendes umfassen:

• Die obligatorische Teilnahme an Schulungen zum Thema Gender, die vom jeweiligen Gremium beschlossen werden;
• Eine erste Abmahnung (muss in jedem Fall mündlich und schriftlich erfolgen);
• Je nach Möglichkeiten des nationalen Arbeitsrechts: die Aussetzung von Gehaltserhöhungen und Beförderungen;
• Eine zweite Abmahnung (muss in allen Fällen mündlich und schriftlich erfolgen); diese führt in der Regel zur Kündigung;
• Die sofortige Kündigung (in besonders schweren Fällen).

Alle ergriffenen Maßnahmen werden dokumentiert und in der Personalakte der*des Täter*in aufbewahrt. Der Jahresbericht der Genderbeauftragten an den Vorstand enthält die Anzahl der behandelten Fälle.

Anhang

Richtlinien des Obersten Gerichtshofs zu sexueller Belästigung in Bangladesch (13.05.2009)
http://www.supremecourt.gov.bd/resources/documents/276907_Writ_Petition_5916_08.pdf
(zuletzt aufgerufen: 03.02.2023)

Leitfaden für Beschäftigte, Arbeitgeber und Betriebsräte der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Leitfaeden/leitfaden_was_tun_bei_sexueller_belaestigung.pdf?__blob=publicationFile&v=12
(zuletzt aufgerufen: 04.05.2023)