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Die frühkindliche Entwicklung kann durch Vorschulunterricht wesentlich gefördert werden

Kindzentrierter Unterricht als Schlüssel zu inklusiver Bildung

Die Lehrerin als Anleiterin, spielerisches Lernen und frühkindliche Bildung: Auch so kann Schule aussehen. Manjusree Mitra erläutert aktuelle Bildungsansätze an NETZ-geförderten Anandalokschulen.

Kindzentrierter Unterricht als Schlüssel zu inklusiver Bildung

Manjusree Mitra ist Teamleiterin für den Projektbereich Grundbildung bei NETZ und beschäftigt sich mit modernen Bildungsansätzen. Dazu zählen inklusiver, kinderzentrierter Unterricht und frühkindliche Bildung. Sie beschreibt Alternativen zu starrem Frontalunterricht, die es Kindern ermöglichen, kreativer zu lernen und ihre Potenziale bestmöglich auszuschöpfen. Die Ansätze sind Teil des Bildungskonzepts in NETZ-geförderten Anandalokschulen in Bangladesch.

Der Lehransatz in von NGOs unterstützten Schulen in Bangladesch unterscheidet sich von staatlichen Schulen, weil NGOs zumeist Schulen für besondere Zielgruppen unterhalten: Kinder aus extrem armen Familien, aus indigenen Gemeinschaften und von anderen Minderheitengruppen, außerdem oftmals Kinder mit Behinderung.

All diese Mädchen und Jungen bleiben in Sachen Schulbildung bei den staatlichen Bildungsinstitutionen sehr oft außen vor. Sie werden stigmatisiert, psychisch und physisch ausgegrenzt. Der Zugang zum Unterricht bleibt ihnen verwehrt. Um im Bildungsbetrieb – von der Grundschule bis zur Universität – teilhaben zu können, brauchen sie daher Unterstützung, Fürsorge, Lernmotivation und passende Unterrichtsmethoden. Für diese Kinder sind ein freudvolles Umfeld, eine positive Einstellung zum Lernen und soziale Interaktion besonders wichtig – die drei Kernelemente des erfolgreichen Lernens.

Die frühkindliche Entwicklung kann durch Vorschulunterricht wesentlich gefördert werden
Die frühkindliche Entwicklung kann durch Vorschulunterricht wesentlich gefördert werden: spielend lernen Kinder das Alphabet, Zahlen und Worte. Foto: Anastasia Rau

Kinder können mitgestalten

Es gibt nicht den einen, optimalen Ansatz, mit dem ein Kind am besten lernt. Entwicklung und Lernen sind vielmehr kontinuierliche Prozesse, die sich offen, flexibel und variabel gestalten – schon von der frühzeitlichen Entwicklung eines Kindes an. Doch verschiedene kinderzentrierte Lehrmethoden im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes können Mädchen und Jungen in der Schule dabei unterstützen, kreativ zu denken, logisch, schneller und besser zu lernen als mit althergebrachten Unterrichtsmethoden wie dem Frontalunterricht. Das hilft den Kindern in ihrer Entwicklung und trägt dazu bei, dass sie selbstbewusst aufwachsen. Was heißt also kinderzentriert?

Wichtig ist zuerst die Erkenntnis, dass Kinder kompetente, neugierige und selbstbewusste Menschen sind, die selbstständig handeln können. In einem Lernumfeld, in dem der gegenseitige Respekt zwischen Lehrkräften und Schulkindern an erster Stelle steht, werden die Kinder ermutigt, in der Schule – und auch zu Hause – zu lernen. Sie werden quasi für das Lernen begeistert.

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Wichtig dafür ist es, dass Kinder sich über den üblichen Unterrichtsrahmen hinaus in ihrer Schule engagieren können – zum Beispiel als Mitglied des Schüler-Rats. Das ist ein siebenköpfiges Team, in dem die Mädchen und Jungen selbstverantwortlich ihre „Schulressorts“ managen, unter anderem die Schulbibliothek, den Schulgarten, Gesundheitsvorsorge oder Sauberkeit.

Die Schulkinder wählen den Schüler-Rat jedes Jahr demokratisch aus ihren eigenen Reihen; es gibt Bewerber, die dafür eigens Wahlprogramme ausarbeiten. Die Mädchen und Jungen lernen und erleben auf diese Weise schon früh demokratische Prozesse und Engagement. Sie lernen aber genauso, dass sich ihre Erwartungen an das eigene Umfeld erfüllen, wenn sie selbst bereit sind, mitzugestalten. Wichtig für erfolgreiches Lernen ist auch das richtige Umfeld. Das Klassenzimmer sollte so eingerichtet sein, dass es für die Schüler ein attraktiver und freundlicher Ort ist, an dem sie sich gern aufhalten. Die Schule als Ort der Gemeinschaft, des Wohlfühlens, der Begegnung – das ist wesentlich.

Die Lehrerin als Anleiterin
Die Lehrerin als Anleiterin, die mit dem Schüler gemeinsam die Welt erforscht: Madhabi Rani von der Matia-Das-Anandalokschule in Nilphamari. Foto: Lisa Wolf
Kinder mit Behinderung stehen bei inklusiven Konzepten im Fokus
Auch Kinder mit Behinderung stehen bei inklusiven Konzepten im Fokus. Sie sollen trotz Beeinträchtigung am Unterricht teilhaben – so wie Remim Aktar von der Kachimuddin-Anadalokschule in Gangachara, die trotz körperlicher Einschränkung durch Kleinwüchsigkeit am gemeinsamen morgendlichen Sportunterricht teilnimmt. Foto: Sven Wagner

Talente entwickeln

Der Lehrplan gestaltet sich flexibel, es gibt keine festgeschriebenen Unterrichtspläne. Vielmehr variieren die Unterrichtspläne je nach Fortschritt, Interessen und Zielsetzungen der Schülerinnen und Schüler. Außerschulische Aktivitäten sind eine wichtige Ergänzung, um die Begeisterung der Kinder für den Unterricht zu stärken. Sie können Disziplinen bestimmen, in denen sie sich spezialisieren und ihre Talente weiterentwickeln möchten: Volkslieder, Tanzen, Debattieren, Cricket oder Fußball. Im wöchentlichen Kunst- und Handwerksunterricht lernen die Schulkinder zudem Zeichnen und den kreativen Umgang mit Naturmaterialien wie Lehm, Bambus und Ton.

Eine Schulbibliothek ist ein weiteres wichtiges Element in einem passenden Lernumfeld. Sie schafft für Kinder, deren Familien sich keine zusätzlichen Bücher leisten können, ein Leseangebot. Die Schüler wiederum können die Bibliothek selbst verwalten, Regeln zum Verleih aufstellen und Verantwortung übernehmen. Die Qualität des Unterrichts ergibt sich aus einer funktionierenden Dreiecksbeziehung zwischen Schulkind, Lernumfeld und Lehrkraft. Letztere verstehen sich beim kinderzentrierten Unterricht als Anleiter, für die es darum geht, mit den Schülern die Welt gemeinsam zu erforschen und die Kinder zum aktiven Lernen anzuregen, anstatt ihnen fertige Antworten zu präsentieren. Kinderzentrierter Unterricht verlagert die Lösungssuche vom Lehrer zum Schüler: Erkenntnisse auswerten, Argumente analysieren, Hypothesen aufstellen – diese Fähigkeiten sind wesentlich, um das Kind als Lernenden unabhängig zu machen. Es geht darum, nicht nur Inhalte auswendig zu lernen, sondern die Lernfähigkeiten zu entwickeln.

Wichtig ist es dabei für die Kinder, sich eigene Ziele zu setzen und diese mit dem Lehrer abzusprechen. Im Dialog verfolgen beide den Fortschritt. Der Pädagoge hilft mit der Organisation und Planung und der Schüler erhält die Kontrolle über seinen eigenen Lernprozess. Lernen wird somit nicht zum Zwang, sondern zu einem Prozess, den das Kind enthusiastisch verfolgt und dabei einen starken Partner an seiner Seite hat.

Der Lehrer als Partner

Die Forschung zeigt, dass Kinder auch sehr gut von- und miteinander lernen können. Das sogenannte kooperative Lernen erzeugt in der Klasse ein starkes Gefühl der Gemeinschaft, das soziale Wachstum der Schüler wird gefördert sowie das Bewusstsein dafür, selbstständig für den Lernerfolg verantwortlich zu sein. Rollenspiele im Unterricht ermutigen Kinder zudem dazu, zusammenzuarbeiten, verschiedene Perspektiven zu erkennen und Lösungen zu entwickeln. Die Schulkinder wählen Märchen, historische Ereignisse oder aktuelle Gesellschaftsfragen wie den Klimawandel oder die Situation in ihren Dörfern und bereiten ein Skript zu dem Thema vor. Sie verteilen die Rollen untereinander, basteln Requisiten und proben. Wenn das Rollenspiel steht, gehen sie auf die Bühne.

Die eigenen Eltern können ebenfalls eine aktive Rolle bei der schulischen Entwicklung des Kindes einnehmen – indem sie die Schule regelmäßig besuchen und die Lehrer unterstützen – etwa bei der Organisation von Festprogrammen zu nationalen Feiertagen oder Sportfesten. Selbst bei Reparaturen und Spendensammlungen für die Schule können die Erwachsenen aktiv werden und an Treffen der Schulverwaltung teilnehmen, bei denen über die Qualität der Schule und Verbesserungen beraten wird.

Praktisches Lernen

Vorschüler einer NETZ-geförderten Anandalokschule feiern den Internationalen Matsch-Tag am 29. Juni 2017. Auch wenn die Eltern zunächst skeptisch waren, zeigte sich, dass Kinder am meisten lernen, wenn sie hinausgehen, Dinge praktisch erkunden und Spaß dabei haben. Deshalb wird der Feiertag zelebriert: die Jüngsten experimentieren einen Tag lang mit Wasser, Erde und natürlichen Materialien wie Blättern, Steinen und Holz.

Die frühkindliche Entwicklung

Bereits in den Vorschulen werden die Jüngsten durch Reime, Erzählungen und Tanz gefördert. Die Vorschulkinder lernen so spielend das Alphabet und Zahlen. Überhaupt steht das Spiel hier im Vordergrund: Mit Bausteinen, Puppen, Figuren oder auch Sand und Wasser beschäftigen sich die Kinder täglich. Sie lernen ungezwungen beim Spielen, indem der Lehrer zwischendurch Fragen und kleine Aufgaben einbaut, und werden sozial aktiv mit den anderen. Die Vorschulkinder nehmen jeden Monat an Exkursionen in die nähere Umgebung ihrer Schule teil. Sie können ihren Forscherdrang ausleben und lernen, zu beschreiben, was sie auf der Reise so alles beobachten. Das fördert nicht zuletzt die Sprachentwicklung.

Kinderzentrierter Unterricht bei Vorschülern wie bei Grundschülern ist der Schlüssel zu inklusiver Bildung. Wenn die Schulkinder von Lehrern, Eltern und politischen Entscheidungsträgern als eigenständige Akteure anerkannt werden und kinderzentrierte Lehransätze überall Einzug halten, dann kann die Ausgrenzung von Kindern aufgrund sozialer Ungerechtigkeit ein Ende finden. Schon lange sucht die Wissenschaft Wege, wie kinderzentrierte Ansätze Eingang in die tägliche Unterrichtspraxis in den Schulen Bangladeschs finden können. Es gibt viel gesammeltes Wissen, das sich Lehrer zunutze machen können. Studien zeigen zwar, dass noch eine große Kluft zwischen Theorie und Praxis besteht. Aber durch weiteres Bemühen und die Verbreitung dieses Wissens, könnte der antiquierte Frontalunterricht irgendwann Geschichte sein.


Übersetzung: Sven Wagner

Manjusree Mitra ist Leiterin des Grundbildungsprogramms von NETZ im Landesbüro Dhaka.

Dieser Beitrag erschien in der Sonderausgabe 2017 "Lernen fürs Leben" der Bangladesch-Zeitschrift NETZ zum Projekt Jedes Kind braucht Bildung Die Zeitschrift können Sie als PDF downloaden oder als Drucksache bei uns anfordern.

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Anastasia Rau

Hallo, ich bin Anastasia Rau. Haben Sie Fragen zu den Schwerpunkten "Jedes Kind braucht Bildung" oder zu "Menschen haben Rechte"? Ich helfe Ihnen gerne weiter.

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