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„Verdeckt wollt Ihr halten die Zeichen Eurer Tyrannei“ Poesie des Widerstands

Sukanta Bhattacharya, geboren am 15. August 1926 in Kolkata, war ein bengalischer Dichter und Dramatiker und gilt als wichtiger Vertreter der modernen bengalischen Poesie.

Von Niko Richter

Schon als Schüler war Sukanta Bhattacharya politisch aktiv und seit 1944 Mitglied der Communist Party of India. Eine Annäherung an seine hier veröffentlichten Gedichte muss auch im historischen Kontext ihrer Entstehung geschehen, der Unabhängigkeitsbewegung gegen die britische Kolonialherrschaft in Südasien und dem Widerstand der Menschen gegen Fremdbestimmung und Ausbeutung. Sukanta Bhattacharya verstarb im Alter von 20 Jahren am 13. Mai 1947 an Tuberkulose, nur wenige Monate vor der Unabhängigkeit Indiens und Pakistans im August desselben Jahres. Der Großteil seiner Werke wurde posthum veröffentlicht.

Seine Gedichte, in einer modernen Sprache und im Stil einer der Prosa weichenden Lyrik verfasst, sind geprägt durch Realismus und den Kampf der Menschen für ihre Rechte und die Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse. Sie prangern Machtstrukturen und Ausbeutung an und setzen diesen einen vorsichtig geäußerten Optimismus entgegen. Die Zeilen seines Gedichts „Herrliches Leben“ verfasste er auf seinem Sterbebett in einem Krankenhaus in Kolkata. Die letzte Zeile in „Stufen“ spielt auf den berühmten Unfall des Mogulkaisers Humayun an, der durch einen Sturz von der Treppe seiner Bibliothek tödlich verunglückte.

Herrliches Leben

Herrliches Leben, nicht noch mehr jener Lyrik

Mit harter und strenger Prosa komm Du

Den Wohlklang süßer Verse wisch heut fort,

mit dem Hammer der Prosa schlag zu!

Unnötig ist der sanfte Fluss des Gedichts

Heute werde ich Dir, Poesie, keine Arbeit aufladen

Im Reich des Hungers ist die Welt prosaisch:

der Vollmond gleich einem gerösteten Brotfladen.


Stufen

Wir sind die Stufen.

Jeden Tag erklimmt Ihr große Höhen,

indem Ihr auf uns herumtrampelt;

nie wendet Ihr den Blick und schaut zurück.

Unsere Brust preist den Staub Eurer Füße,

mit Wunden der Fußtritte übersät, jeden Tag.


Auch Ihr wisst das und

wollt den Schmerz unserer Herzen unter den Teppich kehren.

Verdeckt wollt Ihr halten die Zeichen Eurer Tyrannei.

Unterdrücken möchtet Ihr, vor der Welt,

den Laut Eures arroganten und tyrannischen Auf-Tretens.


Dennoch wissen wir,

dass das Trampeln Eurer Füße auf unseren Körpern

nicht für immer versteckt bleiben wird.

Und wie schon dem Kaiser Humayun eines Tages

auch Euch ein Fehl-Tritt unterlaufen mag.


Übersetzung der Gedichte aus dem Bengalischen: Max Stille. „Herrliches Leben“ wurde aufgrund seiner Beliebtheit im jungen Bangladesch von Alokeranjan Dasgupta und Lothar Lutze in die 1974 erschienene Gedichtanthologie „Gangesdelta“ aufgenommen, die Werke indischer und bangladeschischer Autor*innen vereinte. Das Gedicht „Stufen“ heißt im Original সিঁড়ি („Shiri“ in einer ungefähren Lautschrift); „Herrliches Leben“ heißt auf Bengalisch হে মহাজীবন („He mohajibon“). Foto: Florian Albrecht

Der Beitrag erschien in der Bangladesch-Zeitschrift NETZ 1/2-2018 Koloniale Kontinuitäten Die Zeitschrift können Sie als PDF downloaden oder als Drucksache bei NETZ anfordern.

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