Jung, dynamisch, und erfolglos? Wirtschaft in Bangladesch
2-2000 | Bangladesch gilt als "Fass ohne Boden". Das Land scheint auf
Jahrzehnte ein Almosenempfänger zu bleiben. Geographisch liegt
Bangladesch aber nicht weit von den Ländern entfernt, die sich über die
letzten Jahrzehnte hinweg zu so genannten Tigern entwickeln konnten.
Auch wenn die Euphorie über das "Asiatische Wunder" durch die Asienkrise
einen Dämpfer erfuhr, geht es ihnen heute deutlich besser als
Bangladesch.
Das war nicht immer so. In den Fünfzigerjahren war
die wirtschaftliche Lage Südkoreas vergleichbar mit der des heutigen
Bangladesch. Heute hat Südkorea jedoch mit einem Bruttosozialprodukt von
9.500 US-Dollar pro Kopf fast den Anschluss an die westlichen
Industrieländer geschafft, während Bangladesch mit 350 US-Dollar pro
Kopf noch immer zur Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder zählt.
Ein Blick auf die Geschichte Bangladeschs bietet einige Erklärungen
dafür.
Die ersten Jahre des Landes waren gezeichnet durch den
Wirbelsturm von 1970 mit einigen hunderttausend Toten, den
Unabhängigkeitskrieg von 1971 mit drei Millionen Toten und 20 Millionen
Flüchtlingen, und der Hungersnot von 1974. Der junge Staat konnte seine
70 Millionen Einwohner nicht ohne Hilfe von außen ernähren. Diese
verschwand jedoch zum großen Teil in den Taschen der Elite. Heute hat
Bangladesch 127 Millionen Einwohner. Und - entgegen aller Befürchtungen -
ist es seit Mitte der Neunzigerjahre in der Lage, seine Bevölkerung
selbst zu ernähren. Das heißt aber nicht, dass alle genügend Geld haben,
um sich Nahrungsmittel zu kaufen.
Ein anderes Beispiel für die
ungeahnten Möglichkeiten ist die Entwicklung der Bekleidungsindustrie.
Als Anfang der Achtzigerjahre die ersten Fabriken entstanden, rechnete
niemand damit, dass im Jahr 2000 über eineinhalb Millionen Menschen dort
Arbeit finden würden. Heute lassen fast alle großen Textilketten und
Warenhäuser Deutschlands in Bangladesch produzieren. Dadurch finden zwar
viele Menschen Arbeit, allerdings unter sehr schlechten Bedingungen
(siehe Artikel zu den Textilarbeiterinnen).
Ingo Ritz