Hautnah. Mode - made in Bangladesh
Jede und jeder Deutsche kommt hautnah mit Bangladesch in Berührung.
Immer wieder. Zumindest ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch. Denn
tausende Hosen, Hemden und T-Shirts gleiten täglich durch die Hände
junger Sari-bekleideter Näherinnen, ehe sie in den Containern Richtung
Deutschland verstaut werden. Jedes Jahr liefert Bangladesch Textilien im
Wert von annähernd einer Milliarde Euro nach Deutschland. H&M,
C&A, P&C, OTTO oder TCM, gleich welche Initialen Ihr Shirt
trägt, alle großen Kauf- und Versand-Häuser führen Kleidung im
Sortiment, dessen Nähte von jungen Bengalinnen gefertigt sind.
„Made in Bangladesh“ auf der Haut: da gehen einem manche Meldung aus dem
Land der Bengalen unter die Haut. Etwa die vom 8. Januar 2005: „Bei
einem verheerenden Brand in der Sun Knitting & Processing Fabrik in
Narayanganj kamen 23 Textilarbeiterinnen ums Leben. Dutzende weitere
wurden teilweise schwer verletzt.“ Die Arbeiterinnen starben qualvoll im
Treppenhaus, weil die Notausgänge blockiert waren und die Feuerlöscher
nicht funktionierten. Es dauerte über vier Stunden, bis das Feuer
gelöscht werden konnte.
Verschlossene Ausgänge während der
Arbeitszeiten und Sicherheitsmängel sind nur ein Teil der
haarsträubenden Zustände in den Textilfabriken. Meist sitzen die Frauen
80 Stunden pro Woche an den surrenden Maschinen. Oder mehr. In stickigen
Räumen. Wobei viele von ihnen keinen Überstunden-Zuschlag erhalten.
Manche Näherin bricht nach einigen Jahre andauernder, anstrengender
Arbeit erschöpft zusammen.
Wenn ich darüber berichte, ist unter
den entsetzten Zuhörern in Deutschland die häufigste Reaktion: „Dann
kaufe ich keine Kleidung mehr, die in Bangladesch genäht wird.“ Folglich
erzähle ich von meiner Begegnung mit vielen Frauen, die an nur ganz
wenigen Tagen im Jahr drei Mal Reis zu Essen haben, mit etwas Salz. Ihre
acht- oder zehnjährigen Söhne arbeiten. Und ihre Kleinsten wachen
nachts jede Stunde auf. Schreiend. So dünn ist die Milch, die die Mutter
ihnen geben kann. Sieben Millionen Frauen in Bangladesch leben unter
ähnlichen Bedingungen. Mindestens. Sie können nur davon träumen, einen
Job hinter einer der Nähmaschinen zu ergattern. Und keine der Näherinnen
würde ihren Arbeitsplatz gegen den Hunger tauschen, dem sie entflohen
ist. Es ist also gut, dass in Bangladesch produziert wird. Und es ist
überlebensnotwendig, dass es so bleibt.
„Was soll ich dann
tun?“ fragen die Gesprächspartner, denen es nicht gleichgültig ist, was
sie auf der Haut tragen. Oder was ihnen unter die Haut geht. Lesen Sie
dieses Heft. Es bietet ihnen gute Anregungen, was Sie tun können, damit
die Arbeitsbedingungen in Bangladesch besser werden. Und greifen Sie zu,
wenn Sie beim nächsten Einkauf ein Shirt mit dem Einnäher „Made in
Bangladesh“ in den Händen halten.
Ihr Peter Dietzel