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Digitale Bangladesch-Tagung von NETZ e.V zum Thema Klimagerechtigkeit Die Stimme der Opfer

Es ist die Krise in der Krise: Auch wenn die Infektionszahlen und Inzidenzwerte in Deutschland immer weiter sinken, bleibt Covid-19 in vielen Teilen der Erde und insbesondere in Bangladesch eine massive Herausforderung. Das wurde bei der digitalen Bangladesch-Tagung von NETZ vom 11. bis 13. Juni deutlich. Seit mehr als einem Jahr sind Bildungseinrichtungen in dem Land geschlossen, strikte Lockdowns haben zu hoher Arbeitslosigkeit bei ohnehin hungergefährdeten Menschen geführt und die eigentlich gesunkene extreme Armut hat sich durch Corona in den vergangenen anderthalb Jahren verdoppelt, erklärte der Direktor des NETZ-Büros in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka, Habibur Rahman Chowdhury. Gegen diese Armut kämpfen NETZ und seine lokalen Partnerorganisationen in Bangladesch seit jeher und haben laut aktuellem Jahresbericht im Jahr 2020 mehr als 4,7 Millionen Euro in die Entwicklungszusammenarbeit gesteckt. Die spendenbasierte Arbeit hat damit Bildungs- und Landwirtschaftsprojekte unterstützt und Menschenrechtsaktivisten gestärkt. Rund 130.000 Menschen in Bangladesch und Indien konnte NETZ während der Corona-Krise direkt unterstützen, profitiert haben von den Projekten noch viele mehr.

Vor allem die Ärmsten leiden

Die andere Krise, die NETZ seit Langem beschäftigt, ist der Klimawandel. Und dass dieser nicht nur eine Bedrohung ist, sondern schon jetzt gnadenlos zuschlägt, machte Yi Yi Prue aus Bangladesch deutlich, die bei der Online-Tagung neben den Klimaschutz-Aktivist*innen Arvid Jasper (Klimagerechtigkeit Kassel) und Asuka Kähler (Fridays for Future) zu Gast war. „Ich habe als Kind und Jugendliche beobachtet, wie Schlammlawinen die Dörfer in meiner Heimat zerstört haben“, berichtete Yi Yi Prue. „Über hundert Menschen sind so allein in meinem Dorf im äußersten Südosten des Landes ums Leben gekommen.“ Es waren nicht die Einzigen, denn immer wieder suchen Naturkatastrophen wie Wirbelstürme, Hochwasser und Dürreperioden das Land heim. Yi Yi Prue habe das Erlebte – also Schicksale von Menschen, die Opfer dieser Folgen des Klimawandels wurden – niedergeschrieben, um es der Weltöffentlichkeit zu berichten. Mit Erfolg, denn im vergangenen Jahr war die junge Frau als Klimaanwältin mit weiteren Kläger*innen im Namen der Klimaopfer vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gezogen, um gegen das damals entworfene deutsche Klimaschutzgesetz zu klagen. Das Gericht hatte das Gesetz daraufhin Ende April für verfassungswidrig erklärt, weil die Klimalast durch die Regelungen nur auf folgende Generation abgewälzt würde und somit deren Freiheitsrechte in Zukunft unverhältnismäßig eingeschränkt würden.

Nun muss die Große Koalition in Berlin nachliefern und Yi Yi Prue machte bei der NETZ-Tagung erneut deutlich, worum es ihr dabei geht: „Die betroffenen Menschen in Bangladesch, Nepal, Indien oder auch auf den Philippinen wissen oft gar nicht um den Klimawandel und seine Gefahren. Doch sie leiden schon jetzt ganz konkret an den Folgen – nicht erst in der Zukunft. Obwohl sie ein Recht auf ein sicheres Leben haben“. Der Klimawandel sei also kein abstraktes Thema, sondern eine konkrete Gefahr, so Yi Yi Prue. Das wurde deutlich, als sie in der Diskussionsrunde mit den anderen Klimaaktivisten auf die Rolle von Bangladesch selbst einging. „Vor allem die armen, benachteiligten und vergessenen Menschen leiden“, erklärte sie. Denn sie seien es, die ihr Land und ihre Existenzgrundlage durch Unwetter und Klimaschäden verlieren und in die Armut abrutschen. Ohne diese Unrechtssituation überhaupt verstehen zu können. Daher, so die Klimaschützerin, sollten die Stimmen jener Menschen überall in der Welt – eben auch in Deutschland – Gehör finden.

Lebensmittelpakete verteilt

Wie drastisch die Klimafolgen auch in anderen Landesteilen sind, erklärten Vertreter*innen des NETZ-Teams aus Bangladesch und dem Wetzlarer Büro bei der Online-Tagung. Im Jahr der Coronakrise 2020 sei eine der schlimmsten Flutkatastrophen der vergangenen Jahre über Bangladeschs Norden geschwappt, so Aminur Rahman aus dem Bangladesch-Büro von NETZ. Katastrophenhelfer*innen haben dort gut 30.000 Lebensmittelpakete zur Sofortversorgung von mehr als 100.000 Menschen verteilt. Im Fokus der Arbeit stand wie immer aber auch die langfristige Unterstützung der Menschen, zur Wahrnehmung ihrer Rechte. „Die Klimakrise führt zunehmend zu gewaltsamen Konflikten. Land ist als Ressource sehr umkämpft“, so Rahman. Dabei hätten indigene Gruppen, alleinstehende Frauen und Familien in extremer Armut meist das Nachsehen. Und wer infolge von Katastrophen Land verliert, rutscht ab und hat im Verteilungskampf ohne Geld oder Beziehungen kaum die Aussicht neues zu erlangen.

Wegen dieser strukturellen Probleme sei die Klimakrise laut NETZ-Programmleiterin Afsana Binte Amin aus Bangladesch eben auch eine Menschenrechtsfrage: „Egal wo man geboren ist, jeder Mensch hat Rechte und Würde. Beides muss garantiert sein und darf nicht als gutmütige Wohltätigkeit missverstanden werden.“ Deshalb, so ergänzte Asuka Kähler von Fridays for Future, dürfe sich Klimaaktivismus auch nicht an sich selbst ausrichten, sondern an jenen, die am meisten und schon jetzt akut vom Wandel betroffen sind. Klimaschutz also nicht als Modeerscheinung, sondern als echter Einsatz für Gerechtigkeit. Und dies müsse in Politik und Gesellschaft hierzulande noch vielmehr Gehör finden

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