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NETZ Mitgliederversammlung und Bangladesch-Tagung 2022 Dem Unrecht begegnen

Hunger ist kein unabwendbares Schicksal, sondern eine Folge ungerechter Verteilung, die durch den menschengemachten Klimawandel umso mehr verschärft wird. Das war eine der zentralen Aussagen zur Bangladesch-Tagung und Mitgliederversammlung von NETZ in Frankfurt. Und welches große Feld an Fragen, Diskussionen und Anknüpfungspunkten sich dahinter aufmacht, wurde bei Vorträgen, Gesprächsrunden und Arbeitsgruppen der Tagung von 13. bis 15. Mai deutlich – weltweit, aber vor allem eben in Bangladesch, diesem am stärksten von den Folgen der Klimakrise betroffenen Landes in Südasien.

Egal, ob es um die versalzenen Böden der Südküste in der Region Sathkira geht oder um von Fluten zerstörte Schulen im ländlichen Norden: Die gefährliche Mischung und gegenseitige Verstärkung von Hunger und Klimawandel vermag es, Lebens- und Arbeitsgrundlagen ganzer Familien zu zerstören. Sie kann die Schulbildung von Generationen von Kindern beeinträchtigen. Und sie verstärkt die Armut insgesamt zunehmend.

Bericht aus Bangladesch

Die Kleingruppengespräche der Bangladesch-Tagung am Samstag haben das deutlich gemacht. So berichtete Shahidul Islam, Direktor des NETZ-Büros in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka von 19 Millionen von Klimawandel betroffenen Kindern – Flusserosion und Überflutungen haben etwa deren Häuser zerstört und die landwirtschaftlichen Erträge der Familien in Mitleidenschaft gezogen. Die Gesundheitsgefährdung ist groß. Und wo es um derart existenzielle Fragen geht, bleibt der Wert von Bildung vorerst außen vor, so Islam. Es geht den Familien zuerst ums Überleben. Im Zweifel müssen Mädchen und Jungen zuhause mit anpacken und ein Familieneinkommen sichern. Der NETZ-Direktor verwies in dem Zusammenhang auch auf die besonders problematische Situation von Mädchen und jungen Frauen. Diese seien oft der Gefahr ausgesetzt, frühverheiratet zu werden und müssten sich zusätzlich um den Haushalt kümmern.

Nicht zuletzt, so Islam weiter, sei auch eine unzureichende politische Repräsentation derjenigen, die in den am schlimmsten betroffenen Regionen leben, ein Problem: Die Stimmen der Betroffenen werden im Diskurs nicht laut. Das öffnet wiederum Missmanagement und falscher Prioritätensetzung Tür und Tor; Gelder und Ressourcen liefen Gefahr falsch oder unzureichend verteilt zu werden.

Handeln im Fokus

Aber, auch das wurde bei der Bangladesch-Tagung deutlich: Angesichts der großen gegenwärtigen Herausforderungen geht es nicht lediglich darum, immer neue Probleme aufzuzeigen. Vielmehr steht für die Betroffenen etwas anderes im Fokus – das Handeln. Eine Diskussionsgruppe hatte sich daher mit der Kernfrage beschäftigt: Wie geht Empowerment trotz Klimawandel? Mit interessanten Erkenntnissen, denn diese Frage klären Frauengruppen in NETZ-Projekten schon seit Langem. So erörterte NETZ-Programmleiter Philipp Kappestein mit den Diskutanten, wie klimaresiliente Landwirtschaft funktioniert, wie Dorfgruppen selbst nachhaltig wirtschaften, wie sich Landflucht angesichts der Armutsgefahr verhindern lässt und wie auch besonders vulnerable Menschen – etwa alleinstehende Mütter, Witwen oder Menschen mit Behinderung – erreicht und eingebunden werden können.

Daran schloss auch die Podiumsdiskussion an, zu der neben NETZ-Direktor Shahidul Islam auch Sabine Pabst vom Netzwerk FIAN zu Gast war. Sie stellte klar, dass das Recht auf Nahrung eines der fundamentalsten Menschenrechte ist und forderte, dieses einklagbar zu machen. „Das Ziel muss sein: Menschen können selbst Lebensmittel anbauen, verdienen genug Geld, um Lebensmittel kaufen zu können, Nahrung muss gesund, abwechslungsreich und kulturell angemessen sein“, sagte Pabst. Sie verwies auch auf die verheerenden Folgen der Corona-Pandemie weltweit und die Dominanz weniger globaler Nahrungskonzerne.

Selbstversorgung ist möglich

Doch ist daraus resultierender Hunger in Bangladesch ein unabwendbares Schicksal? Nein, erklärte Shahildul Islam. „Bangladesch kann Selbstversorger mit Reis sein, es gibt auch großes Potential bei der Fischproduktion.“ Es gehe daher vielmehr um den Zugang zu Nahrung, eine sichere Verteilung und Versorgungsstabilität. Auch Korruption sei eine Herausforderung, etwa beim Verkauf von Speiseöl, wo aktuell überteuerte Preise verlangt würden. Eine weitere, längerfristige Folge durch Covid sei auch, dass insbesondere Kleinbauern aus marginalisierten Gruppen ihr Land an Großunternehmen verlören und Opfer von Landraub seien. Und: dadurch, dass das Recht auf Nahrung in Bangladesch selbst noch nicht offiziell anerkannt ist – also nur ein „basic need“ anstatt eines „fundamental right“ darstellt – gibt es keine Stelle für Betroffene, an der sie das Recht geltend machen können.

Es geht um eine grundsätzliche Schieflage. „Die Belange von Landwirten wurden von der Politik lange Zeit vernachlässigt“, so Islam. Es fehle an Respekt für diese Arbeit, von der Bangladesch völlig abhängig ist. „Es braucht eine Armen-freundliche Politik”, sagte er. Marginalisierte Landwirte etwa bräuchten Unterstützung in Form von Subventionierungen und Versicherungen; zudem sei eine bessere Anerkennung von Frauen in der Landwirtschaft wichtig.

Appell gegen Lebensmittelverschwendung

Und so wurde nicht zuletzt vom Publikum die große Frage aufgeworfen, ob „wir“ nicht viel ambitionierter sein müssen, um den globalen Hunger zu beenden? Wenn die, die Nahrung produzieren, sie sich am Ende nicht leisten können, und wohlhabende Menschen „mit dem Essen der Armen“ (Biosprit) Auto fahren? Es war einmal mehr ein deutlicher Appell gegen Lebensmittelverschwendung und für faire, lebenswerte Löhne für Bauern und Bäuerinnen. Und für eine soziale Grundsicherung, die das größte Leid beenden könnte - schon 75 Milliarden Euro jährlich können 711 Millionen Menschen in Ländern mit niedrigem Einkommen absichern. 

Abseits der inhaltlichen Schwerpunkte standen bei dem Wochenende auch die neue NETZ-Strategie und die Projektarbeit insgesamt im Fokus. Hierbei ging es vor allem um den Verein: wie können NETZ-Aktive sich in Zukunft noch besser finden, Aktionen gemeinsam planen und durchführen. Auch das Engagement von NETZ in den angrenzenden Regionen Indiens und die Klimakrise als ein zentrales Thema bei NETZ beschäftigte die Teilnehmenden. Und natürlich erfuhren alle Gäste Neues aus den NETZ-Projekten, zum Kinderschutz und zur Gründung einer NETZ-Stiftung. Eine „harmonische und bereichernde Veranstaltung mit motivierten Teilnehmer*innen“ – so das Fazit in der Schlussrunde.

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