Appell aus Bangladesch zum Klimastreik in Duisburg
Am heutigen Freitag findet wieder ein globaler Klimastreik statt. Engagierte der Studenteninitiative „Weitblick Duisburg-Essen“ geben Mohammad Moniruzzaman, NETZ-Programmmanager in Bangladesch, auf der Demo in Duisburg eine Stimme und tragen stellvertretend seinen Redebeitrag vor:
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"Wir kennen solche Beispielrechnungen nun schon zu genüge: Eine Statistik besagt etwa, dass die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung für beinahe die Hälfte der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Während die ärmsten zehn Prozent nur ein Prozent der Emissionen verursachen. Dort, wo das viele Geld sitzt, kann auch viel ausgegeben und konsumiert werden. Reiche Menschen reisen, fliegen dazu mit dem Flugzeug, kaufen aufwendig produzierte und international transportierte Sachen.
Ja, auch in Bangladesch gibt es diese wohlhabenden Menschen. Aber im Verhältnis gibt es so viele Menschen, die wenig haben, wenig brauchen und verbrauchen. Auch weil die extreme Armut ihnen keine andere Wahl lässt. Diese Menschen leiden am allerstärksten unter den Folgen, die die Klimakrise über die Welt bringt. Von dieser Krise ist Bangladesch aufgrund seiner geografischen Lage und der großen Abhängigkeit von der Landwirtschaft, der hohen Bevölkerungsdichte bei geringem Durchschnittseinkommen und einem großen Anteil von Menschen in Armut eines der am stärksten betroffenen Länder weltweit.
Das sehen wir hier auf so vielen verschiedenen Ebenen, das gesamte Jahr über: In Nordbangladesch, in der Region Kurigram etwa, nehmen die Hochwasser und Fluten jährlich zu. 300.000 Menschen waren in diesem Sommer betroffen, mussten ihre Häuser zurücklassen, verloren ihre wenigen Habseligkeiten. Nicht selten sterben Menschen an solch fatalen Fluten oder den Folgen, wie verunreinigtem Wasser. 80 Prozent des gesamten Landes gelten als überschwemmungsgefährdet. In Westbangladesch, an der Grenze zu Indien machen Dürre und extreme Trockenheit das Land karg, sodass die Landwirtschaft immer mehr leidet. Menschen, deren Existenz von der Arbeit auf dem Feld abhängig ist, verarmen und ziehen auf der Suche nach Lohnarbeit in die größeren Städte – arbeiten dort am Ende aber doch nur für einen Hungerlohn. Und im Süden, etwa in der Region Satkhira, bedroht der steigende Meeresspiegel ganze Landstriche – zusammen mit Wirbelstürmen, Sturmfluten und Salzwassereinbrüchen. Das alles ist die Folge des gesamten Lebensstiles, Konsum und Fortschrittswillen der Menschheit.
Ja, die internationale Gemeinschaft hat das Thema längst erkannt, in den Medien ist der Klimawandel präsent, nationale Regierungen bemühen sich mitunter. Aber reicht das überhaupt? Die Klimakrise ist ein globales Thema, demzufolge braucht es eine gemeinsame und übergreifende internationale Kraftanstrengung. Doch das geht selbstverständlich nur, wenn auch jeweils die nationalen Regierungen eine strikte Klimaschutzpolitik verfolgen. Sie müssen sich eine solche Politik verschreiben und diese umsetzen, mit dem notwendigen politischen Willen. Das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen – egal, ob es um Entwicklungsländer oder Industrieländer gilt. Es gibt nationale Klimaschutzpläne, in Deutschland und in Bangladesch beispielsweise. Diese müssen streng definiert und entsprechend umgesetzt werden.
Einen Unterschied zwischen Entwicklungs- und Industrieländern besteht aber in den Kapazitäten und Möglichkeiten eine ambitionierte Klimaschutzpolitik auszurufen und umzusetzen – denn das ist mit Kosten und mit erheblichen Anstrengungen verbunden. Hier sind Industrieländer in der Pflicht. Entwicklungsländer müssen dabei unterstützt werden, Kapazitäten für ihren Kampf gegen den Klimawandel aufzubauen. Damit sind nicht nur konkrete Klimaschutz-Themen gemeint wie die Gewinnung von „grünem“ Strom, Förderung von Solartechnik oder die Stärkung klimaresilienter Lebensweisen. Es geht nämlich auch darum, etwa Korruption und Landgrabbing zu bekämpfen. Weil diese bei der Umsetzung von Klimaschutzpolitik erhebliche Probleme bereiten kann.
Zudem muss viel investiert werden, um lokales Bemühen gegen die Folgen des Klimawandels zu unterstützen, zu bündeln und zu koordinieren. In Bangladesch gibt es theoretisch viele Initiativen in lokalen Behörden. Doch hier muss sichergestellt werden, dass die Lokalbevölkerung einbezogen wird. Dass die Betroffenen und die, die lokal mit der Umsetzung betraut sind, sich ausreichend mit dem Thema vertraut machen können, darüber lernen und so nachhaltig Verbesserungen erzielen können. Die Lokalbevölkerung an den Hotspots der Klimakrise in Bangladesch muss unbedingt einbezogen werden, wenn Klimakonzepte umgesetzt werden sollen. Sie sind die eigentlichen Stakeholder, um sie geht es. Und sie sind im Zentrum dieser Arbeit, weil sie die Leidtragenden sind, aber zugleich die starke Kraft, die den katastrophalen Folgen trotzt. Die Bedürfnisse und Expertise genau dieser Menschen müssen dabei vor allem berücksichtigt werden, also ihr kulturelles Erbe, indigenes Wissen sowie traditionelle Praktiken zum Schutz der Ökosysteme und der biologischen Vielfalt. Bitte setzt auch ihr euch dafür ein, dass ihre so wichtigen Stimmen gehört werden!"
Beitrag von Mohammad Moniruzzaman, NETZ Bangladesch, Dhaka