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Internationale Handelsketten in Bangladesch Unfaire Praktiken

Laut einem Bericht der schottischen Universität Aberdeen von Januar 2023 haben die internationalen Supermarktketten Aldi, Lidl, Tesco und Asda neben weiteren in den vergangenen Jahren die Ausbeutung von Bekleidungsarbeiter*innen in Bangladesch befördert. Eine entsprechende Studie der Universität hat demnach 1000 bangladeschische Fabriken untersucht, die Kleidung für globale Marken und Einzelhändler*innen herstellen. Das Ergebnis: Während der Corona-Pandemie wurde vielen Lieferant*innen weniger als die Produktionskosten für ihre Ware gezahlt.

Unfaire Praktiken wie Nichtbezahlung, Stornierungen, Zahlungsverzögerungen, Rabattforderungen und eine fehlende Anpassung der Preise an steigende Kosten gegenüber den Produzenten wurden laut der Untersuchung in mehr als der Hälfte der Fabriken festgestellt.

Vor allem britische Supermärkte beziehungsweise internationale Ketten, die in Großbritannien ansässig sind, werden in dem Bericht wegen „Doppelmoral“ kritisiert. Während sie für die faire Behandlung ihrer Lebensmittellieferanten gemäß dem britischen Lieferkettengesetz „Groceries Supply Code of Practice (GSCOP)“ stünden, hätten sie das bei Bekleidungsherstellern versäumt, wie Fiona Gooch erklärte. Sie ist leitende politische Beraterin bei Transform Trade, einer an dem Bericht beteiligten Nichtregierungsorganisation, die sich für Handelsgerechtigkeit einsetzt.

Die Umfrage der Universität Aberdeen ergab, dass von den 38 Fabriken in Bangladesch, von denen Aldi im Jahr 2020 seine Waren bezog, fast die Hälfte erklärte, Zahlungen des Handelsriesen hätten sich um mehr als drei Monate nach dem Versand verzögert. Aldi erklärte daraufhin, der Bericht unterscheide nicht zwischen Fabriken, die die Konzernsparte Aldi Süd – zu dem das britische Geschäft gehört – und Aldi Nord, dem Schwesterunternehmen mit anderen Lieferketten, beliefern. Dabei war Aldi Süd eines der ersten Unternehmen, das die neue internationale Vereinbarung unterzeichnet hat, die darauf abzielt, die Textilfabriken in Bangladesch sicherer zu machen. Zudem ist der Konzern Mitglied der „Ethical Trading Initiative“.

Lidl reagierte auf den Bericht mit der Aussage, dass man seine „Verantwortung gegenüber den Arbeiter*innen in Bangladesch und anderen Ländern, in denen unsere Lieferanten produzieren, sehr ernst“ nehme und sich verpflichte, sicherzustellen, dass die wichtigsten Sozialstandards in der gesamten Lieferkette eingehalten würden. Ein Asda-Sprecher sagte: „Wir haben seit Langem gute Beziehungen zu unseren Lieferanten in Bangladesch und stehen in regelmäßigem Kontakt, um sicherzustellen, dass wir unsere Waren weiterhin verantwortungsbewusst und gemäß unseren Standards und Richtlinien beziehen.“ Tesco sagte zu dem Bericht der Universität Aberdeen: „Wir setzen uns für faire und transparente Partnerschaften in unserer gesamten Lieferkette ein und haben eng mit unseren Bekleidungslieferanten zusammengearbeitet, um sie bei der Bewältigung der Herausforderungen der Pandemie zu unterstützen.“

Die unkontrollierten Lieferketten der Supermärkte werden in Großbritannien – wo die Studie entstand – in letzter Zeit immer häufiger unter die Lupe genommen. In einem bemerkenswerten Fall wurde kürzlich auch die Supermarktkette Tesco von thailändischen Arbeiter*innen wegen mutmaßlicher Ausbeutung vor ein britisches Gericht gebracht. In Deutschland gilt seit diesem Jahr ein Lieferkettengesetz, das die Einhaltung von Menschenrechtsstandards bei Produktionsprozessen sicherstellen soll.

Text: Maria Goncalves. Die Autorin ist Journalistin, der Text ist zuerst in der Tageszeitung „The Grocer“ erschienen.


Zur Studie: Einige der größten Bekleidungshändler der Welt gleichen steigende Rohstoffkosten aus, indem sie Zulieferer in Bangladesch unter Druck setzen – das besagt eine aktuelle Studie einer Gruppe britischer Forscher. Demnach haben fast drei Viertel der Marken, die Kleidung von den in der Studie untersuchten rund 1000 Fabriken beziehen, ihren Zulieferern zuletzt nahezu gleiche Margen gezahlt wie vor der Corona-Pandemie. Dies deute darauf hin, dass sie wenig oder nichts unternommen haben, den Zulieferern zu helfen, gestiegene Rohstoffkosten und finanzielle Mehrbelastung durch Corona-Schutzmaßnahmen auszugleichen.

Medienberichten zufolge erklärte der Hauptautor der neuen Studie, Muhammad Azizul, die Unterbezahlung von Zulieferern wirke sich auch auf Arbeitnehmer*innen aus. Nach der Pandemie sei die Zahl der Beschäftigten in den in der Studie untersuchten Fabriken um zehn Prozent unter das Niveau vor der Pandemie Anfang 2020 gesunken, obwohl die Bekleidungsexporte aus Bangladesch gestiegen sind. Es liege nahe, dass weniger Arbeiter*innen mehr Arbeit leisten mussten, was auf Ausbeutung hindeute, wie das Wirtschaftsmedium „Financial Post“ berichtete. Der Zeitung zufolge zählten die Unternehmen H&M, Zara, Walmart und Gap zu den großen internationalen Einzelhändlern, die in dem Bericht genannt wurden.

Von den 1138 Bekleidungsmarken, die in der Studie erwähnt werden, hat demnach fast ein Fünftel in Pandemiezeiten weniger gezahlt, als ursprünglich vereinbart worden war. Laut der Studie sah sich die Bekleidungsindustrie in Bangladesch in den ersten Corona-Monaten bis Juni 2020 mit Aufschüben und Stornierungen von Exportaufträgen im Wert von rund 3,7 Milliarden US-Dollar konfrontiert, von denen die meisten für Europa und Nordamerika bestimmt waren. Dies habe dazu geführt, dass Tausende von Arbeitnehmer*innen während der Pandemie ihren Arbeitsplatz verloren.

Dieser Beitrag erschien in der Bangladesch-Zeitschrift NETZ, Ausgabe 1-2023 "Doch nur das 'Klamottenmädchen'? - Wie Die Welt Bangladeschs Textilarbeiterinnen vergessen hat" zum Thema "10 Jahre Rana Plaza". Die Zeitschrift können Sie als PDF downloaden oder als Drucksache bei uns anfordern.

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