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Textbuchänderungen in Bangladesch

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Verschiedene Gruppen in Bangladesch, die sich über ihre Interpretation einer islamischen Identität definieren, hatten vor Beginn des neuen Schuljahres 2017 beim staatlichen Bildungsministerium Bangladeschs interveniert und erfolgreich ihre Forderung durchgesetzt, Änderungen in Schulbüchern vorzunehmen. Unter anderem sollten 17 Texte säkularer Autoren aus den Werken für den Bengalisch-Unterricht gestrichen werden. Die Konservativen hatten diese Texte als atheistisch verurteilt und abgelehnt. Der Forderung wurde stattgegeben, ohne dass weitere Erläuterungen von Regierungskreisen dazu verlautet wurden. Als die Schulbücher zum Schuljahresstart verteilt wurden, waren die 17 Gedichte und Kurzgeschichten nicht mehr in den Büchern zu finden. Zudem wurden Beispielbegriffe zum Erlernen des Alphabets geändert: zum Erlernen des Buchstaben „O“ wird statt der Frucht Ol fortan der Orna, ein Schal, mit dem sich vor allem muslimische Frauen und heranwachsende Mädchen verhüllen, gebraucht. Zudem wurde ein Lerndialog über eine Reise in das hinduistisch geprägte Nordindien geändert – die Reise, über die gesprochen wird, geht nun an den Nil nach Ägypten. Beobachter stellen in dem Zusammenhang fest, dass Bewegungen wie die Hefazat-e-Islam (Hefazat) Anhänger immer geschickter mobilisierten und zunehmend Einfluss gewännen, sodass sich die Regierung immer schwerer damit tue, nicht auf deren Forderungen einzugehen – insbesondere im Hinblick auf die kommenden Parlamentswahlen Anfang 2019.

Alles nur Routine?

In der New York Times berichteten die Journalisten Ellen Barry und Julfikar Ali Manik – er arbeitet für die größte englischsprachige Zeitung in Bangladesch, The Daily Star – über die Schulbuch-Intervention: Änderungen in staatlichen Schulbüchern forderte die Hefazat als große islamische Bewegung in Bangladesch demnach erstmals im Zuge größerer Demonstrationen im Jahr 2013. Aktivisten waren damals auf die Straße gegangen und verlangten unter anderem die Streichung „unislamischer“ Texte.

Die alarmierte Regierung wurde daraufhin aktiv und verpflichtete ihrerseits die über 10.000 staatlichen Koranschulen, standardisierte staatliche Lehrbücher zu verwenden, um jene Schüler mit konservativerem Hintergrund besser integrieren zu können. Lehrer an Koranschulen wandten sich daraufhin an die Regierung unter anderem mit der Forderung, Hindu- und Christennamen in jenen Werken für den Gebrauch an Koranschulen durch islamische zu ersetzen. Dafür zeigten sich die Behörden offen: Namen sowie Darstellungen unverschleierter Mädchen wurden geändert – Regierungsberatern zufolge als Kompromisslösung.

Der von der Hefazat geforderten Streichung von 17 Geschichten säkularer Autoren in den Textbüchern für landesweit 20.000 staatliche Schulen wurde zunächst jedoch nicht nachgegeben. Bis Anfang dieses Jahres. Dem New-York-Times-Bericht zufolge habe ein Sprecher des Bildungsministeriums die nun umgesetzten Änderungen nicht weiter kommentiert. Narayan Chandra Saha habe lediglich erklärt, dass die Textänderungen routinemäßig erfolgten und keinen unmittelbaren Forderungen zugrunde lägen. Nach Bekanntwerden der Änderungen Anfang 2017 hatten Hunderte Studenten und Aktivisten dagegen protestiert. Die HefazatBewegung kündigte ihrerseits weitere Änderungsvorschläge an.

Unterdessen haben säkulare Aktivisten die 17 aus den Büchern verbannten Texte gesammelt und als Broschüre herausgegeben als Zeichen gegen eine mutmaßliche Unterdrückung und Einschränkung. Die Geschichtensammlung ist in der NETZ-Mediathek digital erhältlich (im Original auf Bengalisch)

Dieser Beitrag erschien in der Sonderausgabe 2017 "Lernen fürs Leben" der Bangladesch-Zeitschrift NETZ zum Projekt Jedes Kind braucht Bildung Die Zeitschrift können Sie als PDF downloaden oder als Drucksache bei uns anfordern.

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