Startseite
Jetzt spenden

„Geschichten aus den Dörfern“ Selbstmach-Filmprojekte im ländlichen Bangladesch

Filmworkshop für Mädchen in Bangladesch

Im Gespräch: Syeda Neegar Banu

Die Filmemacherin aus Khulna ist aktiv in der alternativen FilmBewegung Parallel Cinema und hat darüber hinaus GONO-Cinema gegründet. Mit dem Projekt will sie die Lust auf Film und Filmemachen bei den Menschen außerhalb von Bangladeschs Kino-Zentrum Dhaka wecken.


NETZ: Was ist GONO-Cinema?

Syeda Neegar Banu: GONO bedeutet Masse. Im Grunde habe ich die Vision, eine Independent-Film-Bewegung außerhalb Dhakas zu etablieren. Vieles, was an Kultur in Bangladesch entsteht, kommt aus Dhaka. Ich wünsche mir aber, dass auch die Menschen in den Dörfern ihre Geschichte erzählen: Sie sollen Produzenten und Publikum zugleich sein.

Ich gehe dazu in die Dörfer und veranstalte Filmaufführungen. Im Anschluss findet sich häufig eine Gruppe an Interessierten, die Lust haben, mit mir ein Filmprojekt zu beginnen. Dafür stelle ich ihnen Wissen, technische Ausrüstung und etwas Geld zur Verfügung. Aber Geschichten gebe ich ihnen nicht. Die sollen sie selbst finden. Manche wollen aus ihrem Leben berichten, andere auf soziale Probleme aufmerksam machen.


NETZ: Wie ist die Idee zu dem GONO-Cinema-Projekt entstanden?

Neegar: GONO-Cinema ist weniger ein Projekt für mich, als vielmehr mein Traum. Schon vor meinem Studium hatte ich begonnen, mich mit Filmaktivisten weltweit zu vernetzen. Ich war in Südkorea, Indien und zweimal in Deutschland.

2012 haben mich Filmemacher nach Kenia eingeladen, die in den Dörfern außerhalb Nairobis mit jungen Erwachsenen Film-Workshops durchführen und Aufführungen in den Dörfern organisieren. Dieser Besuch war wegweisend für mich.


NETZ: Was ist die größte Herausforderung?

Neegar: Ohne das Engagement der Ehrenamtlichen würde es GONO-Cinema nicht geben. Ein großes Problem ist, dass wir auf Spenden angewiesen sind. Zwar unterstützen mich meine Freunde hin und wieder, aber das ist nicht ausreichend. Aufgrund der begrenzten finanziellen Mittel können wir derzeit nur vier Filmprojekte in zwei Dörfern unterstützen.

Viele der Teilnehmenden aus den Dörfern sind junge Menschen. Im Gegensatz zu meiner Generation sind sie ungeduldig und wollen sofort loslegen. Sie glauben, dass sie schon nach einem Workshop einen Film machen und Geld verdienen können. Zusätzlich ändert sich bei ihnen auch privat viel. Von 17 Leuten sind nach zwei Jahren noch elf übrig, die das Filmprojekt zu Ende bringen. Die anderen sind für einen neuen Job in eine neue Stadt gezogen oder haben eine Familie gegründet.


NETZ: Und das Publikum?

Neegar: Es gibt es kein großes Publikum für bangladeschische Produktionen. Die Menschen wollen indische Filme und Serien ansehen – und das am liebsten an ihrem Fernseher zu Hause. Der Fernseher ist das Statussymbol der Mittelklasse geworden. Wir müssen erst wieder die Menschen davon überzeugen, wie schön es sein kann, gemeinsam im Kino einen Film anzuschauen und anschließend zu diskutieren. Deswegen gehen wir auch in Schulen und veranstalten Filmaufführungen. Eine Aufführung kostet uns etwas mehr als zwei Euro. Weil wir derzeit nicht ausreichend finanzielle Mittel haben, können wir nur an einer Schule arbeiten.


NETZ: Wie bist Du zum Film gekommen?

Neegar: In meiner Kindheit sind wir häufig ins Filmtheater gegangen. Mein Vater liebte Filme, besonders die Produktionen aus Hollywood: Wir haben gemeinsam mit Sophia Loren nach ihrem vermissten Ehemann im Film Sunflower gesucht und mit Sherlock Holmes viele Fälle gelöst. Kultur hatte schon immer einen wichtigen Stellenwert in meiner Familie. In der elften Klasse gründete ich mit Mitschülerinnen eine Theatergruppe. Wir haben Theater-Workshops organisiert und Aufführungen veranstaltet. Vier Theaterstücke habe ich in der Zeit selbst verfasst. Doch dann habe ich noch einen Schritt weiter gemacht und es war der Film, der mich schließlich fesselte. Mit 22 Jahren stand für mich fest: Film ist meine große Leidenschaft.


NETZ: Wie ist Deine Familie mit dieser Entscheidung umgegangen?

Neegar: Als Frau, Tochter einer Mittelklasse-Familie und Muslimin war das eine schwierige Entscheidung. Zwar liebte es meine Familie, Filme anzusehen. Sie war aber ganz und gar nicht damit einverstanden, dass ich selbst Filme machen wollte. Zu Beginn unterstütze mich nur meine Mutter. Erst als ich 2003 für einen Kurzfilm meinen ersten Preis samt Preisgeld erhielt, respektierten auch meine Brüder und mein Vater diese Entscheidung.


Interview: Sabrina Syben

Filmworkshop für Mädchen in Bangladesch
Leidenschaft Kino – Syeda Neegar Banu (2. v. r.) beim Filmworkshop für Mädchen. Foto: GONO-Cinema

Mehr BeiträgeAlle Beiträge

Ihre Spende kommt an.

Alle Projekte ansehen
Jetzt spenden

Sichere SSL-Verbindung