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Eineinhalb verlorene Jahre

18 Monate lang waren Bangladeschs Schulen pandemiebedingt geschlossen. Mit Folgen für das Bildungssystem sowie die psychische Gesundheit der Schüler*innen.

Von Mamun Abdullah und Fahim Reza Shovon

Nachdem die Regierung aufgrund der Zunahme von Covid- 19-Infektionen Anfang des Jahres einen weiteren strengen Lockdown verhängt hatte, war klar, dass die Bildungseinrichtungen des Landes noch mehr Zeit brauchen werden, um wieder öffnen zu können – was die ohnehin schon schwer getroffenen Schüler*innen weiter belastet. Nach Ausbruch der Corona- Pandemie waren die Schulen, Hochschulen und Universitäten des Landes mehr als 18 Monate geschlossen. Wie im Rest der Welt waren auch die Behörden in Bangladesch gezwungen, den Termin für die Wiedereröffnung der Bildungseinrichtungen immer wieder zu verschieben, da die Pandemie weiter anhielt.

Doch nach der jüngsten Abriegelung werden die Student*innen und Schüler*innen noch viele Monate warten müssen, bis sie ihr normales Schulleben wieder aufnehmen können. Laut dem Bericht des Bangladesh Bureau of Educational Information and Statistics (BANBEIS) für das Jahr 2019 gab es landesweit insgesamt 171.779 Bildungseinrichtungen mit etwas mehr als 39 Millionen Lernenden- Die nunmehr über einjährige Lücke in der institutionellen Ausbildung hat bereits negative Auswirkungen auf die Schüler*innen gehabt: Sowohl in Bezug auf die geistige als auch auf die körperliche Gesundheit. Seit Beginn der Pandemie hat die Regierung alternative Lernprogramme wie Online- Unterricht, Nachbereitung durch Lehrkräfte und Unterrichtssendungen in Fernseh- und Radiokanälen eingeführt.

Weil nicht alle Schulkinder Zugang hatten, haben sich diese Maßnahmen jedoch nicht als praktikable Alternativen zum physischen Unterricht erwiesen. Der Education Watch Report 2020-21, der von der Bildungsplattform Campaign for Popular Education (Campe) veröffentlicht wurde, zeigt: 58 Prozent der befragten Schüler*innen waren gar nicht mit elektronischen Geräten oder Smartphones ausgestattet, um an Fernunterrichtsangeboten teilzunehmen. Von denen, die teilnehmen konnten, sagten 90 Prozent, sie haben sich nicht an das Gelernte erinnern können, da die Lehrer den Unterricht nicht nachbereitet hatten. Im Durchschnitt verbrachte ein Schulkind während der Pandemie nur zwei Minuten pro Tag im virtuellen Unterricht. Gleichzeitig sank die Dauer des Selbststudiums eines jeden Schülers von 185 Minuten auf 115 Minuten, wie eine andere Studie vom Mai 2020 ergab. Einer weiteren Studie zufolge befürchteten 44 Prozent der Kinder unterer Klassenstufen, dass sie nach Wiederaufnahme des Schulbetriebs nicht in den Unterricht finden könnten.

Laut einer zusätzlichen Studie könnten von diesen Kindern vor allem minderjährige Mädchen Opfer von Kinderehen werden. Denn: Im Vergleich zu 2019 ist die Rate an Kinderehen im Jahr 2020 um 44 Prozent gestiegen – was auf die fehlende Schule und das sinkende Haushaltseinkommen der Familien zurückzuführen ist, so eine Untersuchung der Manusher Jonno Foundation. Abgesehen von Schulabbrüchen und Verheiratung bei Mädchen leiden die Kinder vor allem unter psychischen Problemen, da sie noch nie in ihrem Leben so lange in ihren Wohnungen eingesperrt waren. Außerdem haben sie keine Möglichkeit, mit Freund*innen und Klassenkamerad*innen zu spielen. Aus einer weiteren Studie aus diesem Jahr geht hervor, dass über die Hälfte der Kinder mit ihrem Leben zu Hause unzufrieden waren und 40 Prozent der Kinder in dieser Zeit an Unterernährung litten, da das Einkommen ihrer Eltern gesunken war.

Der Text ist zuerst am 12. April 2021 in der bangladeschischen Tageszeitung Dhaka Tribune erschienen. Die bangladeschische Regierung hat die staatlichen Schulen inzwischen wieder geöffnet, am 12. September 2021 – nach 543 Tagen Schließzeit (Anm. d. Red.).


Die Campe-Studie

Der sogenannte Education Watch Report der bangladeschischen Bildungsplattform Campaign for Popular Education (Campe) für den Zeitraum 2020-21 zeigt: Fernunterrichtsprogramme über Fernsehen, Radio und Internet, die den nterrichtsausfall infolge der seit März 2020 erlassenen Schulschließungen in Bangladesch aufgrund der Covid-19-Pandemie kompensieren sollen, bleiben im Großen und Ganzen unwirksam. Rund 3000 Menschen wurden für die Untersuchung befragt, darunter waren Grundund Sekundarschüler*innen sowie Lehrer*innen und Eltern. Die Ergebnisse fallen ernüchternd aus: Dem Bericht zufolge haben fast 70 Prozent der Schulkinder in der Zeit überhaupt nicht am Fernunterricht teilgenommen; der allergrößte Teil davon gab an, aufgrund fehlender Geräte gar nicht die Möglichkeit dazu gehabt zu haben. In ländlichen Regionen Bangladeschs haben mehr als zwei Drittel der Mädchen und Jungen, die keinen Fernunterricht wahrgenommen haben, angegeben, dass sie keine Ausrüstung dafür hatten. Ein Teil der befragten Kinder (insgesamt 16,5 Prozent) gab an, den Online-Unterricht „nicht interessant“ zu finden und ihn deshalb geschwänzt zu haben. Das Fazit von Campe: Fernstudienprogramme bleiben im Großen und Ganzen ineffektiv.

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