Der Zyklon "Remal" hat Bangladesch und Teile Indiens am Wochenende getroffen und schwere Verwüstungen angerichtet. Mehrere Tage zogen orkanartige Niederschläge über den Küstenbereich und trieb Wassermassen ins Landesinnere. Mehr als 3,7 Millionen Menschen auf dem Subkontinent sind betroffen. Bis Mitte dieser Woche waren 800.000 Menschen vor dem Zyklon in Schutzgebiete geflohen, 26 Menschen kamen ums Leben. Auch Tage nach dem Zyklon dauerten Stromausfälle an, noch am Dienstag waren in Bangladesch 17 Millionen Menschen ohne Strom.
Besonders betroffen waren die Küstengebiete im Süden Bangladeschs, in denen mehrere NETZ-Partnerorganisationen in den NETZ-Schwerpunkten Ein Leben lang genug Reis und Klimagerechte Zukunft arbeiten. Dort traf "Remal" in der Nacht von Sonntag auf Montag auf Land und richtete schwere Schäden an. Nach Angaben der NETZ-Partnerorganisation Jagaroni Chakra Foundation (JCF) sind in den Arbeitsregionen rund 685.000 Menschen betroffen, mehr als 66.000 Häuser wurden demnach zerstört.
Insgesamt 2.376 Menschen aus NETZ-Projekten haben in Zyklon-Schutzräumen Unterkunft gefunden. Ersten Bestandsaufnahmen der Mitarbeiter*innen vor Ort sind im Projektgebiet 163 Häuser komplett zerstört worden. 1.292 Häuser und 1.977 Gemüsegärten von Projektteilnehmerinnen wurden beschädigt.

Das Wasser ist bei uns bis zum Dach hoch gestiegen.
"Ich bin während des Zyklons zu einem Schutzraum gegangen, konnte sogar einiges an Vieh mitnehmen. Die Ziegen waren zurückgeblieben und haben überlebt. Von den Enten und Hühnern sind aber einige gestorben."

Der Sturm flaut nach Tagen ab - jetzt geht es um die Bestandsaufnahme

Abgesehen von zerstörten Häusern richtete der Zyklon weitere Schäden an: Gemüsegärten der Familien wurden durch Schlamm- und Wassermassen zerstört. Teiche wurden überflutet, sodass Fische und Krabben - von deren Zucht viele Menschen leben - weggeschwemmt wurden.
Auch das Nutzvieh wie Ziegen und Hühner ist betroffen: Die Tiere sind wichtigster Besitz für viele der Kleinbauernfamilien. Sie harren aufgrund von zerstörten Stallungen und überschwemmten Häusern im Freien aus. Es gibt kein Futter, Krankheitserreger grassieren und stellen eine Gefahr für die Gesundheit dar.
Sauberes Trinkwasser für die Betroffenen droht knapp zu werden: Zuletzt sammelten und nutzten die Menschen vielerorts noch Regenwasser. Nach abnehmenden Niederschlägen bleiben nur noch die Trinkwasserstellen, die durch die Fluten mit Schlick mit Bakterien und teilweise Fäkalien kontaminiert wurden.
Hier gibt es aktuelle Eindrücke von der Lage vor Ort:
NETZ und seine lokalen Partnerorganisationen leisten Hilfe und Unterstützung für Betroffene:
- Freiwillige Katastrophenhelfer*innen brachten Menschen, insbesondere ältere und Kinder, in Zyklonschutzräume gebracht
- im Vorfeld haben NETZ-Partnerorganisationen tagelang zum drohenden Zyklon informiert und die Menschen aufgefordert, Schutzräume aufzusuchen
- NETZ-Mitarbeiter*innen aus Dhaka waren im Vorfeld zur Koordination in der Region
- NETZ-Dorfgruppen und Helfer*innen sicherten Häuser, befestigten Dämme und reparierten erste Schäden
- in einem von einer NETZ-Partnerorganisation betriebenen Schutzraum fanden 150 Menschen Zuflucht
Stimmen aus den NETZ-Projekten

Zarina Das, Fischerin, aus Godaipur (Satkhira) und Mitglied einer NETZ-Dorfgruppe:
"Meine gesamte Familie und ich haben während des Zyklons zu Hause ausgeharrt. Wir konnten nicht in einen Schutzsraum gehen, da wir unseren gesamten Hausstand hätten zurücklassen müssen. Doch das ist alles, was wir haben: Unsere Schweine, das kleine Boot und die Fischernetze, mit denen wir unser Geld verdienen. Und mit dem Vieh wären wir nicht in die Schutzräume gekommen. Der Sturm hat unser Haus schwer beschädigt. Die Küche wurde zerstört. Eine unserer Ziegen wurde von einer eingestürzten Wand erschlagen."

Dulal Mondol, Freiwilliger Helfer, aus Paikgacha: "Ich habe die Menschen im Ort vor dem Zyklon gewarnt und Warnflaggen gehisst. Per Lautsprecher habe ich aufgerufen, dass die Leute ihre Sachen packen und an einen sicheren Ort gehen sollen. Als der Zyklon kam, habe ich ältere Leute in die Notunterkünfte gebracht. Auch Kindern habe ich so geholfen. Nach dem Unwetter war es sehr schwer überall durchzukommen. Abgebrochene Äste und umgestürzte Bäume lagen überall. Die Dämme sind an zehn Stellen gebrochen. Das Schlimmste ist, dass Salzwasser vom Meer nun massenhaft in das Land eindringt und die Böden beschädigt. Die Nutztiere hier sind deshalb in großer Gefahr. Futter für sie und natürlich auch Essen für uns zu finden ist gerade sehr schwierig."

Peyara Begum: "Der Tisch in unserem Haus stand komplett unter Wasser. Alles, was hier war, wurde mit den Massen in einen Kanal geschwemmt. Was bringt es, so zu leben? Ich habe seit drei Tagen keine Stelle zum Kochen und muss aus Ziegelsteinen Feuer machen. Mir sind 15 Enten gestorben und sechs Hühner. Ich musste sie hier zurücklassen, dann kam ich wieder und sie waren tot. Was soll ich jetzt bloß tun"

Das Haus von Taposhi Rani Moyna wurde durch den Zyklon "Remal" zerstört. Sie lebt in der Küstenregion Satkhira, ist Teilnehmerin einer Frauengruppe des NETZ-Schwerpunts "Ein Leben lang genug Reis" und eine von hunderttausend Betroffenen.
Taposhi Rani Moyna kehrte gerade erst aus dem Zyklon-Schutzraum nach Hause zurück. Nun muss sie den Wiederaufbau für sich und ihre Familie in den Blick nehmen.