Islam - Bangladesch in der Zerreißprobe
Seit dem 11. September ist der Islam in Deutschland wieder zu einem
heftig diskutierten Thema geworden. Diejenigen sind wieder lauter zu
hören, die behaupten, dass Intoleranz und Fanatismus zum Wesen des
Islams gehörten und dass Demokratie und Islam unvereinbar wären.
Bestätigt sehen sich die Islam-Gegner auch durch die Gewalttaten, die
Bangladesch im vergangenen Herbst erschütterten. Die Opfer waren
überwiegend Hindus, die Täter Muslime.
Andere Stimmen weisen
darauf hin, dass der Islam - wie die anderen Religionen auch - ein
vielschichtiges Gebilde ist. In der Geschichte des Islams gab es
tolerante und intolerante, gewaltfreie und gewalttätige Strömungen. Und
was die Demokratie betrifft, so kann darauf verwiesen werden, dass es in
dem überwiegend muslimischen Staat Bangladesch nun schon den zweiten
regulären demokratischen Regierungswechsel innerhalb von sechs Jahren
gab.
Im vorliegenden Heft bemühen wir uns, die Vielfältigkeit
des bengalischen Islams aufzuzeigen. Wir untersuchen, was die
islamischen "Fundamentalisten" wollen, wer die "fundamentalistischen"
Organisationen unterstützt und welche Auswirkungen die
Regierungsbeteiligung der Jamaat-e-Islami hat. Wir informieren über den
populären Politiker Maulana Bhashani, der für einen toleranten Islam
eintrat, und über die Sufis, deren Islam-Verständnis sich stark von
demjenigen der "Fundamentalisten" unterscheidet. NGOs, insbesondere
Frauenorganisationen, geraten in der gegenwärtigen Situation
Bangladeschs unter Druck. Die Frage geht auch an uns, was wir tun zur
Verbesserung der Menschenrechtssituation in der zahlenmäßig größten
islamischen Demokratie.
Christian Weiß