Halbierung der Armut bis 2015

Aufregung unter den Frauen in Bhola-Sadar im Süden Bangladeschs: Sie
beschweren sich über die schlechte Gesundheitsversorgung in ihrem Dorf.
Einmal pro Woche, so sagen sie, sollte ein Arzt die hiesige
Krankenstation aufsuchen und die Armen behandeln. Meistens kommt der
Arzt gar nicht. Wenn er kommt, setzt er lediglich seine Unterschrift
unter ein Stück Papier, um zu beweisen, dass er seine Aufgabe erfüllt
hat. Dann verschwindet er wieder. Behandlungen finden nicht statt. Seine
Zeit ist zu wertvoll, um sie mit Armen zu verbringen. In der Stadt gibt
es zahlungskräftigere Patienten. Der Bürgermeister der Gemeinde ist
ebenfalls in der Dorfversammlung zugegen. Ungeheuerlich sei das, was er
da zu Gehör bekäme. Er wisse gar nicht, dass der Arzt aus der Stadt
seine Pflichten vernachlässige. Wirklich? Es ist unwahrscheinlich, dass
ihm diese Vorgänge entgangen sind. Doch er muss sein Gesicht wahren. Er
verspricht, dass er sich umgehend kümmern werde...
Gleich, ob
es um Zugang zu Gesundheit, Bildung oder zu Lebensmittelkarten geht: Aus
jedem der 87.000 Dörfer Bangladeschs können Ihnen die Menschen jeden
Tag solche Vorfälle berichten.
Im Jahr 2000 haben die Vereinten
Nationen die Millenniums-Entwicklungsziele verabschiedet: Bangladesch
war mit dabei und hat sich dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2015 die
Armut spürbar zu reduzieren. Wo steht Bangladesch heute, fünf Jahre nach
dem Treffen der Regierungs-Chefs? Welche Erfolge sind sichtbar? Kann
Bangladesch die Millenniums-Entwicklungsziele bis 2015 erreichen? Diesen
Fragen geht die vorliegende NETZ-Ausgabe nach. Dabei konzentrieren wir
uns auf die Millenniums-Entwicklungsziele 1 bis 5. Sie sind für
Bangladesch besonders bedeutsam. Wir untersuchen dies beispielhaft
anhand des Distrikts Bhola, der im Golf von Bengalen liegt, und des
Distrikts Netrakona im zentralen Norden des Landes. Denn vor Ort, bei
den betroffenen Menschen, wird am stärksten offensichtlich, welche
Probleme zur Erreichung der Ziele aus dem Weg geräumt werden müssen.
Vor allem muss der politische Wille vorhanden sein, die Armut zu
reduzieren. Dazu bedarf es einer Politik, die die Rechte der Armen
schützt. Sie dürfen nicht Opfer von Strukturen werden, die sie immer
weiter an den Rand der Gesellschaft drängen. Nur so können die
Millenniums-Entwicklungsziele erreicht werden.
Auch die
deutsche Bundesregierung steht in der Verantwortung. Aufbauend auf den
Millenniums-Entwicklungszielen hat sie das Aktionsprogramm 2015 ins
Leben gerufen. Das Aktionsprogramm betont unter anderem die Erhöhung der
Teilhabe der Armen am wirtschaftlichen Wachstum als Ansatzpunkt zur
Halbierung extremer Armut. Aus dieser Richtung müsste mehr kommen.
Armutsbekämpfung ist eine internationale Gemeinschaftsaufgabe.
Möglichst viele Menschen in Bangladesch und in Deutschland müssen sich
bewusst werden, dass die Millenniums-Entwicklungsziele eine einmalige
Chance bieten, Armut spürbar zu reduzieren. Diese Möglichkeit darf nicht
verpuffen. Um die 2015-Ziele zu erreichen, bleiben noch zehn Jahre.
Jetzt aber los!
Mit freundlichen Grüßen Dirk Saam