Gleichberechtigung / Friedensnobelpreis
Es ist später Nachmittag in Jessore. Die Sonne senkt sich über der
Distrikt-Stadt und taucht alles in ein gelb-orangenes Licht. Einige
Rikschas fahren vorbei und klingeln laut. Der Mann mit Megafon kündigt
das Abendprogramm des Kinos an. Wenige Autos sind unterwegs.
„Fillllliiiiisssss“ tönt es von der anderen Straßenseite. „Hey
Filliiisss“. Ich hebe nur die Hand und grinse rüber zu Manik, der am
Tee-Stand hantiert, und trotz seiner gerade mal zehn Jahre schon wie
eine Art König in diesem Straßenabschnitt auftritt. Aber heute zieht es
mich nicht zu Manik’s Tee-Bude, sondern zu der von Zafik Hossein, gleich
neben dem Gästehaus in dem ich wohne, wenn ich mich in Jessore
aufhalte.
Zafik sieht mich schon von weitem. „Geht’s jetzt
los?“ fragt er. Ich nicke, und während der Teeverkäufer mir einen süßen
Tee mit Milch zubereitet, krame ich meine Fragen für das Interview
hervor: Die Rolle der Frau in der bangladeschischen Gesellschaft und
Familie. Ein ungewöhnliches Gesprächsthema für Männer? Vielleicht sogar
etwas zu heikel? Reagieren sie empört, wenn ich als Europäer mich
kritisch mit ihren gesellschaftlichen Normen und Werten
auseinandersetze? Ich weiß es nicht. Aber irgendwie hoffe ich, dass ich
nicht allzu viel Aufmerksamkeit errege. Doch bereits während ich die
erste Frage stelle, sammeln sich mehrere Leute an, um zu sehen, was hier
passiert. Sie reden untereinander über mich und manchmal auch mit
meinem Interview-Partner. Ich bin etwas angespannt. Zafik lässt sich
überhaupt nicht stören. Er bereitet mehrere Tees für das neue Publikum
zu und beantwortet meine Frage mit einem leichten Schmunzeln.
„Wer trifft die Entscheidungen in ihrer Familie?“ will ich von Zafik
wissen. Kommentare von meiner linken und rechten Seite! Zunächst fühlte
ich mich gestört, aber dann bin ich erstaunt. Die Leute diskutieren mit –
sachlich, und sind wohl auch ein bisschen amüsiert, dass ich solche
Fragen stelle. Da stehen die zwei Tagelöhner in ihren traditionellen
Lungis und widersprechen heftig zwei Angestellten der
Kleinkreditabteilung einer NGO. Zafik ist clever und sucht sich den
Mittelweg.
Die Rolle der Frau in der Familien und der
Gesellschaft Bangladeschs: Hier am Tee-Stand ist man sich darüber nicht
einig. Auch während weiterer Gespräche mit Männern aus verschiedensten
gesellschaftlichen Gruppierungen fällt mir auf, dass man(n) gespalten
über die aktuelle Entwicklung ist. Doch etwas wird mir immer klarer:
Alle nehmen wahr, dass sich die Rolle der Frau in der bangladeschischen
Gesellschaft wandelt.
Die Meinungen der Männer können Sie als
Ausklang unseres heutigen Themenschwerpunkts lesen. Zuvor kommen in
dieser NETZ-Ausgabe über Gleichberechtigung Frauen zu Wort, die über
Veränderungen während der letzen Jahre berichten und über die aktuelle
Situation in Bangladesch.
Es grüßt Sie
Felix Gossrau