Frauen stärken
Vieles nimmt man aus Bangladesch mit zurück nach Deutschland – Fotos,
Souvenirs, Erinnerungen an Begegnungen mit den Menschen, die uns in
ihren Familien willkommen heißen, uns an ihrem Leben und an ihren
Erfahrungen teilhaben lassen. Eben durch diese Begegnungen habe ich das
mir noch immer fremde Land etwas verstehen gelernt, nicht zuletzt, indem
ich meine eigene Kultur kritisch betrachte.
In einem Kleinbus
auf dem Weg nach Dhaka sitze ich neben einer jungen Frau, ich schätze
sie in meinem Alter, Ende Zwanzig. In den vergangenen Tagen hat sie drei
Hebammen aus Europa in einem Gesundheitsprojekt begleitet, hat ihnen
die Gespräche mit Frauen im Dorf übersetzt und bittet mich nun mit
schüchternem Lächeln, ihr vermeintlich schlechtes Englisch zu
entschuldigen. Im Laufe des Gespräches erzählt sie mir von ihren Eltern,
der Vater ein Beamter im mittleren Dienst, und dem Studium in Dhaka,
Wirtschaftswissenschaft und Ethnologie. Sie meint, der Vater würde ihr
nun noch zwei, höchstens drei Monate einräumen, dann würde er sie
verheiraten, ein möglicher Kandidat habe schon das Haus besucht. Sie
kennt ihn nicht weiter, aber arrangieren könne sie sich mit jedem, denn
die Entscheidung werde sie respektieren und eine gute Ehefrau und Mutter
sein. Aber weshalb habe sie denn dann studiert, frage ich, wenn sie
sich augenscheinlich mit der traditionellen Rolle zufrieden gebe? „Ich
habe es nur für mich getan, mein Vater hat mir diese wertvollen Jahre
geschenkt, in denen ich gelernt habe auf eigenen Beinen zu stehen und
die Dinge zu hinterfragen. Vielleicht werde ich später einen Job haben,
aber jetzt ist es an der Zeit, meinem Vater Dankbarkeit zu zeigen.“
Frauen wie sie – stolz, ein wenig schüchtern, wissbegierig, manche von
ihnen noch auf der Suche nach ihrer eigenen Identität, manche bereits am
Ziel – haben mich in Bangladesch wieder und wieder tief beeindruckt.
Mütter und Ehefrauen engagieren sich im Gemeinderat oder in
Menschenrechts-Komitees: Frauen, die für ihre Rechte eintreten und sich
für die Rechte anderer stark machen. Um diese Kraft im Kleinen, wie der
Familie, und im Großen, der Politik, effektiv zu nutzen, bedarf es
entsprechender Fertigkeiten, Wissen und Organisationsstrukturen – wir
können diese Frauen dabei unterstützen. Im Fachjargon heißt das
„Empowerment“, Stärkung der Frauen.
In dieser und der folgenden
Ausgabe von NETZ werden Sie erfahren, wie jene starken Frauen lernen,
ihre Potenziale in einer noch immer patriarchalischen Gesellschaft
selbstverantwortlich zu nutzen.
Es grüßt Sie
Kathrin Böhme