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Zwei Jahre nach Rana Plaza

Am 23. April 2015 hat sich der Einsturz des Rana-Plaza-Gebäudes zum zweiten Mal gejährt. 2013 waren an dem Tag nach offiziellen Angaben 1.134 Menschen ums Leben gekommen, über 2.400 Menschen wurden verletzt. In dem Gebäude in Sarvar, in dem fünf Textilfabriken angesiedelt waren, wurde Kleidung für nordamerikanische und europäische Markenfirmen und Vertriebe hergestellt. Schlagzeilen weltweit haben in den vergangenen Wochen das Bild suggeriert, dass viele Anstrengungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die vornehmlich weiblichen Näherinnen in Bangladeschs Textilfabriken seither ins Leere gelaufen sind.Und in der Tat hätte in zwei Jahren mehr passieren müssen. Doch durch Inspektionen in rund 2.000 Fabriken wurde der Gebäude- und Brandschutz verbessert und somit die Sicherheit am Arbeitsplatz.

Allerdings gibt es in Bangladesch etwa 4.500 Fabriken. Viele von den nicht inspizierten Fabriken agieren als Unterauftragnehmer von Fabriken, die für den Weltmarkt produzieren und tauchen häufig gar nicht offiziell auf. Hier sind die Arbeitsbedingungen am schlechtesten. Wie hier systematisch Inspektionen durchgeführt werden können, ist ungewiss. Und nur in Etappen und nach viel Überzeugungsarbeit haben sich deutsche und internationale Einkäufer auf Entschädigungszahlungen für die Opfer und Hinterbliebenen des Einsturzes eingelassen – aber längst nicht alle und auch nicht in erhofftem Ausmaß.

Von den 27 Millionen Euro, die benötigt werden, fehlen nach wie vor rund 5,4 Millionen. Einige deutsche Unternehmen wie NKD und Adler haben bisher noch keinerlei Zahlungen in den Entschädigungsfonds eingezahlt. KiK und andere bleiben deutlich hinter den Erwartungen zurück. In Bangladesch wurden zudem eine neue Arbeitsgesetzgebung und höhere Löhne eingeführt. Letztere werden aber teilweise nicht bezahlt oder Näherinnen werden zum Teil in niedrigere Gehaltstufen eingestuft und erhalten weniger als zuvor. Zudem bleibt es trotz gesetzlichen Veränderungen schwierig, sich gewerkschaftlich zu organisieren; es müssen noch immer 30 Prozent der Näherinnen in einer Fabrik zur Bildung einer Gewerkschaft zustimmen. In Fabriken, so sagen Arbeitsrechtlerinnen, in denen bis zu 40.000 Näherinnen arbeiten, sei es völlig unmöglich, so viele Näherinnen zu versammeln, damit diese der Gründung einer Gewerkschaft zustimmen. Die Forderung der Gewerkschaften, diese Zahl auf 10 Prozent zu reduzieren, blieb ungehört. Einschüchterungsmaßnahmen seitens des Fabrikmanagements gegenüber Näherinnen, einer Gewerkschaftsgründung nicht zuzustimmen, bleiben verbreitet.

Die Sicherheit in den Fabriken habe sich durch weit reichende Inspektionen verbessert, sagen Betroffene in Bangladesch zusammenfassend, ihre Lebensbedingungen seien aber unverändert schlecht. Arbeitsrechte könnten sie nach wie vor kaum wahrnehmen. Auf deutscher und europäischer Ebene gibt es Bewegung: Das von der Bundesregierung 2014 ins Leben gerufene „Bündnis für nachhaltige Textilien" hat an Fahrt gewonnen. Die Multi-Stakeholder Initiative, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Standardorganisationen und Gewerkschaften, soll Maßnahmen erarbeiten, um die Arbeits- und Lebensbedingungen entlang der Textil-Lieferkette zu verbessern.

Nach anfänglichem Zögern haben die Unternehmensverbände der Textilwirtschaft (Gesamtverband Textil+Mode, Germanfashion, AVE und HDE) am 21. April 2015 verkündet, dass sie ihren Mitgliedern einen Beitritt zum Textilbündnis empfehlen. Auch das EU-Parlament verlangt im Rahmen eines Entschließungsantrages vom 27. April 2015 von der EU-Kommission erstmals rechtsverbindliche Vorschläge, damit Unternehmen verpflichtet werden, innerhalb ihrer gesamten Lieferkette soziale Standards sowie Arbeits- und Umweltnormen einzuhalten.

Autor: Dirk Saam

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