Startseite
Jetzt spenden

Zeitungsverleger unter Druck

Daily_Star.jpg

Mahfuz Anam, Chefherausgeber der größten englischsprachigen Tageszeitung in Bangladesch „The Daily Star“, steht unter massivem Druck. In 12 Fällen wurde Anklage wegen Aufruhr und Aufwiegelung eingereicht, in 43 Fällen wegen Verleumdung. Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen sowie Journalistenverbände im In- und Ausland interpretieren das Vorgehen gegen Anam als weiteren Schritt, die Pressefreiheit in Bangladesch einzuschränken und fordern die sofortige Aufhebung aller Klagen.

Mahfuz Anam hatte am 4. Februar 2016 in einem Fernsehinterview kundgetan, seiner journalistischen Sorgfaltspflicht nicht angemessen nachgekommen zu sein, als er im Jahr 2007 Artikel veröffentlichte, ohne die Authentizität der Quellen zu verifizieren. Der Daily Star – wie auch viele anderen Medien – hatten damals Artikel veröffentlicht, die die heutige Premierministerin Sheikh Hasina und die Führerin der Bangladesh Nationalist Party, Khaleda Zia, mit Korruptionsfällen in Verbindung brachten. Als Quelle diente der Militärgeheimdienst. Der Wahrheitsgehalt dieser Beschuldigungen konnte nicht verifiziert werden. Mahfuz Anam bezeichnete im Rahmen des Fernsehinterviews sein Vorgehen 2007 als größten Fehler seiner journalistischen Laufbahn.

Die Veröffentlichungen fielen in eine Zeit, in der eine militärgestützte Interimsregierung unter einer Notstandsgesetzgebung die Amtsgeschäfte in Bangladesch führte und im Rahmen einer Anti-Korruptionskampagne gegen führende Politiker und Wirtschaftsvertreter vorging. Erst wenn das Land von Korruption befreit sei, so das Credo der damaligen Interimsregierung, könne man wieder Wahlen abhalten und zur Demokratie zurückkehren.

Mahfuz Anam wird nun vorgeworfen, mit seinen damaligen Veröffentlichungen zur Verhaftung von Sheikh Hasina beigetragen und so die Politik der Interimsregierung unterstützt zu haben, die vorsah Sheikh Hasina und Khaleda Zia von politischen Aktivitäten in Bangladesch auszuschließen. Anam habe somit, so die Vorwürfe, willentlich eine nicht demokratisch legitimierte Regierung unterstützt und eine frühere Rückkehr zu Wahlen und zur Demokratie verhindert.

Infolge der Anschuldigungen gegenüber Mahfuz Anam verweisen politische Beobachter und Menschenrechtsverteidiger darauf, dass es wichtig sei, als Journalist die Authentizität von Quellen zu verifizieren. Inakzeptabel und völlig unverhältnismäßig sei allerdings das Vorgehen gegen Anam. Dass durch seine Artikel aus dem Jahr 2007 eine Grundlage geschaffen wurde, Hasina verhaften zu können, dass in den Artikeln der Einfluss des Militärs auf das politische Tagesgeschäft gutgeheißen und unterstützt wurde und sich die Zeitung gegen eine Rückkehr zur Demokratie aussprach, sei schlicht falsch. Vielmehr würde das Eingeständnis Anams nun für politische Zwecke ausgeschlachtet. Ein Muster sei erkennbar, wie die Pressefreiheit des Daily Star und dessen „Schwesternzeitung“ Prothom Alo (die größte bengalischsprachige Tageszeitung in Bangladesch) sukzessive eingeschränkt würde. So waren die beiden Zeitungen bereits in den vergangenen Jahren nach Veröffentlichungen, die der Regierung nicht genehm waren, wiederholt öffentlichen Diskreditierungs- und Boykottkampagnen durch führende Politiker ausgesetzt und mit Beschuldigungen konfrontiert.

Das Vorgehen gegen unabhängige Medien, so politische Beobachter, habe im August 2015 einen neuen traurigen Höhepunkt erreicht, als Medienberichten zufolge der Militärgeheimdienst führenden Unternehmen die Anweisung erteilte, keine Werbeanzeigen mehr im Daily Star und in Prothom Alo zu schalten. In den vergangenen fünf Monaten sind daraufhin die Werbeeinnahmen der beiden Zeitungen um jeweils rund ein Drittel eingebrochen. Ein Unternehmen bestätigte die Existenz dieser Anweisung für die es, so Rechtsexperten, keine rechtliche Grundlage gebe. Die für den Militärgeheimdienst zuständigen staatlichen Behörden gaben an, von solch einer Anweisung nichts zu wissen.
Menschenrechtsverteidiger äußern mit Besorgnis, dass mit solchen Vorgehensweisen versucht wird, unabhängige Medien „auf Kurs“ zu bringen. So würde eine Drohkulisse aufgebaut, um zu zeigen, dass es Mittel und Wege gibt, gegen Medien vorzugehen, sollten diese eine rote Linie überschreiten. Da aber niemand wirklich wisse, wo sich diese Linie befindet, sei Selbstzensur weit verbreitet. Erkennbar sei dies auch anhand der zurückhaltenden Berichterstattung über die jüngsten Kommunalwahlen im Dezember 2015 im Vergleich zu einer deutlich kritischeren Berichterstattung nach den Stadt- und Gemeindewahlen vom April 2015.

Führende Journalisten, Aktivisten und wichtige Persönlichkeiten in Bangladesch haben sich für eine Aufhebung der Anklagen gegen Mahfuz Anam ausgesprochen und die schrille Rhetorik führender Politiker ihm gegenüber scharf verurteilt. Zudem, so die Einschätzung von Rechtsexperten, erfülle das Vorgehen Anams aus dem Jahr 2007 keinen Straftatbestand. Daher, so Beobachter, zeige das Vorgehen gegen Anam, dass es vornehmlich Ziel sei, eine Drohkulisse aufzubauen, die auf Andersdenkende abschreckende Wirkung haben soll.

Mehr BeiträgeAlle Beiträge

Ihre Spende kommt an.

Alle Projekte ansehen
Jetzt spenden

Sichere SSL-Verbindung