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Hinrichtung von Abdul Quader Mollah

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Auch ein Einspruch beim Supreme Court in letzter Minute konnte die Vollstreckung des Todesurteils gegen Abdul Quader Mollah nicht verhindern. Am 12. Dezember 2013 wurde der stellvertretende Generalsekretär der islamistischen Jamaat-e-Islami im Zentralgefängnis von Dhaka gehängt. Er wurde für schuldig befunden im Unabhängigkeitskrieg 1971 aktiv an Verbrechen gegen die Menschheit beteiligt gewesen zu sein, unter anderem an Mord und Vergewaltigungen. Seine Hinrichtung ist die erste Vollstreckung eines Todesurteils im Rahmen der aktuellen Aufarbeitung von Verbrechen im Unabhängigkeitskrieg von 1971, die formal mit der Einsetzung des Kriegsverbrechertribunals im März 2010 begann. Gegen sechs weitere Personen wurde ebenfalls die Todesstrafe verhängt. Abdul Quader Mollah war am 5. Februar 2013 vom Kriegsverbrechertribunal zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Infolge massiver öffentlicher Proteste und eines Einspruchs der Regierung gegen das Urteil wurde der Fall vor dem Supreme Court erneut aufgearbeitet. Die höchsten Richter des Landes verhängten am 17. September das Todesurteil. Die Reaktionen auf die Hinrichtung sind sehr unterschiedlich. Regierungsvertreter Bangladeschs sprachen von einem historischen Moment, der nach vier Jahrzehnten den Opfern des Unabhängigkeitskrieges endlich Gerechtigkeit bringen würde. Informationen des Daily Star zufolge erklärten Funktionäre der Jamaat-e-Islami, dass sie die Vollstreckung des Todesurteils als "Kriegserklärung" der Regierung betrachten und sie bereit seien diesen Kampf aufzunehmen. Allein am Wochenende nach der Hinrichtung starben landesweit 13 Menschen bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Jamaat-Anhängern und den Sicherheitskräften. Weitere Tote waren in den Folgetagen zu beklagen. Hunderte Häuser und Geschäfte von Hindus wurden zerstört, viele Familien flüchten aus ihren Dörfern aus Angst vor weiteren Angriffen.

Internationale Reaktionen

Die internationale Staatengemeinschaft, darunter die EU und internationale Menschenrechtsorganisationen, hatten bereits im Vorfeld der Hinrichtung Mollahs die Aussetzung der Todesstrafe als ersten Schritt zu deren Abschaffung gefordert. Zudem wurde Kritik geäußert an einzelnen Aspekten im Verfahren gegen den Jamaat-Politiker.

Auf Antrag der Jamaat-e-Islami Pakistan verabschiedete das Parlament in Islamabad am 16. Dezember eine Resolution, in der die Nationalversammlung Bedenken gegen das Verfahren gegen Abdul Quader Mollah äußert, der für seine „Loyalität zu Pakistan“ bestraft worden sei. Angaben der pakistanischen Tageszeitung Dawn zufolge bezeichnete der pakistanische Innenminister Nisar Ali Khan die Hinrichtung als „juristischen Mord“. Die Stellungnahme aus Pakistan, von dem sich Bangladesch 1971 seine Unabhängigkeit erlangt hatte, stieß in Bangladesch auf scharfe Kritik. Führende Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft sprechen von einer Einmischung in innere Angelegenheiten des Landes. „Mit der Verabschiedung der Resolution im Parlament hat Pakistan bewiesen, dass das Land niemals den Sieg Bangladeschs im Unabhängigkeitskrieg 1971 akzeptiert hat und immer noch Alliierte in Bangladesch hat,“ zitiert der Daily Star Premierministerin Sheikh Hasina. Mehrere Regierungsvertreter sprechen sich inzwischen für einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Pakistan aus. Am 18. Dezember 2013 marschierten hunderte junger Menschen und Veteranen aus dem Unabhängigkeitskrieg von der Shahbag-Kreuzung, dem Versammlungsort der Protestbewegung vom Frühjahr 2013, vor die pakistanische Botschaft und forderten die Ausweisung des pakistanischen Botschaftspersonals.

Gerechtigkeit und das Recht auf Leben

Im Juni 2010 schrieb der inzwischen verstorbene Jalal Alamgir, damals Professor der Politikwissenschaft an der Universität von Massachusetts in Boston und Mitglied

der Südasien-Initiative an der Harvard Universität, folgende Worte zum Aufarbeitungsprozess in der bangladeschischen Gesellschaft zum Unabhängigkeitskrieg: „Wir sollten uns bewusst machen, dass Gerechtigkeit aufgrund jahrzehntelanger komplexer, geheimer und interessengesteuerter politischer Vereinbarungen nur bedingt gesprochen werden wird – obwohl diese notwendig und dringlich ist. Um der Wahrheit die höchste Priorität zu geben, sollten wir der Forderung nach der Todesstrafe wenig Aufmerksamkeit widmen. Dies war schon ein Fehler bei den Kriegsverbrecherprozessen in Nürnberg: Damals wurden Verbrechen gegen die Menschheit durch die Anwendung unmenschlicher Methoden, nämlich durch das Erhängen der für schuldig befundenen Angeklagten, bestraft. Der große Erfolg von Nürnberg liegt jedoch nicht in den Urteilen selbst, sondern in der Konfrontation der Täter im Gerichtssaal mit den Verbrechen, an denen sie beteiligt waren. Erstmals in unserer Geschichte haben wir ein offiziell eingerichtetes Forum, um die Berichte der Augenzeugen von 1971 anzuhören, ohne dass diese dabei Angst vor Vergeltung haben müssen. Die Regierung muss bestrebt sein, dafür die weltweite Aufmerksamkeit zu bekommen.“

Autorin: Insa Bloem

Den gesamten Beitrag von Jalal Alamgir sowie weitere Informationen zum Unabhängigkeitskrieg und dem Kriegsverbrechertribunal finden Sie in der Ausgabe 1-2011 der Bangladesch-Zeitschrift NETZ „40 Jahre Unabhängigkeit Bangladeschs – Erinnerung und Gegenwart“. Die Zeitschrift können Sie in unserer Mediathek bestellen.

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