Bangladesch vor der Wahl
Die Wahlkommission Bangladeschs hat am 25. November 2013 angekündigt, die 10. Parlamentswahlen am 5. Januar 2014 durchführen zu wollen. Bis zum 2. Dezember konnten die Parteien ihre Kandidaten nominieren. Die größte Oppositionspartei, die Bangladesh Nationalist Party (BNP), ließ die Frist verstreichen und hat als Protest gegen die Verkündung des Wahltermins und des weiteren Wahlprozesses mehrfach mehrtägige Straßenblockaden durchgeführt. Dabei wurden auch Eisenbahnschienen zerstört, um die Zugverbindungen zwischen den größten Städten zu unterbrechen. Verkehrswege von den Distrikthauptstädten nach Dhaka waren und sind immer noch schwer passierbar. Angaben der Tageszeitung Daily Star zufolge starben bis Mitte Dezember im Zuge der Blockaden und den damit einhergehenden Ausschreitungen 100 Menschen. Unter anderem wurde am 28. November in Dhaka ein öffentlicher Bus angezündet. Der Brand forderte mehrere Todesopfer, 18 Menschen trugen schwere Verbrennungen davon. Gegenwärtig kommt es fast täglich zu Ausschreitungen, die Todesopfer fordern.
WahlboykottDie Opposition boykottiert die Wahlen, weil nach ihrer Lesart kein System existiert, das die Durchführung fairer und freier Wahlen gewährleistet. So habe die Regierung unter Führung der Awami League, so ist aus Oppositionskreisen zu hören, weiterhin alle Fäden in der Hand und könne daher massiven Einfluss auf die Polizei, das Justizwesen und die Wahlkommission ausüben. Die Opposition machte ihre Teilnahme an den Wahlen bisher davon abhängig, ob die Regierung zur Vorbereitung und Durchführung der Wahlen eine parteineutrale Übergangsregierung einsetzt. Nun fordert sie einen sofortigen Abbruch jeglicher Wahlvorbereitungen. Grund: Augrund des Boykotts zahlreicher Parteien ist in über 50 Prozent aller Wahlbezirke – in 154 von 300 – nur ein Kandidat nominiert. Dieser gewänne diesen Wahlkreis kampflos, eine Stimmabgabe würde so erst gar nicht durchgeführt werden. Allein 127 Sitze würde so die größte Regierungspartei, die Awami League, gewinnen. Die Opposition argumentiert, dass den Bürgern so ihr Wahlrecht genommen werde. Zudem fordert die BNP, führende Parteifunktionäre unverzüglich freizulassen, die in Zusammenhang mit von der Opposition ausgerufenen Generalstreiks und Blockaden im November verhaftet wurden.
Am 2. Dezember verkündete der Vorsitzende der Jatiya Party, Hossain Mohammad Ershad, dass auch seine Partei nicht an den Wahlen teilnehmen wird. Die Jatiya Party ist die drittgrößte Partei des Landes und gehört zu einer Koalition von 14 Parteien, die in der gegenwärtigen Legislaturperiode die Regierung stellt. Als erste nicht-oppositionelle Partei, die ihren Boykott kundtat, sieht sich die Partei starkem Druck der Awami League ausgesetzt, die Entscheidung zu revidieren.
Welle der GewaltSeit der Vollstreckung des ersten Todesurteils im Rahmen der Kriegsverbrechertribunale – der stellvertretende Jamaat-Generalsekretär Abdul Quader Mollah wurde am 12. Dezember hingerichtet – kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen zwischen Anhängern seiner Partei und der Regierung sowie mit den Sicherheitskräften. Innerhalb von zwei Tagen waren 13 Tote zu beklagen. Zudem brannten Medienberichte zufolge Jamaat-Anhänger landesweit hunderte Häuser und Geschäfte von Angehörigen religiöser Minderheiten und indigener Völker nieder. Zahlreiche Angehörige der Minderheiten verbrachten mehrere Nächte in den Wäldern und auf den Feldern aus Angst, in ihren Häusern angegriffen zu werden.
Als Reaktion auf die ausufernde Welle der Gewalt haben der Vorsitzende der Wahlkommission und Premierministerin Sheikh Hasina die Überlegung geäußert, im Zuge der Wahlvorbereitungen die öffentliche Ordnung verstärkt durch den Einsatz des Militärs zu sichern.
Protest gegen Gewalt und StreiksAm 2. Dezember zogen hunderte Speditionsmitarbeiter vor den Wohnsitz der Oppositionsführerin Khaleda Zia in Dhaka. Sie beklagen wirtschaftliche Einbußen durch die Straßenblockaden und dass zahlreiche Fernfahrer durch Angriffe von Oppositions-Anhängern verletzt und Lastwagen massiv beschädigt wurden. Zudem könnten mit Frischwaren beladenen LKWs nicht zu ihren Zielorten fahren. So verrotten große Mengen an Gemüse und Obst auf den Wagen. Auch die Verbände der Textilwirtschaft haben sich für friedliche Lösungen der politischen Konflikte ausgesprochen, um politische Stabilität zu gewährleisten. Des Weiteren haben am 15. Dezember in Dhaka tausende Unternehmer mit weißen Flaggen gegen die anhaltende politische Gewalt demonstriert. Der Präsident des Verbandes der Industrie- und Handelskammern in Bangladesch forderte Frieden und Stabilität, damit die Wirtschaft ihren Geschäften nachgehen könne.
Durch die Blockaden, so melden Zeitungen, würden viele Menschen wieder in extreme Armut zurückfallen, da ihre Arbeitskraft nicht mehr nachgefragt wird. So würden zum Beispiel tausende Rikscha-Fahrer keine Kunden mehr bedienen können, da diese aufgrund der Straßenblockaden ausblieben.
Internationale BemühungenDiplomatische Bemühungen, die beiden Volksparteien zu einer Einigung zu bringen um die Durchführung inklusiver Wahlen zu gewährleisten, werden weiter verstärkt – durch Gespräche und Symbolik. Der indische Außenminister und ein Repräsentant des UN-Generalsekretariats haben Anfang Dezember 2013 Bangladesch besucht, um Vertreter der Awami League und BNP an den Verhandlungstisch zu bringen. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hat sich am 2. Dezember in schriftlicher Form geäußert. In ihrem Schreiben ruft sie die Volksparteien auf, die Gewalt einzustellen und einen Kompromiss für die Durchführung der Parlamentswahl zu finden. Zudem merkte sie an, dass die EU nur dann Wahlbeobachter nach Bangladesch senden werde, wenn es die politische Situation und die Sicherheitslage erlauben würden. Einen Tag später betonte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Navanethem
Pillay, dass Bangladesch das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshof unterzeichnet habe. Ein Statut, das unter anderem die Bestrafung von Verbrechen gegen die Menschheit und Verbrechen der Aggression regelt. Unter dem Statut, so Pillay, wurden in der Vergangenheit Personen strafrechtlich verfolgt, die für politisch motivierte Gewalt verantwortlich gemacht worden waren – auch politische Führer.