Bd-Tagung

Über 60 Engagierte treffen sich zur Tagung „Bangladesch ohne Hunger“ in Wetzlar. Das Motto spiegelt sich nicht nur in Vorträgen und Diskussionen wieder, sondern auch durch den Besuch aus Bangladesch. Mit Selestina Tirky und Saima Begum sind das erste Mal zwei Frauen in Deutschland, welche die meiste Zeit ihres Lebens in Hunger gelebt haben, um aus dem Projekt „Ein Leben lang genug Reis“ zu berichten.
Am Freitagabend erhalten die Tagungs-Teilnehmenden einen Einblick in Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Bangladesch und Deutschland mit einem kleinen Rückblick auf die bisherige Deutschlandreise von Selestina und Saima sowie Shamim Ara Begum –Geschäftsführerin der NETZ-Partnerorganisation Polli Sree.
Am Samstag gibt Shahidul Islam, stellvertretender Leiter des NETZ-Teams in Bangladesch, einen detaillierteren Überblick über die politische Lage in Bangladesch. Dirk Saam, Leiter des politischen Dialogs von NETZ in Berlin, berichtet von der Arbeit des Bangladesch-Forums. Themen sind unter anderem die Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit, die Gewalt gegen Minderheiten und die Handlungsräume der Zivilgesellschaft. Farhat Jahan, Doktorantin an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg, unterscheidet in ihrem Vortrag über das Recht auf Nahrung zwischen Ernährungssicherheit, Menschenrecht auf Nahrung und Ernährungssouveränität sowie deren globale und lokale Relevanz und Umsetzung.
Nachmittags berichten Selestina und Saima von ihrem Leben in extremer Armut und von den signifikanten Veränderungen, die beide Frauen seit der Teilnahme am Programm „Ein Leben lang genug Reis“ in ihrem Leben erreicht haben.
Selestina gehört der indigenen Gruppe der Oraon an, die unter Diskriminierung leiden. Sie hat nur ein paar Jahre die Schule besuchen können, bis sie verheiratet wurde – mit gerade einmal 16 Jahren. Ihr Mann verließ sie, als sie mit dem zweiten Kind schwanger war. Sie schlug sich als Haushaltshilfe durch, konnte davon aber kaum ihre Kinder ernähren. Bedrückt erzählt sie, wie sie ihren Kindern schwarzen Tee mit Salz gab, um das Hungergefühl zu unterdrücken. Vor sechs Jahren kamen Mitarbeiter on Polli Sree in ihr Dorf, einer Partnerorganisation von NETZ, um, so Selestina, „die ärmsten Familien aus dem Dorf zu suchen“. Sie gehörte zu den Ärmsten. Und so bekam sie vom Projekt ein Startkapital im Wert von 150 Euro: eine Kuh, fünf Hühner und Samen für den Gemüseanbau. Außerdem, so erzählt sie, erhielt sie Schulungen in Tierhaltung und Gemüseanbau. Inzwischen kann sie sich und ihre Kinder selbst versorgen. Einen Teil der Eier und der Milch bringt sie auf den Markt, um zum Beispiel Kleidung zu kaufen. „Mein großer Traum ist, dass meine Kinder eine gute Bildung erhalten“, sagt sie. Ihr Sohn geht nun in die achte Klasse, ihre Tochter in die dreizehnte.
Ein ähnliches Startkapital bekam auch Saima. Auch sie konnte sich dadurch aus der extremen Form der Armut befreien, berichtet sie. Schon als Kind musste sie arbeiten, um die Familie zu unterstützen. Heute ist sie die Vorsitzende einer Selbsthilfeorganisation, zu der sich 280 Frauen zusammengeschlossen haben. Dabei sei man auch untereinander solidarisch, berichtet Saima. Die Frauen wurden auch über ihre Rechte aufgeklärt. Seitdem sie an den Schulungen teilgenommen haben, bestehen die Frauen darauf, dass die Menschen in den Dörfern auch tatsächlich jene staatlichen Dienstleistungen erhalten, die ihnen zustehen.
Eine Gruppenarbeit aller Teilnehmenden unter dem Motto „Was geht mich das an – Global denken, lokal handeln. Wie geht Engagement in Deutschland“ schließt die Bangladesch-Tagung ab.