Zirkus in Bangladesch
Gemütlich fahre ich mit einem meiner Kollegen auf dem Motorrad, als mir plötzlich mitten auf der Straße die kolossale Gestalt eines Elefanten entgegen kommt. Kraftvoll setzt er einen Fuß vor den anderen und achtet nicht auf die Menschen um ihn herum, die ihn alle völlig fassungslos anstarren. Erst als ich schon an ihm vorbei bin, sehe ich, dass auf seinem Rücken ein buntbemalter, leichbekleideter Mann thront, der das Tier lenkt. Ein Stück weiter des Weges entlang verstehe ich dann den Grund für das Auftauchen des Elefanten. Auf einem großen, sonst freien Platz steht ein buntglänzendes Zirkuszelt. Dutzende Mensche schwirren um das Zelt herum, verpassen ihm den nötigen Feinschliff, hantieren mit Metallgerüsten herum oder bauen aus ein paar Holzplanken kleine Imbissbuden.
Dass es in Bangladesch Zirkusse gibt, daran hab ich vorher noch gar nicht gedacht, umso größer ist jetzt mein Interesse einen Zirkus in Bangladesch einmal mitzuerleben. Über eine Woche liege ich meinen Kollegen in den Ohren. Wann startet der Zirkus? Um wie viel Uhr? Wie viel kostet der Eintritt? Wie viele Vorstellungen gibt es?
Dann endlich an einem Donnerstag nach der Arbeit geht es los. Zusammen mit der Frau eines Mitarbeiters von USS und seinen zwei Kindern machen wir uns auf den Weg. Doch als wir ankommen hat die Vorstellung bereits begonnen. Traurig wollen wir uns schon wieder auf den Heimweg machen, als plötzlich ein Mann direkt auf uns zu läuft. Natürlich ist ihm nicht entgangen, das hier eine bideshi, eine Ausländerin, in den Zirkus will, und als Zirkusdirektor hat er natürlich den nötigen Einfluss uns doch noch in den Zirkus reinzubringen. Doch statt uns zum regulären Eingang zu bringen, läuft er mit uns einmal ums Zelt herum und führt uns direkt zum Eingang der Manege.
Direkt am Eingang stehen ein paar Stühle von denen aus man einen grandiosen Blick auf die Bühne hat. Der Direktor bittet uns, uns zu setzen, worüber ich heilfroh bin, da ich schon Angst hatte er führt mich als seine allerneuste Attraktion direkt in die Manege. Nach einem ersten Blick durch das Zirkuszelt wird mir schnell bewusst, das Zirkus hier in Bangladesch gar nicht so anders ist wie in Deutschland. Abgesehen davon natürlich, dass es viel günstiger ist und die Sitzgelegenheiten nicht so komfortabel sind. Doch so können sich auch Ärmere Familien einen Besuch im Zirkus leisten.
In die Manege wird gerade ein großer runder, etwa zwei Meter großer Tisch getragen. Ihm folgen eine Frau und ein Mann, beide mit Rollschuhen an den Füßen. Sie steigen auf den Tisch und beginnen nun langsam und zögerlich die ersten Kreise zu drehen. Sobald sie merken, dass das gut geht werden sie schneller und nun beginnt die eigentliche Vorführung. Wie beim Eiskunstlauf, hebt der Mann die Frau nun rauf, schleudert sie herum, dreht sie, setzt sie wieder ab, nimmt erneut Schwung, und wirbelt sie erneut um sich rum. Im Zirkuszelt herrscht derweil atemlose Stille. Nur eine kleine Fehlbewegung und beide Stürzen von dem Tisch. Doch dem ist nicht so und nach ungefähr fünf konzentrierten Minuten steigen beide völlig unversehrt wieder vom Tisch herunter. Das Spektakel ist vorüber.
Nun betritt ein einzelner Mann die Manege. Auf einem Tablett stehen zehn große Gläser, randvoll mit Wasser und jeweils einem lebendigem Fisch. Der Mann macht sich nun daran in Windeseile jedes einzelne Glas, mit dem Fisch leer zu trinken, so schnell das man kaum mit dem Zählen hinterher kommt. Danach präsentiert er Stolz seine zehn, nun leeren, Gläser. Jetzt beginnt er, leicht torkelnd in Kreis der Manege herum zu spazieren und dann, auf das Zeichen eines Kollegen hin, beginnt er das getrunkene Wasser, einem Wasserspeier gleich, wieder auszuspucken. In einer wunderschönen, mindestens einen Meter hohen Fontäne ergießt sich das Wasser in die Manege, mittendrin: zehn kleine, zappelnde Fische.
Weiter geht es mit einer Seiltänzerin, allerlei verschiedener Akrobaten, einem Muskelprotz und einem Bär, der auf einem gelben Fahrrad sitzt und mit Hilfe eines Menschen durch die Manege fährt.
Zuallerletzt kommt dann das Highlight des Abends. Zwei berühmte Sänger betreten die Bühne und geben mehrere sehr schöne und bekannte Lieder zum Besten. Erst nach ein paar Minuten wir mir klar, dass meine Begleitung mich erwartungsvoll anschaut und darauf wartet das ich meine Kamera zücke und stichhaltige Fotos mache. Doch zu deren Leid hab ich meine Kamera leider zu Hause vergessen. Doch sie geben nicht so schnell nicht auf und weisen mich darauf hin, dass mein Handy eine Kamera hat. Also steh ich auf und versuche ein paar gute Bilder zu machen, was nicht so ganz gelingen will, als mir auch schon der Zirkusdirektor entgegeneilt und mich mitten auf die Bühne führt. Nun steh ich also neben den zwei, in ganz Bangladesh bekannten Sängern und versuche wie ein Paparazzo Bilder zu machen. Anfangs komme ich mir ein bisschen blöd vor, doch als ich in die strahlenden Gesichter der zwei Söhne meines Kollegen schaue wird mir klar, wie sehr sie sich freuen. Da wird mir plötzlich klar, dass ich zum ersten Mal die Möglichkeit habe, den Menschen die ich so gerne habe und die sich immer um mich kümmern, mich zu sich einladen und mir in vielen Situationen helfen, etwas zurück zu geben. Dank meiner weißen Hautfarbe, die mich bis jetzt eigentlich nur in unangenehme Situationen gebracht hat, ist das möglich. Nun kann ich diesen Menschen endlich auch mal etwas Gutes tun. Auch wenn es nur ein paar Fotos von bekannten Sängern sind.
Kurz darauf verlassen wir den Zirkus und machen uns auf den Heimweg. Das Letzte was ich vom großen Roshun-Zirkus sehe, ist eine große graue langsam trabende Gestalt, die sich in Richtung Stadt Mitte bewegt.