Wenn sie lacht
Parvin ist ihr Name. Sie mag etwa 25 Jahre alt sein, schmales Gesicht, weiche Gesichtszüge, große etwas verträumt wirkende Augen. Ihre Augenbrauen sind schmal und fein, stehen fast in einem Halbkreis hoch über ihren Augen und verleihen ihr einen Hauch von Eleganz. Die Schönheit ihres Gesichtes wird noch dadurch betont, dass sie ihr Haar unter der eng anliegenden Kopfbedeckung versteckt hat. Sie trägt einen wallenden Sari, der ihren Körper von den Füßen bis zum Kinn bedeckt. Die ganze Person scheint nur aus einem Gesicht zu bestehen.
Ein Schatten von Traurigkeit liegt jedoch auf diesem Gesicht.
Sie lacht selten. Wenn sie lacht, scheint es als schäme sie sich zu lachen, sagt ihr doch etwas tief in ihrem Inneren, dass sie keinen Grund habe, in das Gelächter der Anderen einzufallen. Wenn sie lacht, lacht sie lautlos und schaut nach unten, so dass keiner ihr Lachen hören oder sehen kann, als wolle sie vermeiden, dass die Anderen sie fragen, wie sie in ihrer Situation nur lachen könne. Wenn sie lacht, hört dieses Lachen meistens abrupt auf, so als ertappe sie sich auf frischer Tat, ein Verbrechen begangen zu haben.
Am letzten Tag eines Workshops steckt sie mir einen kleinen Zettel zu. Ich schaue sie fragend an, will gerade den Zettel entfalten, als sie mir fast zärtlich ihre Hand auf meinen Arm legt. Sie bittet mich den Brief, den sie mir geschrieben habe, später zu lesen.
Erst am Abend habe dazu die Möglichkeit. Sie schreibt:
Sir, seit mehreren Jahren habe ich mit einer Vielzahl von Krankheiten zu kämpfen. Eine chronische Ohrenentzündung verursacht die heftigsten Schmerzen. Auch meine Kinder leiden an verschiedenen Krankheiten, doch habe ich nicht das Geld, um mit ihnen zum Arzt zu gehen. Mein Ehemann verdient nur sehr wenig Geld. Irgendwie schaffen wir es mit diesem geringen Einkommen über die Runden zu kommen. Momentan leben wir in einer kleinen Hütte, nahe am Fluss. Wir haben Angst, dass wir in der kommenden Regenzeit unser Haus an den Fluss verlieren. Wir haben zwei Töchter und zwei Söhne. Zwei von ihnen gehen in die fünfte Klasse der hiesigen Grundschule. Wir haben nicht genug Geld, um unsere anderen beiden Kinder zur Schule zu schicken. Ich wende mich hiermit an Sie und bitte Sie darum, uns zu helfen, damit meine Kinder medizinische Versorgung erhalten und ihnen die Möglichkeit gegeben wird, zur Schule gehen zu können. ParvinIch sehe ihr stummes Lachen, das sich versucht von sämtlichen Fesseln zu befreien, um ausgelassen zu sein. Wenn sie lacht, ist es kein freies Lachen.
Jetzt weiß ich auch warum.