Wenn Bürgermeister prügeln
Zusammen mit meinen Kollegen der Menschenrechtsorganisation Ain-o-Salish-Kendro fahre ich wieder nach Netrakona, in den Norden des Landes. Wir treffen verschiedene Menschenrechtskomitees, die uns von ihrer Arbeit und den Problemen berichten, mit denen sie konfrontiert sind. Eine Frauengruppe erzählt aufgebracht von den neuesten Ereignissen im nahen Ort Narandia: Rohima, ein Mitglied des Gemeinderates, war vor zwei Tagen vom Bürgermeister des Ortes auf brutale Weise geschlagen worden. Im Januar war Rohima in den Gemeinderat gewählt geworden. In den Aufgabenbereich von Rohima fallen bestimmte Rechte und Pflichten für soziale Projekte. Als sie erfährt, dass der Bürgermeister ihre Unterschrift gefälscht hat, um an Gelder aus einem ihrer Projekte zu kommen, stellt sie ihn zur Rede. Der Chef der Gemeindeverwaltung gerät völlig außer sich und prügelt auf die Frau mit einem Stock ein. Er tritt sie noch mit den Füßen, als sie schon auf dem Boden liegt. Die Frauen in den Dörfern sind sehr wütend. Einige haben Rohima ins Krankenhaus gebracht. Andere gingen auf die Polizeiwache, um Anzeige gegen den Bürgermeister zu erstatten. Die Ärzte sagen, dass Rohima wegen ihren schweren Verletzungen zwanzig Tage im Krankenhaus bleiben muss. Doch die Polizei unternimmt zunächst nichts gegen den Bürgermeister. Denn er entstammt einer angesehenen Familie und gehört zudem der derzeitigen Regierungspartei Bangladeschs an. Rohima dagegen kommt aus einer armen Fischerfamilie. Sie kann weder lesen noch schreiben. Wer arm ist, hat keine Rechte in Bangladesch. Aber nicht mit uns!
Ain-o-Salish-Kendro stellt alle Informationen zusammen und unterstützt Rohima, damit ihr Fall vor Gericht kommt. Der Bürgermeister wird seine gerechte Strafe erhalten. Darauf könnt ihr euch verlassen.
Das ist Alltag in Bangladesch: die Rechte der Ärmsten werden mit Füßen getreten. Ich war mit zunächst unschlüssig, ob ich euch wegen der Brutalität überhaupt von diesem Fall berichten soll. Doch ich möchte verdeutlichen, wie schwierig und gefährlich die Arbeit sein kann, die diese Frauen machen. Es gehört sehr viel Mut, Kraft und Ausdauer dazu. Rohima und all den anderen namlosen Frauen in Bangladesch, die für ihre Rechte in ihrem Land eintreten, gehört mein ganzer Respekt.