Startseite
Jetzt spenden

So einfach kann lernen sein

Im Rahmen meines ersten Feldbesuchs Ende Oktober habe ich drei von unserer Partnerorganisation Ashrai geförderte Grundschulen im Westen Bangladeschs besucht.

Jede Schule wird von dreißig indigenen Kindern im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren besucht, die dort gemeinsam die ersten drei Grundschuljahre absolvieren. Viele der Schüler können lediglich ihre Stammessprache und so lernen sie hier neben anderen Fächern vorrangig Bengalisch, um später eine staatliche Schule besuchen zu können. Einzelne Schüler waren bereits in einer staatlichen Schule, konnten dort aber dem Unterricht aufgrund der Sprachbarriere nicht folgen.

Da ein Bericht über alle drei Schulen zu umfassend wäre, möchte ich mich im Folgenden auf meinen Besuch in der Grundschule in Delua Bari beziehen, der sich generell jedoch nicht von den Eindrücken in den anderen Schulen unterscheidet. Die Schüler dieser Schule befinden sich in der zweiten Klasse.

Nach einem ausgiebigen Bad an der Pumpe des Feldbüros, in dem ich während meines Aufenthaltes schlief, sowie einem leckeren Frühstück bestehend aus einem Omelett, Bananen, Parata, das ist ein bengalisches Brot, und Tee, mache ich mich zusammen mit meinem Kollegen auf den Weg zu meinem ersten Schulbesuch. Wir benutzen ein Motorrad, da die indigenen Dörfer meist sehr entlegen und häufig gar nicht oder nur sehr schwer mit einem Auto erreichbar sind. Zudem besitzen auch die Mitarbeiter der Partnerorganisationen kein Auto. Die Fahrt ist sehr interessant, da ich nach den ersten zwei Wochen in Dhaka wieder ausgiebig Natur zu sehen bekomme. Wir brauchen ungefähr zwanzig Minuten bis wir das Dorf und die sich darin befindende Schule erreichen.

Die Kinder bereiten mir einen herzlichen Empfang, indem mir jedes der Kinder einen selbst gebastelten Blumenkranz um den Hals legt. So sehr ich mich über diese Geste auch freue, so wird mir dadurch auch bewusst, dass die Schule auf meinen Besuch vorbereitet wurde und möglichst einen guten Eindruck auf mich machen will.

Nachdem ich mich in der bengalischen Sprache vorgestellt habe, bitte ich die Lehrerin normal mit dem Unterricht fortzufahren und mich möglichst gar nicht zu beachten. Diese Bitte war, wie ich zugeben muss, allerdings ein wenig naiv, da die Kinder, wie zu erwarten war, durch meine Anwesenheit ziemlich abgelenkt sind und nur für mich und meine Kamera Augen haben. Um dieser Situation ein wenig entgegen zu wirken, setze ich mich ans Ende des Klassenzimmers zwischen die Kinder, in eine Ecke auf den Boden. Dadurch nimmt die Aufmerksamkeit der Schüler wieder zu und ich habe den Eindruck, dass der Unterricht weitestgehend normal weiterläuft.

Das Klassenzimmer ist auch gleichzeitig der einzige Raum des Schulgebäudes. Als ich es betrete, ist mein erster Gedanke, dass die Kinder keine Tische haben, an denen sie sitzen können. Selbst die Lehrerin hat keinen Tisch. Die Kinder sitzen auf Decken auf dem Boden, der wie der Großteil des Gebäudes komplett aus Lehm besteht. Nur das Dach und die Fensterklappen sind aus Wellblech gefertigt.

Die selbstgebastelten Girlanden, die von der Decke hinabhängen sowie die vielen selbstgemalten Bilder an den Wänden, verleihen dem an sich karg eingerichteten Klassenzimmer eine bunte und freundliche Atmosphäre. Der Unterricht dauert drei Stunden, von neun Uhr morgens bis zwölf Uhr mittags.

Die verschiedenen Fächer werden der Reihe nach abgehandelt. Zuerst lernen die Kinder Dinge über ihre Umwelt, beispielsweise dass der heftige Monsunsregen sehr wichtig für die Regeneration des Bodens ist. Danach üben sie Lesen und Schreiben. Im Anschluss daran führen die Kinder indigene Tänze auf und singen traditionelle Lieder. Diese Darbietung, die zur Förderung und Bewahrung der indigenen Kultur beitragen soll, bringt zudem viel Leben und Interaktion in den Schulalltag. Denn ansonsten habe ich den Eindruck, dass hier eher Frontalunterricht abgehalten wird. Nach einer zehnminütigen Pause geht es mit Mathematikunterricht weiter, der sich vom Schwierigkeitsgrad der Aufgaben, sofern mich meine Erinnerung nicht trügt, nicht besonders von unseren Grundschulen unterscheidet. Vom Subtrahieren und Addieren mit dreistelligen Zahlen sowie vom kleinem 1x1 bis zum Dividieren mit einfach Zahlen wie 27:9 war so ziemlich alles enthalten, an das ich mich während meiner Grundschulzeit noch erinnern kann. Zum Schluss wird noch Englisch unterrichtet. Hier habe ich das einzige Mal das Gefühl, dass viele Kinder sich mit einem Fach schwer tun. Bereits beim Aufsagen und Aufschreiben des Alphabets haben einige Schwierigkeiten. Doch selbst der Lehrerin fällt es schwer, sich mit mir in Englisch zu verständigen, was für mich teilweise die Qualität des Unterrichtes erklärt.

Rückblickend möchte ich noch kurz meine Eindrücke zusammenfassen:

Insgesamt empfand ich die Kinder, die generell aus armen Familien stammen, als sehr aufgeweckt und fröhlich. Es hatte auch den Anschein, als ob ihnen der Unterricht viel Spaß macht und sie gerne zur Schule gehen. Etwas nachdenklich machten mich die vielen Kinder, die vor der Schule standen, obwohl sie ihrem Alter entsprechend in die Schule gehört hätten. Mir wurde diesbezüglich mitgeteilt, dass Ashrai keine freien Plätze mehr für sie in der Schule gehabt hat.

Aufgrund der traditionellen Rollenverteilung von Mann und Frau in Bangladesch hatte ich mit einer deutlichen Aufteilung der Jungen und Mädchen in Klassen gerechnet. Aber ganz im Gegenteil musste ich feststellen, dass Jungen und Mädchen völlig durcheinander im Klassenraum saßen. Was umso erstaunlicher ist, wenn man die Sitzordnungen von Grundschülern in Deutschland betrachtet, wo sich die Jungen möglichst immer weit entfernt von den Mädchen setzen wollen und umgekehrt genauso.

Ich habe diesen ersten Schulbesuch sehr genossen und war wirklich sehr beeindruckt von der Arbeit die Ashrai dort leistet. Die Kinder haben mir auf ihre ganz besondere Art einen herzlichen Empfang bereitet und mich ebenso herzlich in ihrer Muttersprache verabschiedet, wobei ich sie sicherlich mit Bonbons etwas mehr dazu motiviert habe.

Es war auch sehr interessant zu sehen, wie einfach diese Schulen eingerichtet sind und wie effektiv solch ein einziger Raum genutzt werden kann.

Alles in allem bin ich gespannt darauf, wie die nächsten Schulbesuche aussehen werden und schaue diesen aufgrund meiner positiven Erfahrungen in Delua Bari voller Optimismus und Vorfreude entgegen.

Mehr BeiträgeAlle Beiträge

Ihre Spende kommt an.

Alle Projekte ansehen
Jetzt spenden

Sichere SSL-Verbindung