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Saal der Gefühle

Durch einen engen Flur, in dem zwei Menschen kaum nebeneinander laufen können, gelange ich zusammen mit einem Mitarbeiter in einen großen Saal. Das Licht ist schummerig. An der Decke hängen leise vor sich hin ratternde Ventilatoren, von der Wand blickt eine traurige Uhr, die irgendwann um zwanzig Minuten nach sechs ihren Geist aufgegeben hat. Es liegt ein leicht süßlicher Geruch in der Luft – dazu kommt das Rascheln und Tuscheln, Weinen und Stöhnen der Menschen.

Der Saal ist unterteilt in vier Nischen. In jeder stehen acht klapprige Metallbetten, mit einer dünnen, durchgelegenen Matratze. Jede Familie hat ein Bett und eine dieser Familien besuche ich. Alle Schlafplätze sind besetzt, drum herum Frauen, Männer, Töchter, Söhne. Der eine sitzt auf dem Boden und isst, der nächste lehnt an der Bettkante und döst vor sich hin. Jemand streichelt den Kopf eines Mannes. Dieser Saal hat seine eigene unbeschreibliche Magie. Hier an diesem Ort legen Männer tröstend ihren Arm um die Frau, Brüder werden von Cousinen umarmt, Frauen küssen die Stirn ihres Mannes, Fremde halten Hände. Hier an diesem Ort ist das möglich. Das, was ich so sehnsüchtig vermisse, was ich in der Öffentlichkeit nur selten spür, was mir Sicherheit gibt, all das bekomme ich hier in aller Deutlichkeit zu sehen und zu spüren. Zuneigung, Liebe, Geborgenheit, Trauer. Vereint an diesem unwirklichen, magischen Ort.

Ich selbst weiß nicht genau was ich empfinde. Ich fühle mich unerwünscht, weil ich als Eindringling diese Atmosphäre zu zerstören drohe. Bestürzt, wegen den Menschen die hier liegen und darauf warten und hoffen möglichst bald nach Hause gehen zu können. Berührt, von der gegenseitige Zuneigung, dem gegenseitigen beistehen. Aufgewühlt von den vielen verschiedenen Eindrücken. Angespannt, beklemmt und hilflos – weil ich nicht weiß, was ich machen soll.

Ich stell mich an die Wand und beobachte das Geschehen. Zwei Frauen kommen mit einem Essenswagen und verteilen Reis und etwas Gemüse. Eine Katze huscht unter den Betten hindurch, sucht nach Essensresten. Menschen kommen und gehen. Man hört leises Schnarchen. Männer und Frauen ziehen sich um, in aller Öffentlichkeit. Zwei schick gekleidete, reich wirkende Männer erscheinen, laufen von Bett zu Bett, reden leise mit den Familien, klopfen beruhigend auf Schultern. Durch einen Lautsprecher werden Namen gerufen.

Was machen all diese Menschen hier, frag ich mich. Was mag ihnen wohl zugestoßen sein? Wann dürfen sie wieder nach Hause? Wie lange sind sie schon hier?

Je länger ich mich in diesem Raum befinde, umso verwirrter werde ich. Ein Teil in mir schreit danach zu gehen, dass Gesehene zu vergessen. Ein anderer Teil verlangt zu bleiben. Die Magie in mich aufsaugen. Zu sehen, wie sich die Menschen hier wortlos gegenseitig verstehen.

Nach einer halben Stunde verlasse ich diesen Ort wieder. Ich verabschiede mich, umarme ein letztes Mal die besorgte fremde Schwester und mache mich dann auf. Ich trete ins Sonnenlicht und erst dann fällt mir auf, wie bedrückt mich dass alles gemacht hat. Ein leichtes Zittern geht durch meinen Körper. Als ich auf die Rikscha steige kommt mir ein Krankenwagen entgegen.

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