Laute Nacht, heilige Nacht
Meine Weihnachtsfeiertage verbrachte ich bei den Garos, wo die Feier von Christi Geburt das wichtigste Fest des Jahres ist. Es wird fröhlich gefeiert. Das ganze Dorf isst und trinkt die Feiertage über gemeinsam. Jedes Jahr bewirtet eine andere Familie alle mit Schweinefleisch. Vor allem aber auch mit selbstgebrautem Reiswein. Von morgens bis abends sitzen die Männer und Frauen - getrennt - an ihren Bechern nippend um tönerne Amphoren, aus denen immer wieder die hellbraune Flüssigkeit geschöpft wird. So beschwingt wird der Heiligabend nicht mit gegenseitigem Beschenken verbracht - das geschieht nebenher einzeln und persönlich. Stattdessen zieht die Jugend mit Trommeln von Haus zu Haus, alle tanzen im Kreis und singen ausgelassen Weihnachtslieder. Zum Essen gibt es die traditionellen Weihnachtskuchen mit Tee - oder auch mit noch ein bisschen Wein. So feiernd verpasste ich zwar den Mitternachtsgottesdienst, aber am ersten Weihnachtsfeiertag gehe ich natürlich wie alle in die Kirche. Das einfache aber gut erhaltene Gotteshaus ist sowohl innen wie auch außen mit bunten Papiergirlanden geschmückt, die Gläubigen sitzen auf Bastmatten und singen Weihnachtslieder, begleitet von Schellen, Harmonium und Trommeln.
Abends höre ich, dass sich die Jugendlichen des Dorfes zu Musik und Tanz treffen werden. Natürlich werde ich auch gefragt, ob ich nicht mitkommen will. Alle sind herausgeputzt und freuen sich, so ein Fest findet nur zweimal im Jahr statt. Die Jugendlichen sind gut angeheitert, kann ja eine ganz lustige Party werden, denk ich mir, als wir zu dem einräumigen Schulgebäude gehen. Es wurden Tänze und Lieder vorgetragen, ich muss natürlich auch meinen Teil, genauer gesagt ein Gedicht, dazu beisteuern. Am Nachmittag des zweiten Weihnachtsfeiertags findet das Fußballmatch des Jahres statt: "verheiratet" gegen "unverheiratet". Sehr ernsthaft und professionell organisiert, mit Schiedsrichter, Linienrichtern, Abseits und Stoppuhr. Das Spiel ist dennoch chaotisch wie immer, in der Pause und bei Unterbrechungen gibt es zur Erfrischung Reiswein. Die Zuschauer verleihen dem Kuh-Acker richtige Stadionatmosphäre. Nach neunzig Minuten ist Gleichstand, so folgt ein hochdramatisches Elfmeterschießen, begleitet von Freudentänzen nach jedem Schuss. Schließlich gewinnen die jüngeren, vermutlich haben sie weniger getrunken.
Den krönenden Abschluss meiner Weihnachtsfeiertage bildet der letzte Abend. Ich bin zum Essen eingeladen, doch daraus entwickelt sich ein Fest der Volksmusik. Alle Anwesenden können irgendein Instrument spielen, Harmonium, verschiedene Trommeln, Schellen, Mundharmonika... und die Stimmen der angelockten Dorfbewohner schaffen eine unglaubliche Atmosphäre. Alle Sorgen scheinen von den sonst eher ernsten und armen Menschen abgefallen, wir vergessen die Zeit und kommen erst nach Mitternacht zu Reis und Linsen.