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Ich bin eine Waise – und du?

Schon in Deutschland hatte ich den Wunsch in Bangladesh ein Waisenhaus zu besuchen. Anfangs war nicht ganz klar, ob es in meiner unmittelbaren Nähe überhaupt ein Waisenhaus gibt, doch nach ein paar Anrufen war diese Frage geklärt und das Datum meines ersten Besuches stand fest.

Am Morgen meines Besuches wache ich mit einem grummelnden Magen auf, die Aufregung steht mir aufs Gesicht geschrieben. Ich fühle mich nervös und habe Angst davor, das mich die Kinder nicht mögen oder ich mich nicht mit ihnen verständigen kann. Dass es sich bei dem Waisenhaus um ein reines Jungen-Waisenhaus handelt macht die Sache auch nicht leichter. Vielleicht war das doch nicht so eine gute Idee, denk ich mir als ich mich auf den Weg nach Gaibandha mache.

Nach 40 Minuten Busfahrt und einer kleine Rikscha-Reise steh ich dann zum ersten Mal vor dem Tor des "cheleder etim kana", wie das Waisenhaus für Jungen heißt. Ein kleiner etwas untersetzter Mann kommt mir entgegen, der mir auf den ersten Blick sehr sympathisch erscheint. Schnell wird auch klar, dass die Verständigung mit ihm auf Englisch sehr gut funktioniert und damit fällt mir ein großer Stein vom Herzen. Bei dem Mann handelt es sich um den Direktor des Waisenhauses und zwar schon seit über 17 Jahren.

Von den Kindern ist bis jetzt noch nicht so viel zu sehen, da sie sich im Moment noch alle in der Schule befinden. Wir nutzen die Zeit, um uns gemeinsam die ganze Anlage anzuschauen und Direktor Sufian erzählt mir so einiges. Das Waisenhaus hat Platz für 100 Kinder zwischen sechs und 18 Jahren. Gebaut wurde es 1978 und benötigt nun ganz dringend eine Renovierung. Der Staat zahlt für jedes Kind und jeden Monat umgerechnet 11,50 Euro, dass sind pro Tag dann ungefähr 40 Cent, was selbst in Bangladesh viel zu wenig ist. Die Kinder schlafen zu viert oder zu fünft zusammen in einem Zimmer, wobei außer den Betten nicht viel mehr in den Zimmern zu finden ist. Gekocht wird in einer riesigen Küche mit vier großen Feuerstellen. Jeden Tag müssen drei Kinder hier helfen.

Direkt vor dem Gebäude befindet sich eine große Wiese, die ideal zum Fußball spielen geeignet ist und auf der sich jetzt auch grad die ersten Kinder versammeln. Schnell machen auch wir uns auf den Weg, da ich mein erstes Treffen mit den Kindern kaum erwarten kann.

Als ich aus dem Gebäude heraustrete bin ich bereits von Kindern umringt, anscheinend konnten die es auch nicht erwarten. Einer der Jungen fragt mich so gleich, ob ich den auch eine Waise sei. Die Antwort bleibt mir erspart, weil mich bereits fünf andere Kinder auf das Spielfeld ziehen. Gespannt schauen sie mich an und warten darauf, dass ich mich vorstelle und ihnen zeige, was wir in Deutschland für Spiele spielen. Nach ein paar Minuten hab ich ihnen die Grundregeln von Völkerball erklärt und begeistert machen wir uns daran das Spiel so gut wie möglich umzusetzen und zu spielen. Nachdem sich die anfänglichen Missverständnisse gelegt haben, nimmt das Spiel dann seinen Lauf und schnell ist die erste Runde vorbei. Aus einer Revanche werden zwei und schließlich drei. Wahrscheinlich hätten wir ewig so weiter gespielt, wenn nicht ein großer Gong alle Kinder zum Essen gerufen hätte. Da ich noch einen weiten Weg nach Hause habe, verabschiede ich mich von den Kindern. Ein "bis bald" oder "tschüss" bekomme ich jedoch nicht zu hören, alles was die Kinder wissen wollen ist: "Wann kommst du wieder?". "Bald", sage ich und mach mich auf den Weg.

Als ich an diesem Abend im Bett liege, geht mir eine Frage nicht aus dem Kopf: "Bist du auch eine Waise?" In diesem Land so fern von zu Hause, indem ich keine Eltern oder Geschwister habe, die mich einmal in den Arm nehmen wenn ich traurig bin oder es mir nicht gut geht. Ja hier fühle auch ich mich manchmal allein und verlassen. Ein Waisenkind bin ich zwar nicht, aber dennoch kann ich inzwischen etwas nachvollziehen, wie sich das Leben eines Waisenkindes anfühlen muss.

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