Hat mich Bangladesch verändert?
Eine Freundin aus Deutschland wollte in ihrer letzten Mail von mir wissen, ob ich mich verändert habe, seitdem ich in Bangladesch bin. Ich denke und fühle nicht anders als vor meinem Aufenthalt in Bangladesch, habe mich nicht verändert, denke ich im ersten Augenblick.
Dann fällt mein Blick auf den kleinen Stapel gesammelter Bustickets. Wie unterschiedlich habe ich die Fahrten zwischen Dhaka und Netrakona empfunden!
Anfang Januar nahm ich einen Bus am Mohakhali Bus Terminal in Dhaka. Eine Frau stieg mit ihrer Tochter ein, um einen Platz für sie zu suchen. Sie war hoch erfreut, als sie mich erblickte, und veranlasste sofort auf eine freundliche aber energische Art, dass ich mich umsetzte und mich neben das offensichtlich allein reisende Mädchen setzte. Ich fand ihre Freude zwar rührend, aber auch etwas befremdlich, und fragte mich, was denn so problematisch daran wäre, wenn ein Mann neben dem Mädchen sitzen würde. Wie auch immer, dachte ich, Hauptsache ich muss die vier Stunden nicht stehend verbringen.
Im Nachhinein bin ich überrascht, dass ich mich bereits Ende des selben Monats an das Konzept einer gewissen Geschlechtertrennung gewöhnt hatte. Ich war in einem vollen Bus von Netrakona nach Dhaka unterwegs. Den Sitz neben mir hatte ein Mann reserviert und keiner der Busangestellten machte Anstalten, einen anderen Platz für mich zu organisieren. Ich ärgerte mich ein bisschen darüber und kam zu dem Schluss, dass das Busunternehmen doch nicht so gut war, wie ich gedacht hatte. Es ist doch eine Frage der Höflichkeit, einer Frau einen Sitzplatz neben einer Frau anzubieten, schoss es mir durch den Kopf. Dabei wurde mein Unbehagen dadurch, dass mein Sitznachbar noch seinen kleinen Sohn zwischen uns quetschte, auch nicht verringert. Das lag zwar nicht an der Geschlechterfrage, wohl aber daran, dass die Sitze ohnehin recht eng konzipiert sind.
"Any problem with this seat?", fragte mich prompt ein Mitreisender aus der Reihe hinter mir. In diesem Land lässt sich einfach nichts verbergen! Schon gar kein Gefühl des Unbehagens!
Ich bin nach wie vor keine Anhängerin der Geschlechtertrennung, aber Verhaltensweisen, die mir unverständlich waren - wie das Umsetzen der Fahrgäste - ergeben nun für mich Sinn. Empfindungen der Menschen, mit denen ich tagtäglich zusammen bin, habe ich ein Stück weit übernommen - wenn auch nur in manchen Momenten und wohl nur für eine begrenzte Zeit, vielleicht nur für die Dauer meines Aufenthaltes. Das fasziniert mich: Was zu Beginn noch fremd, gar unverständlich war, gehört inzwischen zu meinem Alltag in Bangladesch.