Goldene Nasen und ein Fluss, so groß wie das Meer
„Deine Haut ist so schön weiß, aber wenn du ein Jahr in Bangladesch bleibst, wird sie fast so dunkel wie unsere.“ – „Deine Haare sind so schön, aber noch schöner wären sie, wenn sie so schwarz wie die unseren wären.“ – „Du brauchst unbedingt ein Nasenpiercing!“
Mit diesen und vielen weiteren Hinweisen und Tipps werde ich überhäuft, als ich mit zwei USS- Mitarbeitern auf eine der Schwemmlandinseln, auf Bengalisch „char“ genannt, im Jamuna-Fluss fahre, um dort an einem Frauentreffen für ein landwirtschaftliches Projekt teilzunehmen.
Schon der Weg vom USS-Gelände in Putimari bis zur Insel ist ein Erlebnis für sich. Zuerst zirka 5 km hinten auf dem Motorrad – ohne raus gefunden zu haben, wie man den Schal dabei am besten trägt, so dass er mir nicht ständig um die Ohren fliegt. Danach ein Stückchen durch ein Dorf am Ufer des Jamunas laufen, um schließlich mit dem Boot zur Insel überzusetzen. Doch auf dieses müssen wir erst mal eine halbe Stunde warten – Zeit für die Schüler der nahegelegenen Grundschule mich ausgiebig anzustarren. Spricht man sie dann aber an und fragt beispielsweise nach ihrem Namen – für viel mehr reicht mein Bengalisch leider noch nicht - sind sie total schüchtern und trauen sich kaum, zu antworten.
Nachdem das Boot angekommen ist, dauert es nochmal einige Zeit, bis es voll beladen ist und alle über die kleine Leiter hinein geklettert sind. Die Sonne knallt auf uns herunter und ich kann mich kaum auf die Gespräche mit den Mitarbeitern konzentrieren, so sehr fasziniert mich die Größe und Kraft des Flusses. Als ich den Jamuna auf der Fahrt von Dhaka nach Gaibandha zum ersten Mal überquert habe, hatte ich das Gefühl, ein Meer zu überqueren – weit und breit kein Land in Sicht.
Begleitet von einer Horde Kindern und den nie endenden „bideshi“- Rufen, das bengalische Wort für Ausländer, machen wir uns auf den Weg zum Treffen. Immer wieder bin ich erstaunt über die wunderschöne Landschaft, die weiten Reisfelder und das allgegenwärtige Grün – nach vier Wochen Lärm und Chaos in Dhaka ist das ein gänzlich anderer Anblick. Während wir auf die Leiterin der Frauengruppe warten, wird mir ununterbrochen frische Papaya angeboten und die Frauen amüsieren sich über die Fotos, die ich von ihnen mache. Gleich drei Einladungen auf eine Tasse Tee bekomme ich, welche wir aber aufgrund von Zeitmangel leider nicht annehmen können.
Um was es bei dem Treffen geht, verstehe ich kaum, nur einzelne Wörter wie „goru“, Bengalisch für Kuh, höre ich ab und zu raus. Später wird mir erklärt, dass zusammen mit den Frauen versucht wird, auf der Schwemmlandinsel neue Felder anzulegen und dort verschiedenes Gemüse anzubauen. USS unterstützt sie dabei mit Saatgut und dem nötigen Fachwissen.
Als wir uns verabschieden, werde ich noch einmal daran erinnert, mir auch wirklich ein Nasenpiercing stechen zu lassen – am besten eins links, eins rechts und in der Mitte noch einen Ring – so wie viele Frauen es hier auf der Insel tragen.
Auf dem Heimweg erzählt mir ein USS-Mitarbeiter, dass laut einer Geschichte, die man sich in Bangladesch erzählt, die Männer, als sie das Gold entdeckt hatten, nicht wussten, wo sie es sicher verwahren sollen. Dann kamen sie auf die „glorreiche“ Idee, es ihren Frauen zu geben, da es dort sicher verwahrt ist und beide Schätze – Frau und Gold – miteinander verbunden sind.
Auf dem Weg zur Anlegestelle werden wir wieder von zahlreichen Kindern begleitet, die sich, als wir im Boot sitzen und auf die Abfahrt warten, einen Riesenspaß daraus machen, immer wieder vom Boot aus ins Wasser zu hüpfen – was ich ihnen am liebsten nachgemacht hätte – voll bekleidet im Salwar Kameez natürlich.
Im Büro angekommen, werde ich schon von Bipul, meinem selbsterkorenen Bengalisch-Lehrer empfangen, der unbedingt Fotos von meinen Freunden und meiner Familie in Deutschland sehen will. Nach nun fast einer Woche hier in Putimari ist zwar immer noch vieles neu und ungewohnt für mich, aber es wird mir mit viel Herzlichkeit und Gastfreundschaft leicht gemacht, mich einzuleben und in das Leben hier einzutauchen.