Startseite
Jetzt spenden

Gedanken zu Dhakas Rikscha-Fahrern

Seit einer halben Woche sind wir nun in Dhaka, der Hauptstadt Bangladeschs. In der Einführungswoche machen wir einen Ausflug und werden abgeholt von einem Fahrer mit klimatisiertem Auto. Es regnet. Wir fahren durch die vollen Straßen der Stadt. Ich schaue aus dem Fenster. Ich werde einfach nicht müde, alles, was draußen vor sich geht, zu beobachten, in mich aufzunehmen. Nicht mit all meinen Sinnen, da ich ja in dem Wagen sitze, aber mit den Augen bin ich aufmerksam.

Der Regen wird immer heftiger. Es sind, wie jeden Tag, unzählige Rikscha-Fahrer unterwegs. In meinem Reiseführer steht, die Polizei schätzt die Anzahl der Rikschas auf 600.000 - allein in Dhaka.

Heute haben sich manche von den Fahrern eine Plastiktüte gegen den Regen auf den Kopf gesetzt, andere ein Handtuch. So spüren sie nicht mehr die einzelnen Tropfen auf ihren Kopf prasseln, die einen an der Kopfhaut so unangenehm kitzeln. Die meisten tragen T-Shirts und Lunghis, einen traditionellen Wickelrock für Männer. Manche von ihnen fahren auch ohne T-Shirt. Die Kleidung ist nass. Saurer Regen der Großstadt in ihren Kleidern, auf ihrer Haut. An den Füßen Flip-Flops oder gar nichts. Die Passagiere - meist sind es zwei pro Rikscha, es können aber durchaus auch mehr sein - sind mit einer Plane gegen den Regen geschützt.

Ob ein Rikscha-Fahrer bei seiner schweren "Fracht" nicht mal auf den Pedalen ausrutscht? Der Schmerz, wenn man sich ein Pedal ans Schienbein rammt. Wie oft am Tag muss er ihn wohl ertragen? Oder hat er so viel Übung, dass ihm das nicht passiert?

Auf den Straßen Dhakas herrschen eigene Regeln. Der Größte und Mutigste fährt zuerst - und am aggressivsten. Oft wird den Rikscha-Fahrern der Weg abgeschnitten. Sie sind die Langsamsten auf der Straße und die Verletzlichsten. Ungeschützt, wie sie durch die Straßen fahren, und mit ihren Klingeln versuchen, sich den Weg frei zu bahnen. Durch hupende Autos und laute Busse hindurch. Ständig muss gebremst, und dann wieder angefahren werden.

Manchmal, wenn sie in einem Schlagloch hängen bleiben oder zu stark abbremsen, müssen die Fahrer absteigen und die Rikscha wieder ein klein bisschen anschieben, bevor es weitergehen kann. Im Moment ist Ramadan in Bangladesch. Gläubige Muslime fasten. Sie dürfen erst nach Sonnenuntergang wieder essen und trinken. Wie muss das sein, mit leerem Magen solche Anstrengungen zu vollbringen? Wie ausgemergelt ihre Körper sein müssen!

Jede einzelne Rikscha ist wunderschön bemalt und geschmückt. Die meisten sind von den Fahrern nur gemietet.

Ich spreche noch nicht ihre Sprache. Kann sie noch nicht fragen, wie lange sie pro Tag durch die Straßen fahren, wie viel sie dabei verdienen. Ob sie sich Pausen gönnen. Ob sie mit ihrem Gehalt ihre Familie ausreichend ernähren können. Wie es ist, bei jedem Wetter dort sein zu müssen, auf der Straße, mit der Rikscha, weil ein Tag ohne Einkommen die eigene Existenz zerstören könnte. Ob sie Schmerzen haben am Ende eines Tages, an dem sie Hunderte von Menschen von einem Ort zum anderen transportiert haben. Und wie es ist, morgens mit den Schmerzen wieder aufzustehen und von neuem in die Pedale zu treten. Über Monate, Jahre hinweg - ein Leben lang?

Aber ich werde ihre Sprache sprechen lernen. Ich werde ihnen bald einige meiner Fragen stellen können, wenn ich mich traue zu fragen. Wenn ich mich traue, die Antworten zu hören.

Mehr BeiträgeAlle Beiträge

Ihre Spende kommt an.

Alle Projekte ansehen
Jetzt spenden

Sichere SSL-Verbindung