Es tut sich was!
Als wir bei der Frauengruppe ankommen, erwarten uns schon alle mit neugierigen Augen. Ich bin froh, dass die Neugierde heute nicht nur mir gilt. NETZ-Geschäftsführer Ingo Ritz und Manfred Krüger, 1. Vorsitzender des Vereins, sind zu Besuch bei Gana Unnayan Kendra (GUK), der Organisation bei der ich während meines Freiwilligendienstes arbeite. Sie schauen sich einige der von NETZ unterstützten Projekte genauer an, und zu meiner Freude darf ich sie dabei begleiten.
Anfangs noch etwas schüchtern, fangen die Frauen an von ihren Problemen und Fortschritten zu berichten. Nach und nach werden sie immer offener und selbstbewusster. Obwohl das halbe Dorf samt ihren Männern um die Frauenrunde herumsteht, schildern sie ihre Probleme. Ich bin sehr überrascht und erfreut dies zu sehen, da ich zuvor öfters sehr schüchterne Frauen erlebt hatte, wenn ihre Männer dabei standen. Ich sehe allein dies schon als großen Fortschritt dieses Projektes.
Mit Kleinkrediten können sich die Frauen Kühe, Hühner, Ziegen oder auch einen Gemüsegarten anschaffen. So können sie für ihre Familie ein kleines Einkommen erwirtschaften. In ihren regelmäßigen Treffen überprüfen sie zum Beispiel ihre Finanzlage: hat jede Frau genug gespart, um die Kredite zurückzuzahlen. Sie lernen, wie man richtig mit den Tieren umgeht und wie man Gemüse ertragreich anbaut. Hygiene- und Gesundheitsfragen sind weitere Punkte auf der Tagesordnung. Außerdem, was ich persönlich ganz wichtig finde, erfahren die Frauen welche Rechte sie haben und was für Gesetzte existieren. Solche Informationen erreichen die Frauen oft nicht in ihren entlegenen Dörfern. Private Probleme, wie Gewalt in der eigenen Familie, was leider nicht selten vorkommt, oder Frühehen werden hier ebenfalls angesprochen. Als Folge hält sich mancher Mann dann auch zurück, aus Angst davor, dass er sonst zum Thema in der nächsten Sitzung wird.
Die Frauen werden unabhängiger, selbstbewusster, und haben ein regelmäßiges Einkommen. Sie tragen damit einen wichtigen Teil zu ihrem Familienwohl bei und bekommen einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft. Leider klappt dies nicht in jedem Fall, aber es gibt viele Fortschritte.
Nachdem das Gespräch mit der Frauengruppe geführt wurde, werden wir im Dorf herumgeführt und bekommen ein paar Einblicke in die Häuser. Stolz präsentieren die Frauen ihr bescheidenes Hab und Gut. Schnell hat sich um mich eine Gruppe Frauen angesammelt, die wissen möchten wie eine Frau in Deutschland so lebt. Es redet hauptsächlich eine Frau mit mir und die anderen hören gespannt zu. Zu meinem Bedauern muss ich gestehen, dass ich den Namen dieser aufgeweckten Frau schon wieder vergessen habe. Es sind so viele und nie gehörte Namen, die ich mir merken muss. Ich bin jedoch ganz stolz, mit meinem bisher gelernten Bengalisch die Unterhaltung aufrecht zu erhalten.
Kaum ist das Gespräch beendet, packt mich die Frau an meiner Hand und zieht mich hinter sich her. Wo geht’s denn jetzt hin? Geschickt zwischen zwei Häusern durchgeschlängelt, stehen wir vor zwei Kühen. Die Frau schaut mich mit glänzenden Augen an und präsentiert mir stolz ihren Besitz. „Diese hier ist sogar schwanger“, berichtet sie, und erzählt mir wie sich ihr Leben durch das Projekt verändert hat. „Vorher war ich arm, aber jetzt geht es uns gut.“ Ihre Tochter grinst mich nicht weniger stolz als die Mutter an, und in mir breitet sich ein sehr wohliges Gefühl aus. Ja, es tut sich was!