Eine Familie arbeitet sich hoch: Familie Akter nimmt an NETZ-Projekten teil

Zwischen dem saftigen Grün von Palmen und Bäumen, etwa eine Dreiviertelstunde Fahrt mit dem Fahrrad vom Sabalamby-Büro in Durgapur entfernt, wohnen Shomona (8) und Hakirul (9) Akter. Sie bewohnen ein kleines Haus aus Lehm und Stroh mit ihrer Mutter, Kosuma, ihrem Vater, Shukur Ali, und ihrem großen Bruder, Azizul (15). Die Familie ist sehr arm. Sie bekommen nicht mehr als zwei Mahlzeiten am Tag zusammen und diese sind dann meistens auch nicht sehr nahrhaft. Der Weg aus dieser Armut ist hart. Es fehlt an so vielem: eine gute Anbindung an die Außenwelt, ein Startkapital, Bildung.
Aber Hakirul und seine kleine Schwester Shomona haben Glück. In ihrem Dorf, direkt hinter ihrem Haus, hat Sabalamby zusammen mit NETZ eine nichtstaatliche Grundschule gebaut. Die Geschwister sind jetzt in der 2. Klasse der East Dakhinail Dorfschule. Beiden macht das Lernen sehr viel Spaß. Shomona erzählt stolz, dass sie dieses Jahr mit dem Englischunterricht begonnen haben und sie jetzt schon einen Brief an einen Freund schreiben kann. Auch Hakirul erklärt Englisch zu seinem Lieblingsfach. Nach der Schule spielt er am liebsten Fußball mit seinen Freunden. Auf meine Frage, was seine Lieblingsmannschaft ist, antwortet er "Brasilien" - ein Kenner also.
Shomona und Hakirul durchlaufen in dem nichtstaatlichen Grundschulprogramm fünf Schuljahre in vier Zeitjahren. Das kann sehr anstrengend sein. Es gibt keine langen Ferien, nur die staatlichen Feiertage. Aber der Unterricht ist qualitativ gut, wird regelmäßig von Sabalamby-Mitarbeitern besucht und die geringe Schülerzahl, im Vergleich zu staatlichen Klassen, ist ebenfalls ein Pluspunkt.
Ihr großer Bruder Azizul hat vor drei Jahren die Schule abgebrochen und arbeitet jetzt als Rikschafahrer und Tagelöhner auf den Reisfeldern. Die Mutter der drei Kinder weiß, dass das nicht optimal ist. "Wenn meine Kinder zur Schule gehen, können sie mehr lernen und so später bessere Berufe erlangen, um leichter Geld zu verdienen", betont sie. Dennoch kann sie ihren Sohn nicht zwingen die Schule zu besuchen. Eine Schulpflicht ist zur Zeit in Bangladesch einfach nicht durchsetzbar. Dafür ist auch die Infrastruktur im Bildungssystem einfach noch nicht weit genug ausgebaut.
Kosuma Akter nimmt ebenfalls in einem von NETZ geförderten Projekt teil. Sie ist Mitglied einer Frauengruppe im NETZ-Projekt "Ein Leben lang genug Reis". In diesen Gruppen wird versucht, die soziale Stellung der Frau zu stärken, Einkommen zu schaffen und Wissen zu vermitteln, um unter anderem hygienische, ökologische und rechtliche Missstände in den Dörfern zu verbessern. Einmal die Woche trifft sich die Frauengruppe und redet über ihre Fortschritte, Pläne und eventuelle Schwierigkeiten. Den Frauen wird auch ein Startkapital in Form von Kühen, Ziegen, Schafen, Hühnern, Enten, aber auch Gemüsegärten oder Obstbäumen gegeben. Je nachdem, womit die Frau denkt, etwas erwirtschaften zu können. Dazu gehört auch, dass die sie an Trainings teilnehmen, um das zugehörige Wissen über Viehzucht und Ackerbau zu erlangen. So haben die Teilnehmerinnen die Chance beispielsweise ihre Gemüsesamen, die sie am Anfang des Projekts erhalten haben, anzubauen, zu pflegen und schließlich das Gemüse zu verkaufen, um einen Profit zu machen. Das nennt man dann eine "einkommensschaffende Maßnahme".
Mit so einer Maßnahme hat Familie Akter schon so viel Geld erwirtschaftet, dass der Vater, Shukur Ali, seinen Beruf als Arbeiter in der Landwirtschaft aufgeben und eine kleine Teebude in der Nähe eröffnen konnte. Die harte Feldarbeit sei viel anstrengender und ihr Mann werde eben nicht jünger, erklärt Kosuma. Außerdem konnten sie schon einen Tiefwasserbrunnen vor ihrem Haus errichten, was für die Familie auch eine große Erleichterung ist.
Ich konnte mich nun also einmal selbst davon überzeugen, wie die NETZ-Projekte eine ganze Familie unterstützen, aufbauen, Chancen geben. Leider bleibt mir die Frage im Hinterkopf, was wäre, wenn keine Organisationen aus dem Ausland hier aushelfen würden. Würde die Regierung Bangladeschs vielleicht unter diesem Druck selbst mehr machen? Oder würden Kinder wie Shomona und Hakirul einfach unsichtbar und ungehört weiterhin in Armut leben? Wessen Verantwortungsbereich ist diese Fürsorge? Und wer kann sich der Verantwortung entziehen?