Eid-ur-Azha
Vom 21. bis 24. Februar waren Eid-Ferien: das islamische Opferfest Eid-ul-Adha wurde gefeiert. Trotzdem hatten viele Geschäfte geöffnet. Aus allen Teilen des Landes kamen Angehörige nach Jessore, um hier gemeinsam mit ihren Familien zu feiern. Ich hatte viele Einladungen bei Freunden von Mazed; die meisten davon konnte ich auch wahrnehmen, obwohl es ein sehr erschöpfendes Programm war. Auch Mr. Arzoo, der Direktor von Jagorani Chakra, lud mich über Eid zweimal zu sich nach Hause zum Mittagessen ein. Wichtigster Tag des diesjährigen Eid-Fests war der 22. Januar. Am frühen Morgen holte mich Mazed ab und wir gingen mit seinen zwei Brüdern zum zentralen städtischen Gebetsplatz. Dort versammelten sich circa 15.000 Männer zum Gebet, auch die gesamte Lokalprominenz, ein eindrucksvolles Schauspiel. Ich selbst wurde mit dem traditionellen bengalischen Punjabi, ähnlich einem langen Hemd, und einem Tuppi, der traditionellen Kopfbedeckung ausgestattet, so dass ich angemessen für den Gottesdienst gekleidet war. Zunächst setzte ich mich mit auf einen der Gebetsteppiche, verließ aber zu Beginn des Gottesdienstes den Gebetsbereich. Mir erschien es unangemessen, als Nicht-Muslim daran teilzunehmen.
Im Anschluss an den Gottesdienst brachte mich Mazed zu einem seiner Kollegen, Shahidul Islam, welcher mich eingeladen hatte, an der Schächtung zweier Ziegen und eines Stiers teilzunehmen. Shahidul teilte sich den Stier mit insgesamt sieben Leuten, wie es Tradition ist, darunter zwei seiner fünf Brüder, während die beiden Ziegen seinen anderen Brüdern gehörten. Was folgte war ein, nach meinem Verständnis, scheußliches Spektakel, an dem alle männlichen Familienmitglieder teilnahmen, selbst ganz kleine Kinder, während die Frauen aus einiger Entfernung zuschauten. Alles spielte sich auf einer Wiese nahe Shahiduls Haus ab. Einige junge Männer packten die erste Ziege, die schreiend und strampelnd zu entkommen versuchte, was ihr natürlich nicht gelang. Sie wurde auf den Boden gedrückt, ihr Hals überstreckt und dann schlitzte ihr der Imam die Kehle auf. Blut spritzte aus den Schlagadern heraus, verzweifelt strampelte das Tier ein letztes Mal, röchelte elendig und krepierte schließlich auf der Wiese im eigenen Blut. Wenig später ereilte die zweite Ziege das gleiche Schicksal, auch wenn sich diese heftiger wehrte. Zuletzt wurde der Stier geschächtet, eine religiöse Art des Schlachtens, bei der das Tier nach einem vorgeschriebenen Reglement ausblutet. Er war an zwei Bäumen festgebunden worden und hatte die Schächtung der beiden Ziegen beobachten können. Nun wurde er losgebunden und zu einem zuvor ausgehobenen Erdloch geführt. Dort brachten ihn die Männer zu Fall und fesselten seine Beine, so dass er annähernd bewegungsunfähig war. Es dauerte jedoch noch einige Zeit, bis der Stier in der richtigen Position mit überstrecktem Hals über dem Erdloch lag, das sein Blut aufnehmen sollte. Dann kam der Imam mit seinem langen Messer heran, setzte an und durchschnitt dem Stier mit einem Schnitt die Kehle. Eine große Menge Blutes schoss aus seinem Hals heraus. Sein Todeskampf dauerte eine ganze Weile, es war ein scheußlicher Anblick. Man konnte deutlich hören, wie das Tier in seinem eigenen Blut ersoff, ein schauerliches Geräusch. Für den kleinsten Jungen, der gerade einmal zwei Jahre alt ist, war das einfach zu viel. Er lief heulend weg und versteckte sich hinter einer Mauer.
Unmittelbar nach der Schächtung des Stiers gingen alle frühstücken. Zum Glück gab es kein Fleisch, darauf hatte ich nun wirklich keinen Appetit. Nach dem Frühstück gingen wir auf die Wiese zurück und schauten dabei zu, wie die Ziegen und der Stier in ihre Einzelteile zerlegt wurden. Shahidul hatte dafür extra zwei junge Männer engagiert. Die beiden Ziegen wurden nacheinander an einem Baum aufgehängt, gehäutet, ausgenommen und zerteilt. Insgesamt dauerte das knapp zwei Stunden. Für den Stier musste mehr Zeit aufgewendet werden. Erst nach etwa drei Stunden war er gehäutet, ausgenommen und zerteilt. Die Mägen der Tiere wurden in einem separaten Erdloch entleert und von einer extra dafür engagierten Frau gereinigt. Anschließend stürzten sich einige Hühner auf die Mageninhalte, die ihnen offenbar recht gut schmeckten. Auch die rundherum lauernden Raben kamen nicht zu kurz; sie bekamen einige der weniger schmackhaften Eingeweide zu fressen wie etwa die Galle des Stiers. Wie schon die Schächtung war auch die Zerlegung der Tiere ein Familienereignis, an dem nun auch die Frauen unmittelbar teilnahmen. Im Halbkreis saßen wir um den Schauplatz des Geschehens herum, unterhielten uns und tranken Tee. Was mir gar nicht gefiel, war die Art und Weise, wie die Tiere zerkleinert wurden. Sie wurden einfach klein gehackt, und zwar nicht allein das Fleisch, sondern auch alle Knochen mit dazu. Weil hier jedes Tier so geschlachtet wird, habe ich schon auf manchen Knochensplitter im Fleisch gebissen. Zu guter letzt wurde das Fleisch gewogen, mundgerecht zugeschnitten und schließlich aufgeteilt. Jeder hatte große Plastiktüten dabei, in denen er seinen Anteil mitnahm. Überall in Jessore sah ich an diesem Tag auf den Grünflächen, wie Kühe und Ziegen in gleicher Weise geschlachtet, zerlegt und aufgeteilt wurden.
Am nächsten Morgen lud mich Shahidul zum Frühstück ein und ich habe ein wenig vom Fleisch des Stiers probiert. Wie auch bei all den anderen Mahlzeiten in diesen Tagen, an denen ich das Fleisch frisch geschlachteter Kühe und Ziegen gegessen habe, schmeckte es vorzüglich. Nur an die Szenen der Schächtung sollte man dabei nicht denken, sonst kann einem der Appetit schnell wieder vergehen.