Eid-Ul-Adha
Letzte Woche dufte ich etwas ganz besonderes erleben: Eid-Ul-Adha, das muslimische Opferfest.
Ich habe Eid auf zwei ganz unterschiedliche Arten kennengelernt. Die Ferien, die schon zwei Tage vor Eid angefangen hatten, verbrachte ich nämlich bei zwei verschiedenen Familien.
Den ersten freien Tag verbrachte ich bei Monzurul, meinem Mentor. Er ist meine wichtigste Ansprechperson, was meine Arbeit bei GUK angeht. Er führt mich an das Bildungsprogramm von GUK heran und trägt für dieses eine Jahr die Verantwortung für mich. Ich bin dankbar, dass er sich auch privat für mich verantwortlich fühlte und mit seiner Einladung dafür gesorgt hatte, dass ich ein wichtiges Familienfest wie Eid nicht alleine verbringen musste.
Mit Übernachtungszeug angereist, wurde ich also von seiner Familie – Frau und vier-jährige Tochter – willkommen geheißen. Monzuruls Haus ist klein, aber fein und liegt in der Stadt Gaibandha. Dort wurde mir zu meiner Überraschung erst mal mein Gästezimmer gezeigt, sogar mit eigener Nasszelle! Danach verbrachte ich viel Zeit mit Monzuruls Frau in der Küche. Ich habe gelernt, wie man Shemai zubereitet; das sind süße, in Milch gekochte Fadennudeln. Diese wurden dann den Verwandten und Nachbarn serviert, die zu Eid zu Besuch kamen. Mit den Gästen saßen wir dann zusammen, man hat sich ausgetauscht. Abends brachten Monzuruls Frau und seine Tochter mir noch ein bengalisches Lied bei. Die Zeit verging recht schnell; am nächsten Tag holte mich auch schon Noore Alom Siddik ab. Er verwaltet das GUK Gästehaus, wir hatten deshalb seit meiner Ankunft bei meiner Partnerorganisation viel mit einander zu tun und verstehen uns gut. Wir machten spontan mit Monzurul aus, dass ich auch bei Noore Alom übernachten würde. Mit dem Motorrad ging es ins Randgebiet der Stadt, Straßen und Läden wurden kleiner. Schließlich staden wir vor einem Tor, durch das wir in eine Art Hof gelangten. Auch dort wurde ich erst mal begrüßt, allerdings nicht nur von Noore Aloms engster Familie, seiner Frau und seinem elfjährigen Sohn, sondern auch von seiner Mutter, seiner Schwester, zwei Nichten, einem Neffen, seinem Bruder, seiner Schwägerin und, was mich ganz besonders gefreut hat, von seinem Vater, den ich schon in Dhaka kennengelernt hatte. Er war extra für Eid angereist, so wie einige anderen der genannten Personen. Nichtsdestotrotz lebt Noore Alom nicht nur mit seiner Kernfamilie zusammen. Drei Wellblechhäuschen, in denen verschiedene Angehörige seiner Großfamilie wohnten, reihten sich um den Innenhof, in dem man sich im Schatten einiger Bäume zum reden, spielen und ausruhen traf. Hier wurde auch von den Frauen über zwei Feuerstellen gekocht. Wer mich kennt weiß, dass ich ein Fan von buntem Familienleben bin. Plötzlich wieder unter so vielen Menschen zu sein, die vertraut miteinander umgehen, hat mir total gut getan. Ich hatte bis dahin gar nicht gemerkt, wie sehr mir das gefehlt hatte, seit ich in Bangladesch alleine lebe.
Die Vorbereitungen für Eid waren in vollem Gange, als ich ankam. Mit Noore Aloms Frau und seiner Nichte Ratri ging es erst einmal zu einem Schönheitssalon. Kurz vor dem Schlafengehen bemalten Ratri und ich uns dann noch die Hände mit Henna, das nennt man hier Mehendi. Um eine intensive Färbung zu erzielen, lässt man die Farbe am besten über Nacht einwirken. Dass das bei meinem Geschick nicht gut geht, war ja irgendwie klar. Wir beide schliefen in dem Ehebett von Noore Aloms Bruder und dessen Frau. Beziehungsweise wir versuchten zu schlafen, denn die Hennapaste befand sich schon bald in meinem Gesicht. Also hieß es nachts noch mal aufstehen, zum Brunnen laufen, sich mit eiskaltem Wasser waschen und hoffen, dass keine roten Flecken im Gesicht zurück bleiben. Diese Wasserpumpe teilt sich übrigens die gesamte Familie zum Duschen, Spülen und Wäschewaschen. Nach einer kurzen Nacht stand ich wie alle früh auf. Die Frauen um das Frühstück vorzubereiten, die Männer, um in die Moschee zu gehen. Als alle wieder daheim waren, konnte man spüren, dass etwas Besonderes anstand. Eine große Plastikplane wurde gesäubert, den Ziegen, die friedlich im Hof standen, kam besondere Aufmerksam zu und… Messer wurden gewetzt.
Dann ging es auch schon los. Fünf Männer schnappten sich eine der Ziegen, legten sie mit festem Griff auf die Seite und Noore Aloms Vater schnitt ihr mit einem großen Messer und unter Murmeln von arabischen Versen die Kehle durch. Tiefrot floss Blut in das zuvor gegrabene Loch, während die Ziege ihre Gliedmaßen zum letzten Mal in ihrem Leben hektisch bewegte. Sie wurde zum Schlachten an einen Baum gehängt. Zuerst wurde das Fell abgezogen, dann die Keulen abgetrennt, die Innereien in eine große Schüssel geleert und der Teil der vom Rumpf noch übrig geblieben war an die anderen anwesenden Verwandten weitergeben. Diese hatten sich um die Plastikplane versammelt, um all das Fleisch in mundgerechte Stücke zu schneiden. Dann ging es auch der zweiten Ziege an den Kragen – selber Schuld wenn man seelenruhig zuschaut, wie ein Artgenosse in seine Einzelteile zerlegt wird. Zum Mittagessen gab es dann also Reis mit Ziegencurry. Allerdings nur aus einem Drittel des Fleisches zubereitet.
Die Muslime gedenken an Eid-Ul-Adha Abraham, der bereit war, Gott seinen Sohn Isaak zu opfern, von Gott jedoch davon abgehalten wurde. Diese Geschichte hat großen symbolischen Charakter für alle Muslime und zeigt die Opferbereitschaft auf, die jeder Muslim in sich tragen sollte. Deshalb wurde an diesem Tag geteilt: Ein weiteres Drittel des Ziegenfleisches ging an die Verwandten, das letzte Drittel an mittellose Familien, die es sich an diesem Tag nicht leisten konnten, selbst ein Tier zu schlachten.
Noore Alom bot mir an mich mit zu dem Besuch bei seinen Verwandten zu nehmen, um dort das eigene Fleisch zu verteilen und das seiner Familie zustehende abzuholen. Die Chance wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Dafür sollte ich meinen Sari anziehen. Noor Aloms Frau bat ich dafür um Hilfe, denn ich bekomme dieses sieben Ellen lange Stück Stoff einfach nicht alleine in den Griff. Diese, seine Schwägerin und Ratri fingen an mich herzurichten. Mir wurde der größte Schmuck den sie auftreiben konnten umgehängt, Lippenstift durfte natürlich auch nicht fehlen. Mir wurde versichert, dass sich alle Frauen an Eid besonders hübsch machen, ich könne auf jeden Fall so durch die Dörfer ziehen. Ich fühlte mich trotzdem überall, wo ich mit Noore Alom vorbeischaute, overdressed. Jedes Mal, wenn wir vom Motorrad stiegen, versammelten sich Menschentrauben um uns, um die Ausländerin in bangladeschischer Festtagsmode zu sehen. Viele Familien luden mich ein, ihr zu Hause zu besuchen. So sammelte ich wirklich interessante Einblicke, während Noore Alom mit seinem Fleischtausch beschäftigt war.
Zurück bei Noore Alom wurde erneut gekocht, diesmal auch gefeiert. Nach Einbruch der Dunkelheit kamen Freunde und Nachbarn in den Hof, Noore Aloms Bruder spielte Musik auf seiner Stereoanlage und auf dem kühlen Lehmboden wurde getanzt. Ratri gab ihre Bollywood-Tanzkünste zum Besten, die Jungs und Männer der Familie Siddik zeigten einen sehr eigenwilligen Tanzstil, der aus unglaublich schnellen Bewegungen so ziemlich aller Körperteile bestand und Noore Aloms Frau und ich tanzten einen Wiener Walzer. Ansonsten wurde einfach ausgiebig gefeiert und zwischendurch bei Bedarf gegessen. Der Abend war einfach schön. Für den nächsten Tag war ich dann noch einmal bei Monzurul eingeladen; wir besuchten die Familie eines Bruders. Ich übernachtete noch einmal bei ihm und kam somit erst am nächsten Morgen, kurz vor Beginn der Arbeitszeit, nach Hause. Die Eid-Ferien werden mir als unglaublich innige und ereignisreiche Erfahrung in Erinnerung bleiben.