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"Die Ärzte haben ihn einfach nicht behandelt"

Shohag Hossain ist elf Jahre alt. Er lebt in einem Slum in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch. Mit seinen Eltern und fünf Geschwistern wohnt er in einem etwa drei Quadratmeter kleinen Bretterverhau zwischen Holz- und Wellblechhütten, der nur über eine alte, ausgetretene Holztreppe zu erreichen ist. Dafür bezahlen seine Eltern monatlich 12 Euro Miete, und das bei einem Monatseinkommen von gerade einmal 49 Euro. Ein Bett und ein Regal, ein bisschen Kleidung und Kochgeschirr, viel mehr besitzt die Familie nicht. Seine älteste Schwester ist zwanzig Jahre alt und schon seit fünf Jahren verheiratet. "Ich habe noch eine andere Schwester und drei Brüder", erzählt Shohag, "fast alle sind älter als ich". Mit sechs Jahren musste Shohag schon arbeiten gehen. "Ich half ab und zu als Wasserträger aus", berichtet er, "dafür habe 12 Cent täglich bekommen".

An einem heißen Sommertag im Jahre 2001 änderte sich Shohags Leben dramatisch. Seine Mutter kochte damals für eine reiche Familie und er durfte sie manchmal besuchen. "In der Küche war eine Treppe nach oben, auf der habe ich immer gespielt", erzählt Shohag. "Das hat Spaß gemacht, doch eines Tages bin ich ausgerutscht und hinuntergefallen", fährt er fort. Dabei stürzte er in den Kochtopf mit einer heißen Suppe und verbrannte sich den ganzen linken Arm schwer. "Es waren höllische Schmerzen", sagt er mit Tränen in den Augen, "es war schrecklich". Seine Mutter brachte ihn sofort ins staatliche Zentralkrankenhaus. "Aber die Ärzte haben ihn einfach nicht behandelt", erzählt sie noch heute fassungslos. "Zehn Stunden haben sie uns warten lassen", berichtet sie weiter, "meinem Jungen ging es immer schlechter". Schließlich fuhren sie nach Hause, wo Shohags Mutter einen anderen Arzt holte. "Aber der wusste nicht recht, was er machen sollte", erzählt sie. "Er hat uns eine Salbe gegeben, aber die half nichts, ebenso wenig wie die Hausmittel". Shohag hatte großes Glück, dass sich seine Wunden nicht infizierten. Doch sein Arm wurde steif, er konnte ihn nicht mehr benutzen.

Einige Monate nach dem Unfall erfuhr Shohags Mutter von der Slumschule, die nahe ihrer Unterkunft von der Entwicklungsorganisation Bastob betrieben wird. Sie wird finanziert von der Edith-Stein-Schule Ravensburg und der Organisation NETZ, die auf Bangladesch spezialisiert ist. "Ich möchte, dass meine Kinder es besser haben als ich", sagt Shohags Mutter, "darum habe ich alles dafür getan, dass meine Jungs dort zur Schule gehen können". Seit zwei Jahren nun nehmen Shohag und zwei seiner Brüder am Unterricht teil. Seine anderen Geschwister müssen arbeiten, in einer Textilfabrik und in einem Fotoladen. Dadurch kann die Familie überleben. "Mein Lieblingsfach ist Bengalisch", erzählt Shohag. "Ich gehe jetzt schon in die vierte Klasse und es macht mir viel Spaß".

Zweimal im Monat kommt in die Schule ein Arzt, der nach den Kindern schaut. "Er sagte, dass man meinen Arm operieren könne", erzählt Shohag, "dann würde ich ihn auch wieder bewegen können". Doch der Vater verdient als Fischverkäufer nur 25 Euro im Monat und die Mutter als Haushälterin nur 8 Euro. "Aber wir haben eisern gespart", sagt Shohags Vater, "um seine Operation zu bezahlen zu können". Die kostete fast 40 Euro und wurde von der Organisation Bastob vermittelt. Seit letztem Jahr nun kann Shohag seinen Arm wieder bewegen, ganz normal jedoch wird er ihn nie wieder benutzen können. Er ist für sein Leben gezeichnet. "Ich möchte einen guten Job", träumt er, "einen Job, in dem ich respektiert werde. Aber ich weiß noch nicht, welchen". Bei diesen Worten wandern seine Augen über seinen verkrüppelten Arm, dann schaut er entschlossen auf und sagt: "Ich will Lehrer werden. Ich werde Lehrer".

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