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Das Staustehen ist des Bengalens Last

Vor 40 Jahren lebten in Dhaka ungefähr 500.000 Menschen. Heute ziehen jährlich etwa ebenso viele in die Dreizehn-Millionen-Metropole. Dieses rasante und vor allem ungeplante Wachstum der Hauptstadt Bangladeschs zieht vielfältige Probleme bei der Wasser- und Stromversorgung nach sich. Besonders drastisch sind die Auswirkungen jedoch auf den Verkehr: während 25 Prozent Straßenanteil als optimal gelten, sind von der Fläche Dhakas nur sechs bis acht Prozent mit meist sehr löchrigen Straßen bedeckt. Diese werden jedoch umso intensiver genutzt. Dass so viele Fahrzeuge auf so engem Raum hin und wieder sogar vorwärts kommen, ist eine echte Leistung. Die im wahrsten Sinne des Wortes atem(be)raubende Dichte wird nur dadurch erreicht, dass sich hier so viele verschiedene Fortbewegungsmittel unterschiedlichster Größe tummeln. Neben Bussen, meist japanischen Karossen der Reichen und verschiedenen Taxis - die Gelben teuer und zuverlässig, die Schwarzen günstiger aber nachts nicht zu empfehlen - sind die Rikschas und Baby-Taxis am auffälligsten.

Wenn ich genug Zeit habe, fahre ich am liebsten mit einer Rikscha, einem großen Dreirad, auf das man zu zweit recht bequem, zu dritt oder auch viert gerade noch raufpasst. Auf der Rikscha kann man wunderbar umherschauen, zu sehen gibt's ja immer genug. Seit ich die Zahlen auf Bangla kann, macht auch die Verhandlung des Fahrpreises, der unbedingt vor Fahrtantritt feststehen sollte, Spaß. Wie auch die CNG-Fahrer sind die "Rikascha-Wallahs" unglaublich geschickte Fahrer, finden auch in den kaputtesten Seitengassen noch erträgliche Wege, im dichtesten Verkehr Lücken und lassen sich nur selten aus der Ruhe bringen. Baby-Taxis sind zu Dreirädern umgebaute Mopeds, die hinter der mit einem Gitter abgetrennten Fahrerkabine noch eine kleine Bank haben. CNGs heißen Baby-Taxis, seit sie wie die Busse mit Naturgas statt Benzin fahren. In Dhaka steht man zumindest bis zehn Uhr abends beinahe immer im Stau. Die einzige Ausnahme ist während des Fastenbrechens im Ramadan. Stau heißt: wenn man auf die Rikscha klettert, sieht man soweit man durch die Dunstwolken blicken kann Rikschas, Autos, Busse, Menschen. Die Atemwege schmerzen, der Schweiß rinnt. Auf jedes stehende Fahrzeug kommen Bettler zu, die so lange um wenigstens einen Taka bitten, bis es langsam weitergeht oder sie weggejagt werden. Dann kommen die Verkäufer. Nein, Handtücher brauche ich nicht, der Appetit auf Nüsse oder Chips ist mir auch vergangen, und was soll ich mit den Rosen, die die Kinder mir für immer weniger Taka aufdrängen? Auf jede potenzielle Lücke des Getümmels steuern mindestens drei Fahrzeuge zu. Natürlich in klarer Hierarchie: Busse hupen einfach und kümmern sich wenig um das, was da unten fläucht und kräucht. Die sich Autos leisten können, kurbeln die Scheiben hoch und schmeißen die Klimaanlage an. Die Rikschas schieben die Rikschas vor sich. Aber wehe, sie berühren einen der teuren Jeeps oder machen gar einen Kratzen in den Lack. Während eine Delle mehr oder weniger bei CNGs oder den Bussen überhaupt nicht auffällt.

Natürlich wird viel gegen den Stillstand getan, die Ursachen der Staus gründlich angegangen. "to avoid traffic jam follow traffic rules" heißt es auf vielen großen Transparenten. Auf jedem CNG klebt hinten ein Schild, das anbietet "for traffic complaints call 845203402", und das auch noch kostenfrei! Besondere Anstrengungen werden momentan wegen des nahenden Gipfeltreffens südasiatischer Staaten in Dhaka, die eine bessere ökonomische Kooperation erreichen wollen, unternommen. So gibt es entlang den Hauptverkehrsstraßen Dhakas Blumenpflanzprojekte, auf die Schilder wie "Dhaka beautification project" hinweisen. Diese VIP-Trassen sind frei von Rikschas. Denn die Initiatoren sind der Meinung, dass natürlich nicht die fehlenden Parkplätze, der ungeregelte Verkehr, die zusammenbrechenden Autos oder die immer und überall haltenden Busse Schuld an dem Chaos haben, sondern die Rikschas…

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