Bujhi na!
Nachdem die Kinder in der Dorfschule ein Tänzchen und ein Lied zum Besten gegeben haben, bombardieren sie mich mit Fragen. "Woher kommst du?", "Wie viele Geschwister hast du?", "Was sind deine Hobbys?". Diese Fragen kann ich noch stolz mit meinem Bengalisch, das ich im Sprachkurs gelernt hab, beantworten. Dann geht es mit der Frage weiter, was mein Vater arbeite. Ein großes Fragezeichen schwirrt in meinem Kopf herum. Wie erklär ich jetzt den Beruf Maschinenbautechniker? Ich versuche es Rezaul, einem Mitarbeiter von Gana Unnayan Kendra (GUK), der Hilfsorganisation bei der ich nun arbeite, auf Englisch zu erklären. Ich weiß jedoch weder die richtigen Worte dafür, noch versteht mich Rezaul besonders gut. Sein Englisch ist auch nicht gerade das Beste. Anstatt als Maschinenbautechniker arbeitet mein Vater jetzt halt irgendwas mit Elektronik und Autos. So hat es Rezaul verstanden und übersetzt. Ich muss unbedingt diese Sprache lernen!
Vor der Schule geht es weiter. Dort hat sich inzwischen eine Menschenmenge angesammelt, die alle die "Bideshi" - die Ausländerin - sehen wollen. Sowas spricht sich schnell herum in einem kleinen Dorf. Da mich nicht alle durch die kleinen Fenster der Schule begutachten konnten, vor die sie sich gequetscht hatten, werde ich draußen mit großen neugierigen Augen erwartet. Ich freue mich wahnsinnig über die Herzlichkeit, die sie mir entgegenbringen. Mit "Assalamu oalaikum", der muslimischen Begrüßung, stelle ich mich ihnen vor da diese eigentlich immer passt. Dass dieses Dorf hauptsächlich von Hindus bewohnt ist, erfahr ich erst später. Das sollte ich in Zukunft vielleicht vor jedem Schulbesuch fragen. Aber niemand hat es mir übel genommen.
Eine Frau kommt auf mich zu und beginnt auf Bengalisch zu reden, macht wilde Gesten und zeigt auf ihr kleines Kind im Arm. Total überfordert stammele ich nur immer wieder "bujhi na" - ich verstehe nicht. Ich erkläre ihr mit meinem einfachen Bengalisch, dass ich gerade erst ihre Landessprache lerne. Da kommt aber auch schon - Gott sei Dank - Rezaul aus dem kleinen Schulgebäude. Er erklärt der Menschenmenge was ich hier mache. Ich stelle mich auf Bengalisch vor, sag ein paar nette Sätze über Bangladesch und dann sind alle zufrieden. Rezaul und ich steigen auf das Motorrad, um zurück zu GUK zu fahren. Hier werde ich die nächsten elf Monate arbeiten. Ich genieß es immer wieder aufs Neue, wenn wir in die Dörfer fahren. Einfach nur auf dem Motorrad sitzen und die wunderschöne Landschaft in Gaibandha zu bewundern. Ich habe in der Natur nie zuvor so satte und vielseitige Grüntöne gesehen wie hier!
Wieder im Büro angekommen, möchte ich mit Rezaul meine Aufgaben und die nächsten Schulbesuche besprechen. Es dauert eine ganze Weile, bis wir auf verschiedenste Weise mit einem Englisch-Bengalisch-Mix geklärt haben, wie die nächste Woche ablaufen könnte. Sicher bin ich mir jedoch mal wieder nicht, ob wir beide das Gleiche verstanden haben. Ich muss unbedingt diese Sprache lernen!