Begegnungen
Meine Arbeit bei Ain o Salish Kendra bringt mich in den ersten Monaten an unglaublich viele verschiedene Orte und in viele verschiedene Situationen. Workshops, Festivals, Treffen in den Distrikten Pabna, Kushtia, Sirajganj, Kishoreganj, Joypurhat, Gaibandha. Überall, wohin ich auch fahre, treffe ich auf Kinder.
In meinem Hotel in Pabna klopft es früh morgens an die Tür. Ich öffne müde und blicke in das lächelnde Gesicht eines Jungen. Er fragt mich, ob es mir gut geht. "Ami bhalo achi", antworte ich. Es geht mir gut. Als ich ihn frage, wie es ihm heute geht, antwortet er mit schüchterner Stimme "Alhamdulillah", auf Deutsch "Gott sei Dank, mir geht es gut". Wir lächeln uns an und er fragt, ob ich heute Frühstück möchte.
In Kushtia laufe ich mit meiner Kollegin durch die Straßen. Wir brauchen etwas Süßes und einen Tee nach getaner Arbeit. Von der Seite kommt uns eine Stimme entgegen: "Wollen sie mitfahren?" Die Stimme ist jung. Wir drehen uns um und da sitzt er. Ein kleiner Junge auf einer Rikscha, bereit uns durch die Stadt zu fahren. Wir fragen: "Wie alt bist du? Was macht dein Vater? Und deine Mutter?" Er ist zwölf Jahre alt, seine Eltern leben nicht mehr.
Ich sitze in meinem Hotelzimmer in Kishoreganj und versuche krampfhaft mich an die Zimmernummer meines Kollegen zu erinnern. Er musste die Zimmer tauschen und jetzt weiß ich es einfach nicht mehr. Ich muss ihn gleich treffen. Orientierungslos vor einer Zimmertür stehend, klopfe ich schüchtern. Niemand öffnet. Neben mir taucht ein Junge auf. Er hält eine große Dose Moskitospray in der Hand. "Kann ich helfen?", fragt er mich. Hilflos versuche ich auf Bengalisch mein Anliegen zu erklären und sofort weiß er Rat, hat einen Plan für mich. Selbstbewusst und mit einem Lächeln auf dem Gesicht klopft er an die Zimmertür, immer und immer wieder. Endlich öffnet sie sich und der Junge fragt: "Brauchen sie Moskitospray? Soll ich sprühen?" Meine Chance einen Blick in das Zimmer zu werfen! Es ist mein Kollege, verwundert über das wissende Lächeln zwischen dem Kind und mir.
Joypurhat. Seit Tagen laufen die Vorbereitungen für das Theaterfestival auf Hochtouren. Proben, Aufführungen, Dekoration, Licht, Ton. Nun ist es endlich soweit. Gespannt sitze ich im Publikum und verfolge Theaterstück um Theaterstück. Unglaublich viele Menschen sind neugierig geworden und kommen, um das Festival zu sehen. Eine dichte Menge drängt sich an jeder Seite und plötzlich sehe ich ihn, direkt neben mir. Ein schmaler Junge an einen langen Holzstock gelehnt. Seine Augen, seine gesamte Aufmerksamkeit, ist auf die Bühne gerichtet. Ich freue mich, dass es ihm so gefällt und mein Blick bleibt an dem Jungen hängen, wandert hinunter. Er hat die Hälfte seines linken Armes und Beines verloren. Was mir eben noch Freude machte, schmeckt plötzlich bitter. Minutenlang bleibe ich einfach so stehen.