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Auf dem Bazar

Der Bazar einer Dorfgemeinschaft ist besonders am Abend der Treffpunkt für die Männer, um Tee zu trinken, über Politik zu diskutieren oder sich über den Ertrag der Ernten auszutauschen. Frauen sind hier nach Einbruch der Dunkelheit - etwa gegen halb sieben - nicht mehr anzutreffen. Sie bleiben zu Hause. Auch mein Kollege und ich besuchen am Abend den Bazar, um Tee zu trinken und den einen oder anderen kleinen Imbiss zu uns zu nehmen. Wir sind jedoch nicht nur zum Vergnügen hier, sondern wir wollen Gespräche mit den Einheimischen führen, um mehr über deren Lebensbedingungen zu erfahren. Wir setzen uns in eine kleine Teehütte. Eine Bank und zwei Stühle, die auf dem lehmigen Boden stehen, sind die einzigen Sitzgelegenheiten. Seit ich den Bazar erreicht habe, sind mir etwa dreißig Bangladeschi auf Schritt und Tritt gefolgt, haben jede meiner Bewegungen beobachtet und kommentiert. Ich sitze mit meinem Kollegen in der Teehütte, die dreißig Bangladeschi stehen im Halbkreis in einer Zweierreihe um mich herum und starren mich an. Wir bestellen Tee und Süßspeisen und eine Schüssel mit Erdnüssen. Bei jedem Griff in die Schüssel muss ich aufpassen, hat sich doch innerhalb weniger Sekunden eine beträchtliche Anzahl von Heuschrecken unter die Erdnüsse gesellt, die auf den ersten Blick nicht auszumachen sind. Unter dem niedrigen Holzdach sitzend, treibt es mir den Schweiß aus sämtlichen Poren. Die leichte Brise, die manchmal vom Golf herüberweht, findet keinen Zugang in die Teehütte, zu viele neugierige Bangladeschi stehen im Eingangsbereich und sorgen dafür, dass die Luft minütlich dicker und dicker wird. Ich spreche den Besitzer der Teehütte an, der im Schneidersitz auf einem Hocker sitzt und genüsslich eine Zigarette raucht. Kaka, spreche ich in an, das bangladeschische Wort für Onkel. Ältere Personen werden in Bangladesch häufig mit Kaka angesprochen, unabhängig von jeglichem verwandtschaftlichen Verhältnis. Er schaut mich an, überrascht und erfreut zugleich. Zunächst frage ich ihn nach seinem Namen. Alamir sei sein Name, verkündet er stolz. Kaka, was haben Sie heute verdient, frage ich ihn. Er überlegt, öffnet eine kleine Schublade, in der er sein Geld aufbewahrt und sagt dann: zweihundert Taka (knapp drei Euro). Und wieviel mussten Sie für den heutigen Verkauf investieren, frage ich weiter. Erneut überlegt er, schaut auf den Tisch, auf dem diverse Süßspeisen angepriesen werden, verscheucht die zahllosen Fliegen, die sich an den in Honig eingelegten Süßspeisen laben, und sagt dann: Ungefähr einhundertfünfzig Taka. Ich hake nach. Fünfzig Taka Gewinn für den heutigen Tag, frage ich ihn. Er bejaht. Fünfzig Taka entspricht etwa achtzig Cent. Ich bin etwas überrascht, über dieses geringe Einkommen eines Ladenbesitzers. Ich frage ihn, wieviel Kinder er habe. Sieben, antwortet er, zwei sind allerdings bereits verheiratet und leben nicht mehr in meinem Haus. Ich lebe zusammen mit meiner Frau und fünf Kindern.

Wie kommen Sie mit fünfzig Taka am Tag über die Runden, um eine siebenköpfige Familie zu ernähren, frage ich ihn. Zwei Kilo Reis kosten sechsundzwanzig Taka, antwortet er, die restlichen vierundzwanzig Taka müssen ausreichen, um Fisch oder Gemüse zu kaufen. Wenn das Geld nicht ausreicht, gibt es eben nur Reis, sagt er und macht dabei einen ganz zufriedenen Eindruck.

Um eines zu verdeutlichen: Alamir ist Ladenbesitzer, hat dementsprechend eine regelmäßige und relativ sichere Einkommensquelle. Er kann daher nicht als extrem arm bezeichnet werden. Wenn schon ein Ladenbesitzer lediglich fünfzig Taka am Tag zur Verfügung hat, um seine siebenköpfige Familie zu ernähren, wird einem schlagartig bewusst, wie schlecht es den extrem Armen gehen muss, die nicht in der Lage sind, regelmäßig genug Geld zu verdienen, um ihren Hunger zu stillen. Wir plaudern noch eine Weile. Ich unterhalte mich mit seinem kleinen Sohn, der nach der Schule in die Teestube kommt, um seinem Vater zu helfen. Stolz packt er sein erlerntes Englisch aus und freut sich jedes Mal spitzbübisch, wenn ich seine Fragen verstehe und ihm eine entsprechende Antwort gebe.

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