Anders sein
Als Ausländerin fällt man in Bangladesch fast überall auf. Man steht immer im Mittelpunkt, da es wenig Touristen im Land gibt und viele Menschen, gerade in ländlichen Gegenden, noch nie einen Menschen mit heller Hautfarbe gesehen haben. Das kann sehr anstrengend sein. Manchmal kommt man sich gar vor wie ein Filmstar, da man von allen Seiten mit Handys fotografiert und gefilmt wird. Ja, es erstaunt, dass fast jeder Mensch hier ein Handy zu haben scheint. Selbst in armen Dörfern teilen sich mehrere Haushalte häufig eines für den Notfall.
Helle Haut ist ein Schönheitsideal in Bangladesch und so bekommt man häufig zu hören wie schön man doch sei. Ich dagegen erschrecke häufig, wenn ich mich auf Fotos sehe und denke mir, wer ist denn dieser blasse, krank aussehende Mensch da? Als ich einem Kollegen davon erzähle, rät er mir mehr rotes Fleisch zu essen, dann würde ich weniger krank aussehen. Ich werde es ausprobieren.
Aber man kann auch eine andere Art von Schönheit kennenlernen. Nicht die, die man in Hochglanz-Magazinen und Filmen sieht, sondern eine, die durch ein strahlendes Lächeln aus dem Inneren kommt.
Ich fahre mit meinen Kollegen in ein Dorf, um eine der Frauen zu besuchen, die meine Organisation im Rahmen des Projektes „Ein Leben lang genug Reis“ unterstützt. Sie wurde mit einer schweren Hautkrankheit geboren, einer Art unheilbarer Schuppenflechte. Neben ihrer Armut hat sie zusätzlich mit sozialer Ausgrenzung zu kämpfen. Sobald sie ihr Dorf verlässt, in dem sie alle von klein auf kennen, wird sie angestarrt und diskriminiert. Von vielen Menschen in ihrer Region wird sie als „hässlich“ eingestuft, auch deshalb hat sie nie geheiratet und keine Kinder.
Ich habe das große Glück, diese Frau kennenzulernen. Einen Menschen, der trotz eines solchen Schicksals, eine Stärke besitzt, wie ich sie selten in meinem Leben gesehen habe.
Die Frau hat es seit Projektbeginn vor zwei Jahren geschafft, sich aus der extremen Armut heraus zu kämpfen. Neben Ziegen und Hühnern, hat sie heute bereits die dritte Kuh gewinnbringend verkauft und mit dem Kuhdung, wickelt sie Stäbe, die sie im Dorf als Feuermaterial verkauft. Zudem hat sie ein kleines Gemüsebeet zur Selbstversorgung, wodurch sie ihre vorher einseitige Ernährung vitaminreich ergänzen kann. Von dem so erzielten Einkommen hat sie ihr Haus reparieren lassen und sich Kochutensilien gekauft. Zudem kann sie sich jetzt eine Behandlung ihrer Haut leisten, die zwar keine Heilung ermöglicht, aber den ständigen Juckreiz zumindest lindert. Ich bin beeindruckt wie sie uns mit ihrem strahlenden Lächeln erzählt, was sie alles erreicht hat. Dann führt sie uns stolz ihren neuen Sari vor, den sie eben von dem Gewinn, den sie durch den Verkauf der Kuh erzielt hat, erstanden hat. In diesem Moment ist sie für mich der schönste Mensch der Welt. Ich fühle mich neben ihr unscheinbar und unwichtig. Nicht ich stehe an diesem Tag im Mittelpunkt, sondern eine Frau, die es auf beeindruckende Weise geschafft hat, sich ein besseres Leben zu schaffen.
Als ein gemeinsames Foto von uns gemacht wird, merke ich aber, dass auch sie dankbar ist, ob meiner Anwesenheit. Auch sie ist froh einmal nicht alleine angestarrt zu werden. Da ist diese Ausländerin mit der hellen Haut, die anders ist, wenn auch auf ganz andere Weise. Und für einen ganz kurzen Moment Teilen wir uns die Aufmerksamkeit. Wir stehen gemeinsam im Mittelpunkt und bedanken uns mit einem Lächeln beieinander.