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Alltag und Alltagsleben

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Dieser Geruch... Er erinnert mich an etwas... Ich atme die kühle Luft ein. Verbranntes Holz. Ich muss überlegen. Ach ja. Bangladesch. Putimari. Es ist 6:30 Uhr morgens und ich liege in meinem Bett. Der Geruch ist das bereits brennende Feuer im Hof, auf dem mein Frühstück vorbereitet wird. Ich stehe auf. Ich trage bereits einen Pullover. Der Oktober endet frisch. Ich begebe mich nach draußen und begrüße meine fleißige Köchin. Bereits seit einer Stunde hackt sie Holz und bereitet das Essen für den Tag vor.

Für mich geht es heute mit meinen Kollegen aus dem Bildungsprogramm und einem Doktor zum Nachbardorf. Dort wird für die Kinder von fünf durch NETZ unterstützte Schulen ein "Gesundheits- Camp" veranstaltet. Im Klartext heißt das, die Kinder werden untersucht und sie bekommen kostenlos Medikamente verabreicht. Ich bin gespannt, wie die Gesundheitssituation der 8- bis 13-Jährigen aussieht.

Kurz nach 9 geht es los. Ich fahre mit einem Mitarbeiter von USS per bhan (einem Rikscha- ähnlichen Gefährt) zirka 30 Minuten durch Felder und kleinere Dörfer. Überall grüßen wir Bewohner und ich muss öfters als ein Mal erzählen, wer ich bin und was ich in Bangladesch mache. Einige Situationen empfinde ich nach wie vor als sehr befremdlich. Als wir kurz anhalten, um einen cha (Tee) zu trinken, treffen wir auf ein Mann, der ein paar Wörter Englisch spricht. Er informiert mich freundlicher Weise, dass Bangladesch ein sehr armes Land ist. Er zeigt auf die Menschenmenge, die sich um mich versammelt hat. "Sie sind sehr arm", wiederholt er. "Du bist reich. Dein Land ist reich. Hilf uns!", fordert er mich auf. "Gib uns Geld!" Darauf weiß ich nichts zu erwidern. Im Gegenteil, ich bin erstaunt über die Art und Weise, auf die er mich wahrnimmt. Auch wenn mir diese durchaus bewusst ist, in solchen Situationen bin ich immer wieder baff. Mein Kollege rettet mich indirekt, denn wir müssen weiterfahren.

Nur kurze Zeit später erreichen wir die Schule. Vier Wellblechstücke und ein Dach ebenfalls aus Wellblech formen das aus einem Raum bestehende Schulgebäude. Innen warten bereits die 19 Mädchen der Klasse. Die 11 Jungen spielen nebenan auf dem freien Platz Fußball. Heute findet keine Schule statt. Alle bereiten sich auf den Arztbesuch vor und auch die Schüler der anderen Schulen treffen langsam ein. Ich werde dabei sehr bestaunt, doch finden sich einige aufgeweckte Mädchen unter den Kindern. Sie wünschen sich, dass ich ein Lied singe. Ich willige ein, unter der Bedingung, dass sie zuerst etwas vorführen. So bekomme ich einen bengalischen Tanz zu sehen, zu dem alle anwesenden Kinder begeistert mitsingen und mit klatschen. Ich bin immer wieder erstaunt über die Motivation der Kinder und lasse mich zum mit klatschen hinreißen. Danach bin ich an der Reihe. Auf das Tanzen verzichte ich allerdings, gebe mir jedoch beste Mühe mit meinem Liedchen. Die Kinder freut es und ich bekomme nach Beendigung kräftigen Applaus.

Als der Doktor eintrifft, herrscht großes Gedränge. Jeder will zuerst untersucht werden. Bis sich aus der großen Anzahl von Kindern eine Reihe formt, dauert es ein kleines Weilchen. Doch zu guter Letzt beruhigt sich die Lage wieder und es kann losgehen. Als aller erstes setzt sich ein kleiner Junge auf den Hocker neben dem Arzt. Er erzählt ihm, was er in letzter Zeit für Krankheiten gehabt hat.

Die meisten Kinder der Dörfer haben keinen Zugang zu Ärzten und die Eltern sind zu arm, um einen Arzt zu bezahlen. Auch die Medikamente kann sich kaum einer leisten. Deshalb organisiert USS jedes halbe Jahr ein "Gesundheits- Camp", mit dem zumindest die ärztliche Grundversorgung gewährleistet werden kann.

Der Arzt schaut dem Jungen in den Hals, die Ohren und Augen. Er misst seine Temperatur und fühlt seinen Ernährungszustand. Schließlich notiert er Medikamente und Einnahmedosis auf einem Zettel und der nächste darf auf dem Hocker Platz nehmen. So geht es Kind für Kind weiter. Ich stelle fest, dass ungefähr jedes zweite eine Krankheit hat. Das reicht von einer Infektion bis hin zu Würmern im Darmtrakt. Auch Hautkrankheiten sehe ich oft. Leicht verschämt ziehen die Jungen und Mädchen ihre T-Shirts hoch und offenbaren eitrige Wunden oder Hautinfektionen. Der anderen "gesunden" Hälfte der Kinder werden Vitamintabletten gegeben, denn ihr Ernährungszustand ist trotzdem sehr schlecht. Sie sind dünn und teilweise unterernährt, da den Reismahlzeiten einfach wichtige Nährstoffe fehlen.

Ich bin schockiert, mit was die Kinder täglich zu kämpfen haben. Während ich in Deutschland bei jeder kleinen Erkältung einen Arzt aufsuchen könnte, muss man hier damit alltäglich leben und die Krankheiten aushalten anstatt sie zu behandeln.

Auch das letzte Kind ist versorgt und unsere Medikamente gehen zur Neige. Zum Schluss begeben sich noch die Lehrkräfte auf den Hocker und auch ihnen werden nach der Untersuchung Medikamente verordnet.

Da der Tag schon weiter fortgeschritten ist, machen meine Kollegen und ich uns auf, zurück ins USS-Büro. Das ganze "Gesundheits- Camp" war sehr erfolgreich und es fühlt sich gut an, Hilfe zu leisten, die direkt und sofort bei den Kindern ankommt. Morgen wird ein weiteres Camp für andere Schulen stattfinden, so dass am Ende alle 40 von NETZ unterstützten Grundschulen von einem Arzt besucht wurden.

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