Startseite
Jetzt spenden

1,5 Liter echter Luxus

Dverses_112.jpg

Frische Kuhmilch war in meinem ersten Monat in Dhaka unerreichbar. Stattdessen habe ich meinen Tee mit zuckersüßer, klebriger Dosenmilch zubereitet, die gelb und zähflüssig vom Löffel tropft. Die Milch aus eingeschweißten Plastiktüten, die wir für viel Geld im Supermarkt gekauft haben, sah äußerlich mehr nach Kuh aus. Aber der bengalische Manager unseres Gasthauses hat uns entsetzt beim Trinken beobachtet und dann eine längere Rede über Kuhfütterung mit giftgem Lederstaub, Hygienestandards und Gesundheitrisiken gehalten.

Als ich in meinem Projektgebiet in Joypurhat angekommen bin, habe ich von frischer Kuhmilch gehört. Ich hab die Milch in großen Eisenkesseln neben Teeständen kochen sehen. Manchmal bin ich zu einem Tee mit echter Milch eingeladen worden, etwas besonders Gutes. Ich gehe in Joypurhat nicht im Supermarkt einkaufen. Auf dem Markt gibt es aber auch eine Gemüseabteilung, eine Reisabteilung, eine Fischabteilung. Das Milchregal habe ich nie gefunden.

Erst im November hat mir Hira, die kleine Tochter von meiner Kollegin, gezeigt, wie Milch kaufen geht.Wir haben eine leere Wasserflasche mit heißem Wasser ausgewaschen und sind losgezogen. Zum Markt braucht man nur fünf Minuten, aber die Milchmänner sind am hintersten Ende versteckt. Ohne Hira hätte ich sie nicht bemerkt. Sie kommen immer zwischen vier und fünf - vor der Dämmerung - auf den Markt. Die Milchmänner sind ältere Männer, die auf dem Boden zusammenhocken. Jeder hat zwei, drei Liter Milch in einer Plastikkanne dabei. Ein alter Mann, ein orangenes Tuch kunstvoll um den Kopf gewickelt, verkauft mir seine 1,5 Liter für 60 Taka. Das ist eine große Menge, aber ich habe im Gegensatz zu den meisten Leuten einen Kühlschrank im Büro und kann die Milch aufbewahren. Im Vergleich zu anderen Lebensmitteln ist sie teuer, ein kleiner Luxus. Weil die Hände des alten Milchmanns so zittern, fülle ich die schöne, weiße Milch selbst in meine Plastikflasche. Sie riecht gut nach Kuh, ich bilde mir ein, dass sie sogar noch ein bisschen warm ist. Ich bin glücklich. Ich koche jetzt Reisbrei.

Mehr BeiträgeAlle Beiträge

Ihre Spende kommt an.

Alle Projekte ansehen
Jetzt spenden

Sichere SSL-Verbindung