Startseite
Jetzt spenden

Kommentar von Dr. Samina Luthfa Haben die Verantwortlichen Bangladeschs Frauen im Stich gelassen?

Dr. Samina Luthfa

Anlässlich des Internationalen Frauentags veranstalteten NETZ und das Attac-FLINTA*-Plenum am 13. März ein Webinar zur aktuellen Situation von Frauen in Bangladesch. Dr. Samina Luthfa, die sich seit Jahren mit geschlechterpolitischen Fragen im Land befasst, sprach über strukturelle Hürden, wirtschaftliche Benachteiligung und geschlechtsspezifische Gewalt. In diesem Kommentar analysiert sie, warum Gewalt gegen Frauen in Bangladesch trotz ihrer wichtigen Rolle beim politischen Wandel aktuell stark ansteigt.


Das Motto des diesjährigen Internationalen Frauentags lautet: Rechte, Gleichstellung und Empowerment für alle Frauen und Mädchen verwirklichen. Dies ist ein wichtiger und notwendiger Aufruf. Wenn wir dieses Ziel erreichen wollen, müssen wir uns in Bangladesch jedoch eine einfache Frage stellen: Warum sind unsere Frauen immer noch Unterdrückung, Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt, obwohl wir seit Jahrzehnten Frauen in den höchsten politischen Führungspositionen des Landes haben?

Die Realität sieht so aus, dass Frauen zwar seit vielen Jahren Führungspositionen innehaben, ihre Politik aber nicht unbedingt für Frauen gemacht ist. Sie waren Teil einer zutiefst patriarchalischen politischen Struktur, die auf Aggression und der Unterdrückung von Andersdenkenden beruht. Die von ihnen praktizierte Politik bestand nicht darin, diese Strukturen zu verändern, sondern vielmehr darin, innerhalb dieser Strukturen zu agieren, und zwar oft auf eine Weise, die genau die Systeme stärkt, die Frauen an den Rand drängen. Sie wurden nicht als unabhängige politische Persönlichkeiten, sondern in Bezug zu ihren männlichen Familienmitgliedern – Vater, Ehemann oder andere männliche Verwandte, die einst an der Macht waren – bewertet. Eine Frau im höchsten Amt führt nicht automatisch zur Gleichstellung der Geschlechter und gewährleistet auch nicht die Rechte oder die Stärkung aller Frauen.

Echte Stärkung erfordert eine grundlegende Umstrukturierung der Macht selbst, bei der Frauen nicht nur an der Politik teilnehmen, sondern auch Entscheidungspositionen übernehmen können, die die Regierungsführung, die Politikgestaltung und die Richtung, in die sich das Land bewegt, beeinflussen. Die Teilnahme allein reicht nicht aus. Frauen müssen die Autorität haben, zu führen, Entscheidungen zu treffen und die Strukturen zu gestalten, die die Gesellschaft regieren. Ohne dies bleibt ihre Präsenz in Führungspositionen weitgehend symbolisch.

Doch schon bevor sie diese Führungspositionen erreichen, sehen sich Frauen in Bangladesch mit tiefgreifenden strukturellen Hindernissen konfrontiert. Frauen, die in diesen Bereich vordringen, sehen sich oft gezwungen, sich an die festgelegten Regeln zu halten, die oft inoffiziell auferlegt werden. Und wenn sie versuchen, sie zu ändern, sehen sie sich mit Gegenreaktionen konfrontiert. Das politische System ist trotz der Tatsache, dass es seit vielen Jahren Frauen an der Spitze hat, in seinen Normen, Erwartungen und informellen Regeln nach wie vor von Männern dominiert.

Auch wirtschaftlich sind Frauen weiterhin benachteiligt. Eine politische Karriere erfordert Ressourcen – Geld, ein Netzwerk, Einfluss. Aber Frauen haben oft nicht die volle Kontrolle über ihr Einkommen, selbst wenn sie Geld verdienen. Ihre Erbrechte sind nach wie vor ungleich verteilt und ihre finanzielle Abhängigkeit von männlichen Verwandten schränkt ihre Fähigkeit ein, in der Politik unabhängig zu agieren. Im Index zur Gleichstellung der Geschlechter (Gender Parity Index) von 2024 belegt Bangladesch in Bezug auf die wirtschaftliche Gleichstellung weiterhin einen niedrigen Rang. Die Erwerbsbeteiligung von Frauen stagniert oder ist sogar rückläufig, und die Einkommenskluft zwischen Männern und Frauen hat sich deutlich vergrößert. Diese wirtschaftliche Ungleichheit wirkt sich direkt auf die politische Teilhabe aus. Wenn Frauen keine finanzielle Unabhängigkeit haben, wie können sie sich dann in der Politik behaupten? Wie können sie Kampagnen finanzieren, Netzwerke aufbauen oder Führungsrollen übernehmen? In der Politik geht es letztendlich um Ressourcen. Und wenn die Ressourcen in den Händen von Männern konzentriert sind, dann gilt das auch für die Macht.

Dies bringt uns zur Frage der Sicherheit. Warum ist es uns trotz jahrzehntelanger Machtausübung von Frauen nicht gelungen, grundlegende Sicherheit für Frauen zu gewährleisten? Die Antwort liegt in den tieferen kulturellen Strukturen, die unsere Gesellschaft prägen. Frauen werden immer noch durch eine patriarchalische Brille wahrgenommen, entweder als Besitz oder als Objekt der Begierde. Dies schafft zwei Realitäten gleichzeitig: Frauen werden als etwas angesehen, das Männern gehört, ähnlich wie ein Stück Land oder Eigentum, und gleichzeitig werden sie auf eine Weise objektiviert, die sie anfällig für Gewalt macht. Wenn eine Frau sexuell belästigt oder angegriffen wird, wird die Schuld daher oft ihr und nicht dem Täter zugeschoben. Das System schützt sie nicht und arbeitet in vielen Fällen aktiv gegen sie. Aus diesem Grund scheint geschlechtsspezifische Gewalt nie abzunehmen. Dabei geht es nicht nur um Strafverfolgung oder Regierungsführung, sondern darum, wie die Gesellschaft die Rollen und Rechte von Frauen gestaltet.

Dies bringt mich zu einem Thema, das mir besonders nach den Aufständen im Juli sehr am Herzen liegt. In den letzten Monaten haben wir einen sichtbaren Anstieg der Frauenfeindlichkeit erlebt, nicht nur in Einzelfällen, sondern auf breiter Ebene. Und ich glaube nicht, dass dies ein Zufall ist. Während der Aufstände haben Frauen nicht nur teilgenommen, sondern sie angeführt. Sie haben sich mit politischem Handeln behauptet und Führungsrollen übernommen, was den Status quo ins Wanken brachte. Zu Beginn wurden Frauen, wie in vielen politischen Bewegungen, strategisch an vorderster Front eingesetzt – entweder um die Aufmerksamkeit der Medien zu erregen, als Schutzbarriere gegen Polizeigewalt oder um die moralische Legitimität der Proteste zu symbolisieren. Doch mit dem Anwachsen der Bewegung waren Frauen nicht mehr nur Teilnehmerinnen, sondern wurden zu Entscheidungsträgerinnen, Organisatorinnen und eigenständigen Führungspersönlichkeiten. Und das hat die bestehende politische Struktur in Angst und Schrecken versetzt.


Dr. Samina Luthfa ist Expertin für sozialen Bewegungen und Umweltgerechtigkeit und setzt sich seit vielen Jahren mit den Lebensrealitäten von Frauen in Bangladesch auseinander. Sie hat unter anderem zur Situation weiblicher Beschäftigter in der Textilindustrie nach dem Einsturz des Rana Plaza geforscht. Neben ihrer akademischen Arbeit engagiert sie sich gemeinsam mit lokalen Gemeinschaften und NGOs für soziale Gerechtigkeit, Arbeitsrechte und ökologische Nachhaltigkeit.

Die geäußerten Ansichten spiegeln die Meinung der Autorin wider.

Dieser Artikel erschien im Englischen Original am 08.03.2025 in der Zeitung "The Daily Star".

Mehr BeiträgeAlle Beiträge

Ihre Spende kommt an.

mehr erfahren

Betrag wählen

Sichere
SSL-Verbindung

Mit 41 € ermöglichen Sie...

einem Mädchen die Teilnahme an einem mehrtägigen Selbstverteidigungskurs

Mit 58 € fördern Sie

... den Einsatz einer Menschenrechtsaktivistin für zwölf Monate.

Schülerinnen der Menschenrechts-AG

Mit 500 € fördern Sie ein Jahr lang...

eine Menschenrechts-AG an einer Schule, die sich für Frauenrechte und gegen Kinder-Ehen einsetzt.