Meghna Guhatakurta zu Gast Besuchsreise: Menschenrechte on Tour
Wie vielfältig das Thema Menschenrechte ist und wie es uns alle betrifft hat die NETZ-Tour mit der Professorin, Aktivistin und NGO-Leiterin Meghna Guhatakurta aus Bangladesch im September/Oktober gezeigt. Im Rahmen der Tour haben Hunderte Menschen zusammen diskutiert, Vorträge verfolgt oder auch gemeinsam gekocht und dabei viel Wissenswertes über die Menschenrechtslage in Bangladesch, Südasien und dem globalen Süden gelernt. Und nicht nur das – denn im Fokus stand immer auch die Frage, was wir selbst zu mehr globaler Gerechtigkeit beitragen können.
Besuch im Rathaus – Geschichten von Flucht und Vertreibung
Zum Auftakt hat die Bürgermeisterin der Stadt Heidelberg, Stefanie Jansen, Menschenrechtlerin Meghna Guhathakurta empfangen. Am 20. September kam der Gast aus Bangladesch im Rathaus mit der Dezernentin für Soziales, Bildung, Familie und Chancengleichheit zusammen. Und beide Frauen hatten sich viel zu sagen: Heidelberg ist ein Ankunftszentrum für Geflüchtete für ganz Baden-Württemberg und man ist dabei, einen Ankunftsbezirk für Geflüchtete aufzubauen. Ganz viel Willen und Fähigkeiten zur Aufnahme Geflüchteter bewies auch Bangladesch, als es 2017 innerhalb eines halben Jahres gut 700.000 geflüchtete Rohingya aus dem benachbarten Myanmar aufnahm. Was Jansen und Guhatakurta in Deutschland und Bangladesch erlebten, beschrieben sie einander ähnlich: überforderte Aufnahmegemeinschaften, die in Abwehrhaltung gingen und die Notwendigkeit eines langfristigen Ansatzes, der den Geflüchteten und ihren Kindern eine Chance bietet.
Lernen mal anders: interessierte Jugendliche
Sehr großes Interesse an den Berichten der Menschenrechtlerin aus Bangladesch hatte die junge Generation. Meghna Guhatakurta war im Rahmen der Tour an drei Schulen zu Gast. Neben dem St. Ursula Gymnasium in Freiburg (22. September) und der Hugo-Eckner-Schule in Friedrichshafen (25. September) hat NETZ eine Veranstaltung mit der Goetheschule Wetzlar organisiert. 60 Schüler*innen haben sich eingangs beim Quiz zum Thema Gleichberechtigung versucht und danach gespannt die Präsentation zur Arbeit von Guhatakurtas NGO Research Initiatives Bangladesh verfolgt. So bekamen sie erste Eindrücke davon, wie Mechanismen der Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen funktionieren (etwa, indem landwirtschaftliche Tagelöhnerinnen mitunter deutlich weniger Lohn für die gleiche Arbeit auf dem Feld erhalten) oder welche fatalen Folgen Kinderehen haben.
Dabei ließen sich die Schüler*innen nicht nur etwas erzählen, sie fragten auch immer wieder interessiert nach: Wie blicken Väter auf die Verheiratung ihrer minderjährigen Töchter? Wie ist die Lage von Arbeiter*innen in der Textilindustrie? Oder auch: Wie funktioniert der Internetzugang in Bangladesch, was sind die Unterschiede zwischen Stadt und Land? Meghna Guhatakurta konnte reichlich Antworten geben, denn sie ist nicht nur Forscherin und war als Dozentin tätig, sie ist auch eine kritische Beobachterin der Gesellschaft ihres Landes. “Fast alle Menschen haben ein Smartphone”, erklärte sie den Jugendlichen der Goetheschule. “Der Internetzugang ist gut und wird genutzt, soziale Medien vor allem von jungen Leuten”. Guhatakurta sprach dabei auch über, neue Herausforderungen wie die zunehmende sexuelle Belästigung, besonders gegenüber Frauen. Wobei es nicht nur Negatives zu berichten gab. Denn, wie der Gast aus Südasien klarmachte, gibt es viele engagierte Menschen, die sich für das Empowerment benachteiligter Menschen und das Recht auf Informationsfreiheit starkmachen. Dieses kann zum Beispiel zur Stärkung von Frauen beitragen. So entwickelte sich ein kleines Interview mit begeisterten Schüler*innen, die Fragen stellten:
Schüler*in: Haben Gesetze, die zur Gleichstellung und Fairness zwischen den Geschlechtern dienen, überhaupt einen sichtbaren Einfluss in der Gesellschaft?
Meghna Guhatakurta: Nur weil ein Gesetz beschlossen wurde, heißt dies leider noch nicht, dass dieses auch direkt von der Gesellschaft angenommen oder umgesetzt wird. Besonders, wenn es um die Stärkung der Frau geht, denn Männer sind nach wie vor sehr dominant in der Gesellschaft. Es kann sehr lange dauern, bis sich Maßstäbe, die in der Gesellschaft unabhängig von der Gesetzgebung bestehen, ändern.
Schüler*in: Inwiefern hat sich die Corona-Pandemie negativ auf die Gesellschaft und Familien in Bangladesch ausgewirkt?
Meghna Guhatakurta: Corona hat das Konfliktpotenzial und die latent aggressive Stimmung sowohl in der Gesellschaft an sich als auch in den einzelnen Familien erhöht. Außerdem stieg die Anzahl an Missbrauchsfällen und Übergriffen auf Mädchen und jungen Frauen stark an, ebenso wie die Zahl der Kinderehen.
Schüler*in: Gibt es in der momentanen Situation auch Frauen, die sich in der Politik engagieren und wenn ja, wie schwer ist es für eine Frau in der Politik aktiv zu sein?
Meghna Guhatakurta: Ja die gibt es, jedoch ist es für Frauen im Allgemeinen sehr viel schwieriger als für Männer, sich politisch zu engagieren oder sich nur für ihre Rechte einzusetzen. Ihnen stehen dabei viele Hürden im Weg, die sie zuvor überwinden müssen. Von der eigenen Familie bis hin zum Politikbetrieb müssen sie sich ihren Stand und Akzeptanz erst erkämpfen, und sofern eine Frau keine Unterstützung durch ihre Familie erhält, ist es in den meisten Fällen nahezu unmöglich, sich politisch zu engagieren.
Wie arbeitet man eigentlich "für die Menschenrechte”?
Groß war das Interesse bei vielen Unterstützer*innen von NETZ, die sich privat oder im Rahmen ihres Einsatzes für Kirchengemeinden, Gruppen und Vereine engagieren. Im Rahmen der Tour traf Meghna Guhatakurta unter anderem bei Gesprächsabenden in Karlsruhe (21. September), Frankfurt (3. Oktober) und Wetzlar (6. Oktober) zahlreiche Interessierte, denen sie die Menschenrechtsarbeit von NETZ und Guhatakurtas Organisation Research Initiatives Bangladesh sowie Herausforderungen und Erfolge dabei verdeutlichte. In Karlsruhe erfuhren die Gäste in kleiner, familiärer Runde bei hausgemachtem Apfelsaft und Keksen anschauliche, anekdotische Erzählungen zu den Potenzialen und Grenzen des Menschenrechtsansatzes, bei dem Menschenrechtsverteidiger*innen in lokalen Gemeinschaften trainiert und gestärkt werden, die wiederum andere Bewohner*innen erreichen.
Zur Abendveranstaltung mit der Gemeinde St. Anna und dem Ausschuss Eine Welt in Frankfurt berichtete zunächst Gast Oswald Bellinger von seinem sechswöchigen Einsatz in einem Krankenhaus in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka. Er schilderte persönliche Eindrücke zur Situation von Frauen in Bangladesch, Woraufhin Meghna Guhatakurta ebenfalls den Ansatz zur Stärkung der Menschenrechte beschrieb: "Die Menschen selbst stehen im Fokus”, sagte sie. “Sie sind es, die am Anfang von Projekten befragt werden. Sie benennen Probleme und skizzieren, wie Lösungen aussehen könnten.
Kulinarisch spannend ging es dann beim gemeinsamen Abendessen mit dem Weltladen Wetzlar im Gertrudishaus zu. Bei bengalischem Essen kamen Teilnehmer*innen aus fünf verschiedenen Nationen zusammen. Danach gab es eine lehrreiche Frage- und Diskussionsrunde zu den Themen Menschenrechte, Klimawandel und Grundbildung in Bangladesch. Die Stimmung war locker und die Teilnehmer*innen nahmen viele Eindrücke mit nach Hause. So stellte ein Gast fest: “Ich habe noch nie in so kurzer Zeit so viel über ein Land gelernt wie heute Abend.”