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Die Müll-Frage

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Es ist erstaunlich, woran man sich gewöhnen kann. Während ich anfangs in Dhaka noch Ewigkeiten brauchte, um eine große Straße zu überqueren, strecke ich jetzt selbstbewusst den Arm aus und sehe die passenden Lücken. Eine Busfahrt über Land samt Überholmanöver? Irgendwie ist dieses Geschaukel inzwischen ganz schön beruhigend. Eine Kakerlake, die gemütlich über mein Bett krabbelt? Lass sie doch ihre Wege gehen!

Da stehe ich also in meiner neuen Wohnung und frage mich, wo ich die Essensreste, Taschentücher und Verpackungen hinbringen soll. Einen Mülleimer hab ich nicht. Wäre irgendwie auch zu nervig, da er, sobald etwas Essbares drin ist, alle Ameisen dieser Welt anlocken würde. Also sammle ich meinen Müll gleich in einer Plastiktüte. Ich überlege. Wie war das die letzten zwei Monate? Da wurde der Müll, den ich vor die Tür gestellt hatte, meist abgeholt. Er war am nächsten Tag jedenfalls immer verschwunden.

So einen Service gibt es in meinem neuen Haus aber nicht. Ich nehme also meine Mülltüte und gehe nach unten zur Eingangstür. Dort arbeiten einige Handwerker und die können mir bestimmt weiterhelfen. Unten angekommen frage ich: "Ami kothae moyla jinish anbo?" - Wo werde ich meinen Müll hinbringen? Hoffe ich zumindest zu sagen. Ich ernte verdutzte und fragende Blicke. Vielleicht habe ich das falsche Wort für Müll rausgesucht? Oder meine Aussprache ist mal wieder völlig daneben. Ich zeige auf die Tüte und versuche es mit "rubbish, trash kothae" (wo ist der Müll)? "Ah ribiiish", sagt endlich einer der Handwerker. Er schaut mich immer noch ein wenig verdutzt an, nimmt mir aber schließlich die Mülltüte aus der Hand und geht los. Ich folge ihm, schließlich will ich ja wissen, wohin ich in Zukunft meinen Müll bringen werde. Der Weg ist nicht weit. Eigentlich überqueren wir nur die Hauptstraße, welche an meinem Haus vorbeiführt. An der anderen Straßenseite angekommen, schmeißt er meinen Müll an eine Mauer, schaut mich mit einem Lächeln an. Ich erwidere ebenso freundlich "thick ache" (okay), bedanke mich und gehe wieder ins Haus. Ja, so einfach ist das also.

Meinen Müll werde ich in Zukunft wohl am gegenüberliegenden Straßenrand los. Da mir in Deutschland aber stets eine Müllentsorgung in Containern (getrennt versteht sich) beigebracht wurde, komme ich mir immer vor, als würde ich etwas Verbotenes tun. Wie kann man seinen Müll auch auf die Straße werfen? Ich bringe meinen Müll jetzt nur noch in der Abenddämmerung raus, in der Hoffnung, nicht gesehen zu werden. Richtig gangsterhaft komme ich mir vor. Obwohl ich ja gar nichts Verbotenes tue.

Ich hab auch mal die anderen Freiwilligen gefragt. Der eine wirft seinen Müll über eine Mauer hinter seinem Haus. Der Müll einer anderen wurde immer im Hausflur abgeholt, bis sie ihn dann auch am Straßenrand wiederentdeckt hat. Jetzt bringt sie ihn dort auch eigenständig hin. Über das Thema Müll und Müllversorgung habe ich mir in Deutschland definitiv nicht so viele Gedanken gemacht. Sie hat ja auch funktioniert. Müll in die Tonne und zack - er war nie wieder gesehen. In Bangladesch wird mir erstmals richtig bewusst, wie viel Müll ich selber produziere, da ich ihn ja noch einige Tage am Straßenrand bewundern darf. Ich versuche jetzt, meinen Müll drastisch zu reduzieren. Schon allein, damit ich nicht so oft und viel im Dunkeln entsorgen muss.

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