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Ein Gespräch über Korruption in Entwicklungsprojekten Ohne Bestechung geht es nicht – oder?

Habib Portrait 2020

Im Gespräch: Habibur Rahman Chowdhury

NETZ: Berichten von Transparen­cy International zufolge schöp­fen staatliche Behörden in Bangla­desch einen Teil der ausländischen Gelder für Entwicklungszusam­menarbeit ab. Wie sieht es bei NETZ aus?

Habibur Rahman Chowdhury: NETZ zahlt keinerlei Geld an Be­hörden, außer es handelt sich um offizielle Gebühren. Diese fallen vor allem für die staatliche Regis­trierung als internationale Orga­nisation an. Bestechungsgelder zahlen wir in keinem Fall. Wir ha­ben eine klare Politik, was das be­trifft. Das gilt auch für alle Mit­arbeiter in unserem NETZ-Team. Ich nehme das sehr ernst und ste­he persönlich mit meinem Namen dafür ein. Wir können diese Pra­xis natürlich nicht in ganz Bang­ladesch stoppen, aber in unserem Einflussbereich können wir Kor­ruption verhindern. Ein einfacher Mechanismus, um Intransparenz zu vermeiden, ist die Darstellung der Arbeit, die wir leisten. Darum lade ich ein, die von NETZ unter­stützen Projekte anzuschauen und andere Menschen davon zu über­zeugen.

NETZ: Was ist mit lokalen Eliten, Beamten und Politikern auf der Gemeinde- und Dorfebene? Kor­ruption gilt hier als sehr gängig und die genannten Gruppen ha­ben viele Möglichkeiten, ihre Inte­ressen durchzusetzen.

Chowdhury: Diese Gruppen wol­len ihren Einfluss auf verschiedene Art geltend machen. Beispielswei­se gibt es öfter Forderungen nach Bestechungsgeldern an uns und unsere Partnerorganisationen. Je­des Projekt müssen unsere Partner von den staatlichen Behörden ge­nehmigen lassen. Wir haben unse­ren Partner-NGOs gegenüber eine eindeutige Position: es darf keine Bestechung gezahlt werden. Dass dies in gar keinem Fall passiert, ist nur schwer nachzuprüfen. Wir können nicht jeden Finanztransfer unserer Partner in all ihren Projek­ten nachvollziehen. Aber wir ha­ben ein Auge darauf, dass zumin­dest kein Geld genutzt wird, das für unsere Projekte bestimmt ist. Mit unserem umfangreichen Fi­nanzkontroll-System können wir das genau überprüfen.

NETZ: Machen die Partner mit?

Chowdhury: Wir versuchen Kor­ruption von Anfang an zu be­kämpfen, also schon bei der Aus­wahl unserer Partner. Wir suchen transparente Organisationen mit einem guten Management. Es ist nicht einfach, gute Partner zu fin­den. Aber wir müssen wählerisch sein. Dieser Auswahlprozess kann schon mal zwei Jahre dauern. Wir suchen Partner, die fest in den Pro­jektregionen verwurzelt sind. Für die lokalen Eliten ist es nicht ein­fach, Druck auf solche NGOs aus­zuüben.

NETZ: Wie sieht es mit Tieren aus, die im Rahmen von Projekten an­geschafft werden, wie zum Bei­spiel Kühe oder Ziegen? Haben die Händler Mechanismen und Kon­takte, um von solchen Investitio­nen zu profitieren?

Chowdhury: Manchmal versu­chen Gewerbetreibende Kartelle zu schaffen, etwa auf Viehmärk­ten. Wenn bekannt wird, dass Pro­jektteilnehmerinnen Kühe oder Ziegen kaufen wollen, probieren die Händler, die Preise hochzutrei­ben. Wenn diese offensichtlich zu hoch sind, ändern wir die Strate­gie und kaufen Kühe beispielswei­se auf anderen Märkten oder von Privatpersonen. Die Händler mer­ken schnell, dass sie ihr Spiel nicht mit unseren Projektteilnehmerin­nen spielen können. Wir versu­chen, viele Dorfbewohner zu in­volvieren. So wächst Bewusstsein.

NETZ: Abgesehen davon gibt es aber Korruption in Verbindung mit staatlichen sozialen Siche­rungsprogrammen.

Chowdhury: Die von uns unter­stützten Frauengruppen versu­chen Zugang zu verschiedenen staatlichen Versorgungsprogram­men zu bekommen. Wenn sie nicht geeint sind, gehen die­se Leistungen oft an ihnen vor­bei, obwohl sie anspruchsberech­tigt sind. Wenn eine Frau alleine einen Antrag stellt, etwa auf Wit­wengeld oder Lebensmittelkarten, dann zählt sie für den Beamten nicht. Er kann die Hand aufhal­ten, um die Frau in ein Programm aufzunehmen. Wenn 200 Frauen vor seinem Büro aufkreuzen, dann sind sie bedeutend. Dann reagiert er anders. Das zeigt unsere Erfah­rung.

NETZ: Wie stellen Sie Transpa­renz und die adäquate Nutzung von Spenden sicher?

Chowdhury: NETZ sichert die Qualität der Projekte und hat ein umfangreiches Finanzkontroll- System etabliert. Wir überprüfen regelmäßig die Umsetzung der Projekte in den Dörfern und die Ergebnisse dieser Arbeit. Zudem kontrollieren wir, dass kein Geld veruntreut wird, vor allem durch externe Rechnungsprüfer und durch die monatliche Prüfung­der Ausgaben der Partnerorgani­sationen durch unsere NETZ-Fi­nanzexperten. Im Zweifel werden bei Anschaffungen die gängigen Marktpreise zum Zeitpunkt des Kaufs zurückverfolgt.

NETZ: Und wenn Korruptionsfälle bekannt werden?

Chowdhury: Wir ahnden diese unmittelbar. Wenn sich ein Mitar­beiter nachweislich bereichert hat, wird ihm gekündigt. Das gilt so­wohl für unsere Partner, als auch für NETZ. Wenn das Leitungsteam der Partnerorganisation betroffen ist, dann muss die Zusammenar­beit beendet werden. Wir haben uns schon von Partnern getrennt, wenn die Transparenz nicht mehr gewährleistet war. Es geht nicht darum, wie viel oder wie oft ver­untreut wurde, sondern um die Tatsache, dass es passiert ist.

NETZ: Inwieweit spielt Vettern­wirtschaft eine Rolle?

Chowdhury: Korruption hat vie­le Gesichter. Vetternwirtschaft ist in bangladeschischen NGOs nicht ungewöhnlich. Es kommt durch­aus vor, dass Verwandte von Mit­arbeitenden eingestellt werden, auch wenn sie schlechter qualifi­ziert sind. Für die von NETZ un­terstützten Projekte gibt es daher klare Vorgaben. Bewerber dürfen nicht eingestellt werden, wenn Verwandtschaftsverhältnisse zur Leitungsebene der Organisation bestehen. Aus diesem Grund ist NETZ auch bei Personalentschei­dungen für Projektmitarbeiter in­volviert.

NETZ: Welche Reaktionen bekom­men Sie auf diese klare Haltung?

Chowdhury: NETZ wird in sei­nem Kampf gegen Korruption sehr ernst genommen. Unsere Po­sition gilt als sehr außergewöhn­lich in unserem Land, doch wir be­kommen dafür viel Unterstützung von verschiedenen Seiten.

Das Gespräch führte Bernadette Kolb in Wetzlar. Übersetzung: Sven Wagner.

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