Ein Gespräch über Korruption in Entwicklungsprojekten Ohne Bestechung geht es nicht – oder?

Im Gespräch: Habibur Rahman Chowdhury
NETZ: Berichten von Transparency International zufolge schöpfen staatliche Behörden in Bangladesch einen Teil der ausländischen Gelder für Entwicklungszusammenarbeit ab. Wie sieht es bei NETZ aus?
Habibur Rahman Chowdhury: NETZ zahlt keinerlei Geld an Behörden, außer es handelt sich um offizielle Gebühren. Diese fallen vor allem für die staatliche Registrierung als internationale Organisation an. Bestechungsgelder zahlen wir in keinem Fall. Wir haben eine klare Politik, was das betrifft. Das gilt auch für alle Mitarbeiter in unserem NETZ-Team. Ich nehme das sehr ernst und stehe persönlich mit meinem Namen dafür ein. Wir können diese Praxis natürlich nicht in ganz Bangladesch stoppen, aber in unserem Einflussbereich können wir Korruption verhindern. Ein einfacher Mechanismus, um Intransparenz zu vermeiden, ist die Darstellung der Arbeit, die wir leisten. Darum lade ich ein, die von NETZ unterstützen Projekte anzuschauen und andere Menschen davon zu überzeugen.
NETZ: Was ist mit lokalen Eliten, Beamten und Politikern auf der Gemeinde- und Dorfebene? Korruption gilt hier als sehr gängig und die genannten Gruppen haben viele Möglichkeiten, ihre Interessen durchzusetzen.
Chowdhury: Diese Gruppen wollen ihren Einfluss auf verschiedene Art geltend machen. Beispielsweise gibt es öfter Forderungen nach Bestechungsgeldern an uns und unsere Partnerorganisationen. Jedes Projekt müssen unsere Partner von den staatlichen Behörden genehmigen lassen. Wir haben unseren Partner-NGOs gegenüber eine eindeutige Position: es darf keine Bestechung gezahlt werden. Dass dies in gar keinem Fall passiert, ist nur schwer nachzuprüfen. Wir können nicht jeden Finanztransfer unserer Partner in all ihren Projekten nachvollziehen. Aber wir haben ein Auge darauf, dass zumindest kein Geld genutzt wird, das für unsere Projekte bestimmt ist. Mit unserem umfangreichen Finanzkontroll-System können wir das genau überprüfen.
NETZ: Machen die Partner mit?
Chowdhury: Wir versuchen Korruption von Anfang an zu bekämpfen, also schon bei der Auswahl unserer Partner. Wir suchen transparente Organisationen mit einem guten Management. Es ist nicht einfach, gute Partner zu finden. Aber wir müssen wählerisch sein. Dieser Auswahlprozess kann schon mal zwei Jahre dauern. Wir suchen Partner, die fest in den Projektregionen verwurzelt sind. Für die lokalen Eliten ist es nicht einfach, Druck auf solche NGOs auszuüben.
NETZ: Wie sieht es mit Tieren aus, die im Rahmen von Projekten angeschafft werden, wie zum Beispiel Kühe oder Ziegen? Haben die Händler Mechanismen und Kontakte, um von solchen Investitionen zu profitieren?
Chowdhury: Manchmal versuchen Gewerbetreibende Kartelle zu schaffen, etwa auf Viehmärkten. Wenn bekannt wird, dass Projektteilnehmerinnen Kühe oder Ziegen kaufen wollen, probieren die Händler, die Preise hochzutreiben. Wenn diese offensichtlich zu hoch sind, ändern wir die Strategie und kaufen Kühe beispielsweise auf anderen Märkten oder von Privatpersonen. Die Händler merken schnell, dass sie ihr Spiel nicht mit unseren Projektteilnehmerinnen spielen können. Wir versuchen, viele Dorfbewohner zu involvieren. So wächst Bewusstsein.
NETZ: Abgesehen davon gibt es aber Korruption in Verbindung mit staatlichen sozialen Sicherungsprogrammen.
Chowdhury: Die von uns unterstützten Frauengruppen versuchen Zugang zu verschiedenen staatlichen Versorgungsprogrammen zu bekommen. Wenn sie nicht geeint sind, gehen diese Leistungen oft an ihnen vorbei, obwohl sie anspruchsberechtigt sind. Wenn eine Frau alleine einen Antrag stellt, etwa auf Witwengeld oder Lebensmittelkarten, dann zählt sie für den Beamten nicht. Er kann die Hand aufhalten, um die Frau in ein Programm aufzunehmen. Wenn 200 Frauen vor seinem Büro aufkreuzen, dann sind sie bedeutend. Dann reagiert er anders. Das zeigt unsere Erfahrung.
NETZ: Wie stellen Sie Transparenz und die adäquate Nutzung von Spenden sicher?
Chowdhury: NETZ sichert die Qualität der Projekte und hat ein umfangreiches Finanzkontroll- System etabliert. Wir überprüfen regelmäßig die Umsetzung der Projekte in den Dörfern und die Ergebnisse dieser Arbeit. Zudem kontrollieren wir, dass kein Geld veruntreut wird, vor allem durch externe Rechnungsprüfer und durch die monatliche Prüfungder Ausgaben der Partnerorganisationen durch unsere NETZ-Finanzexperten. Im Zweifel werden bei Anschaffungen die gängigen Marktpreise zum Zeitpunkt des Kaufs zurückverfolgt.
NETZ: Und wenn Korruptionsfälle bekannt werden?
Chowdhury: Wir ahnden diese unmittelbar. Wenn sich ein Mitarbeiter nachweislich bereichert hat, wird ihm gekündigt. Das gilt sowohl für unsere Partner, als auch für NETZ. Wenn das Leitungsteam der Partnerorganisation betroffen ist, dann muss die Zusammenarbeit beendet werden. Wir haben uns schon von Partnern getrennt, wenn die Transparenz nicht mehr gewährleistet war. Es geht nicht darum, wie viel oder wie oft veruntreut wurde, sondern um die Tatsache, dass es passiert ist.
NETZ: Inwieweit spielt Vetternwirtschaft eine Rolle?
Chowdhury: Korruption hat viele Gesichter. Vetternwirtschaft ist in bangladeschischen NGOs nicht ungewöhnlich. Es kommt durchaus vor, dass Verwandte von Mitarbeitenden eingestellt werden, auch wenn sie schlechter qualifiziert sind. Für die von NETZ unterstützten Projekte gibt es daher klare Vorgaben. Bewerber dürfen nicht eingestellt werden, wenn Verwandtschaftsverhältnisse zur Leitungsebene der Organisation bestehen. Aus diesem Grund ist NETZ auch bei Personalentscheidungen für Projektmitarbeiter involviert.
NETZ: Welche Reaktionen bekommen Sie auf diese klare Haltung?
Chowdhury: NETZ wird in seinem Kampf gegen Korruption sehr ernst genommen. Unsere Position gilt als sehr außergewöhnlich in unserem Land, doch wir bekommen dafür viel Unterstützung von verschiedenen Seiten.
Das Gespräch führte Bernadette Kolb in Wetzlar. Übersetzung: Sven Wagner.