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Kommentar von H.M. Nazmul Alam Dhaka und das Erdbeben: Gebaut auf Sand, Bestechung und blindem Vertrauen

Wenn Dhaka eine Person wäre, wäre die Stadt eine übermütige Fußgängerin, die bei Rot über die Straße geht – blind für Gefahren, immun gegen Konsequenzen und völlig davon überzeugt, dass LKWs rechtzeitig ausweichen werden. Aber die Natur glaubt nicht an Ausweichmanöver in letzter Sekunde. Die Natur erinnert Städte wie ein strenger Lehrer daran, dass Arroganz ihren Preis hat. Und Dhaka mit seinem Labyrinth aus Hochhäusern, seinem chaotischen Verkehr und seinen Menschen, die ihr Leben mit einer beneidenswerten Mischung aus Glückseligkeit und Sorglosigkeit leben, steht gefährlich am Rande einer seismischen Katastrophe.

Alle paar Monate spüren wir ein Beben. Einige lassen unsere Kaffeetassen wackeln, andere lassen unsere Fenster klappern, und bei einigen wenigen müssen wir sofort auf Facebook nachsehen, um dramatische Status-Updates darüber zu posten, wie wir „fast gestorben sind“. Doch so schnell, wie diese Diskussionen aufkommen, verflüchtigen sie sich auch wieder, wie ein Morgennebel, der unter der gleißenden Mittagssonne verdunstet. Schließlich sind wir ein zäher Haufen. Wir haben Jahrzehnte politischer Instabilität, unerbittlichen Verkehr, Überschwemmungen, die Straßen in Venedig verwandeln, und Stromausfälle, die Abendessen bei Kerzenschein zur täglichen Routine machen, überstanden. Sicherlich ist ein leichtes Beben unter unseren Füßen kein Grund zur Panik, oder?

Das wahre Wunder von Dhaka ist nicht nur seine Widerstandsfähigkeit, sondern auch seine Fähigkeit, drohendes Unheil zu ignorieren. Das Erdbeben in Nepal 2015 war ein Weckruf, aber in typischer Dhaka-Manier drückten wir auf die Schlummertaste und bauten wieder Hochhäuser auf Sand und Schlick. Rajdhani Unnayan Kartripakkha (RAJUK), unsere geschätzte Stadtplanungsbehörde, verteilt weiterhin Baugenehmigungen wie Bonbons auf einem Jahrmarkt, wobei sie sich oft genauso wenig um die strukturelle Integrität kümmert wie ein Straßenverkäufer von um Hygienestandards.

Experten haben aus ihren Elfenbeintürmen (die ironischerweise bei einem starken Erdbeben als erste einstürzen könnten) herausgeschrien, dass Dhaka auf einer aktiven Erdbebenzone liegt. Aber was sind schon Fakten angesichts von Immobiliengewinnen? Die Show muss weitergehen! Die Bauträger bauen weiter, die Beamten genehmigen weiter und die Bürger? Nun, wir leben weiter in einer Stadt, in der Straßen als Müllhalden dienen und öffentliche Parks vom Aussterben bedroht sind.

Man könnte annehmen, dass die Regierung angesichts all der Warnungen zumindest einen halbwegs durchdachten Plan für den Umgang mit einem Erdbeben großen Ausmaßes hat. Damit läge man halb richtig, denn der Plan ist in der Tat halbgar. Die offizielle Reaktionsstrategie ist ein schillerndes Beispiel für bürokratischen Optimismus. Sie umfasst Notfallübungen, die nur alle Jubeljahre durchgeführt werden und bei denen es in der Regel mehr Fototermine als tatsächliches Training gibt. Die Feuerwehr, die man nur loben kann, hat bereits jetzt Schwierigkeiten, brennende Gebäude im täglichen Verkehrschaos der Stadt zu erreichen; bei einem Erdbeben ist es wahrscheinlicher, dass die Retter selbst gerettet werden müssen.

Die Straßen, diese schmalen Adern des Chaos, werden innerhalb weniger Minuten unpassierbar sein. Einstürzende Gebäude, zerstörte Brücken und abgesackte U-Bahn-Schienen werden dafür sorgen, dass die Rettungsdienste so effektiv sind wie ein Regenschirm bei einem Tsunami. Und reden wir gar nicht erst von Krankenhäusern. Die meisten sind bereits mit der normalen täglichen Patientenanzahl überfordert. Was passiert, wenn Tausende unter Trümmern begraben sind und auf Hilfe warten, die niemals kommen wird?

Wir sollten nicht nur der Regierung die Schuld geben. Wir, die Einwohner*innen, haben unsere eigene bewundernswerte Apathie. Unsere Strategie zur Vorbereitung auf den Notfall besteht darin, religiöse Verse zu rezitieren und auf das Beste zu hoffen. Erdbebensicherheitstraining? Die meisten Menschen wissen nicht einmal, wo sich die Notausgänge in ihren eigenen Wohnhäusern befinden (Spoiler: Die meisten Gebäude haben keine). Tatsächlich würde man, wenn ein Erdbeben während der Hauptverkehrszeit zuschlagen würde, die halbe Stadt beim Live-Streaming der Katastrophe antreffen, während die andere Hälfte in den sozialen Medien darüber debattiert, ob dies eine Strafe für unsere Sünden ist.

Unsere Gebäude? Der Albtraum aller Statiker*innen. Gebaut mit der Finesse eines Kleinkindes, das Spielzeugklötze aufeinanderstapelt, würden viele Hochhäuser in Dhaka schneller einstürzen als die Versprechen von Politiker*innen. Und warum sollten sie nicht einstürzen? Wenn Bauunternehmer*innen Kosteneinsparungen über die Sicherheit stellen, wenn Inspektionen reine Formalitäten sind, die durch Bestechungsgelder geschmiert werden, und wenn Bewohner*innen Wohnungen mieten, ohne deren Sicherheit in Frage zu stellen, ist dies die natürliche Folge.

Was passiert, wenn Dhaka mit dem Unvermeidlichen konfrontiert wird? Stellen wir uns das einmal bildlich vor.

Es ist ein ganz normaler Nachmittag und in der Stadt herrscht wie immer reges Treiben. Plötzlich bebt der Boden. Zuerst denken die Menschen, es sei nur ein überladener Lastwagen, der vorbeifährt. Doch dann wird das Beben stärker. Gebäude zittern wie zerbrechliche Jenga-Türme. Die Glasfassade eines neu gebauten Einkaufszentrums zerspringt und Scherben regnen auf die verängstigten Passant*innen darunter. Die U-Bahn – unser Stolz, unsere Rettung vor dem Verkehr – entgleist und kracht auf ein Meer von Fahrzeugen, die im Stau stecken. Innerhalb weniger Minuten fällt der Strom aus, die Telefonleitungen sind tot und eine Stadt mit 20 Millionen Einwohner*innen stürzt ins Chaos.

Rettungsversuche werden durch enge Straßen behindert, die durch Trümmer blockiert sind. Die Krankenhäuser sind überfüllt mit Verletzten. In Old Dhaka brechen Feuer aus, als Gasleitungen platzen. Es gibt kein Wasser, um die Flammen zu löschen – denn seien wir ehrlich, selbst in normalen Zeiten gibt es in vielen Gebieten kaum fließendes Wasser. Die Zahl der Todesopfer steigt nicht nur durch eingestürzte Gebäude, sondern auch durch Massenpaniken und mangelnde medizinische Versorgung. Die Glücklichen sind diejenigen, die schnell sterben. Die Unglücklichen warten unter den Trümmern, ihre Hilferufe werden immer leiser.

Die größte Tragödie von allen? Wir wissen, dass es passieren wird. Wir haben die Daten, die Forschungsergebnisse, die Expertenmeinungen. Wir haben gesehen, was in Nepal, in der Türkei, in Mexiko und kürzlich in Thailand und Myanmar passiert ist. Dennoch bauen wir weiterhin rücksichtslos, leben sorglos und planen unzureichend. Wir vertrauen auf das Schicksal, auf Glück, auf göttliche Intervention – alles andere als auf tatsächliche Vorbereitung.

Noch ist Zeit zum Handeln, aber nicht mehr viel. Durch die Nachrüstung schwacher Gebäude, die Durchsetzung strengerer Baugesetze, die Schaffung von Freiflächen und die Durchführung echter Notfallübungen könnten Tausende von Menschenleben gerettet werden. Aber werden wir das tun? Oder werden wir unseren blinden Marsch nach vorne fortsetzen, fröhlich pfeifend, in der Hoffnung, dass der Boden unter unseren Füßen gnädig bleibt?

Dhaka ist eine Stadt der Wunder, ein Ort, an dem die Logik in den Hintergrund tritt und Hoffnung die Währung des Überlebens ist. Aber Hoffnung allein wird uns nicht retten, wenn die Erde uns daran erinnert, wer wirklich das Sagen hat. Und wenn dieser Tag kommt, wird nur noch eine Frage offen sein: Haben wir genug getan, um uns selbst zu retten, oder haben wir einfach mit offenen Armen und leeren Händen auf die Katastrophe gewartet?

H.M. Nazmul Alam ist Dozent an der International University of Business, Agriculture and Technology (IUBAT) in Dhaka, Journalist und politischer Analyst. 
Die geäußerten Ansichten spiegeln die Meinung des Autors wider.

Dieser Artikel erschien im Englischen Original am 30.03.2025 in der Zeitung "The Daily Star".

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