NETZ verurteilt Angriff auf die Ukraine und ruft zu Frieden auf. Ein Krieg mit weltweiten Folgen
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine dauert seit Wochen unvermindert an und hat Europa in seinen Grundfesten erschüttert. Infolge der Kämpfe sind offiziellen Angaben zufolge bereits Tausende Menschen, darunter Hunderte Zivilisten getötet worden. Bilder zerstörter Ortschaften gehen um die Welt. NETZ trauert um die Opfer, verurteilt den Krieg und ruft seit dessen Beginn unter anderem im Rahmen von Bündnissen mit der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) und der Dachorganisation deutscher Nichtregierungsorganisationen VENRO zu Frieden, Verständigung und Konfliktlösung auf: Alle Angriffe müssen beendet werden, der Schutz von Zivilisten und humanitäre Unterstützung müssen gewährleistet werden.
Die EU-Staaten und weitere westliche Partner haben Russland in der Folge mit harten Wirtschaftssanktionen belegt und versuchen ihrerseits, Abstand von russischen Energieträgern wie Öl und Gas zu nehmen. Diese Entwicklung verdeutlicht, wie gefährlich die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern auf vielen Ebenen ist. Der Kampf gegen die Folgen des Klimawandels darf dadurch nicht unterminiert werden. NETZ fordert, dass das Engagement für eine sozial-ökologische Transformation weitergeht.
Das alles zeigt: Der Krieg in Europa hat hinter allem menschlichen Leid noch weitreichende Auswirkungen auf die globalisierte und vernetzte Weltwirtschaft. Auch im Tausende Kilometer entfernten Bangladesch blickt man daher – wie in vielen anderen Entwicklungsländern – mit Sorge auf die Entwicklungen. Auch wenn die Reaktionen auf den Angriff anfangs noch zögerlich waren. Russland ist traditionell ein vergleichsweise enger Partner Bangladeschs, das sich bei der ersten UN-Resolution zur Verurteilung des russischen Angriffs Anfang März noch enthalten hat (während eine große Mehrheit von 141 Staaten für eine Verurteilung stimmte). Das Magazin „The Diplomat“ spricht von einem schwierigen Balanceakt für Bangladesch in dessen blockfreier Tradition, das versuche Neutralität zu demonstrieren in Zeiten zunehmender geopolitischer Polarisierung zwischen dem Westen einerseits und China, das sich eng an die Seite Russlands stellt, andererseits. Einer zweiten Resolution Ende März, in der Schutz für Zivilisten in der Ukraine gefordert und Russland für die „katastrophale“ humanitäre Lage verantwortlich gemacht wurde, stimmte Bangladesch schließlich zu.
Handel beeinträchtigt
Die Folgen des Krieges treten indes im Land immer deutlicher zutage: „Bangladesch spürt die Auswirkungen des Krieges zwischen Russland und der Ukraine bereits in vielerlei Hinsicht“, schreibt die Wissenschaftlerin und Leiterin des renommierten Centre for Policy Dialogue, Fahmida Khatun. „Die weltweiten Sanktionen gegen Russland bedeuten, dass der Handel Bangladeschs mit Russland beeinträchtigt werden wird.“ Das bedeutet: weniger Ein- und Ausfuhren sind möglich. Zahlungen sind schwierig, da Russland vom Internationalen Geldtransfersystem SWIFT ausgeschlossen wurde. Die infolge des Krieges weltweit gestiegenen Ölpreise verursachen laut Khatun zudem einen Ketteneffekt, der sich in einem Anstieg der Preise für Gas, Düngemittel und andere lebenswichtige Güter in Bangladesch niederschlägt. Zusätzlich zu den Kraftstoffpreisen sind auch die Kosten für andere importierte Produkte erheblich gestiegen.
NETZ ist insbesondere besorgt über die Auswirkungen des Krieges auf die Nahrungsmittelversorgung. Die Ukraine war bis zuletzt einer der weltweit wichtigsten Produzenten und Exporteure für Weizen. Auch Russland ist Großproduzent und schränkt die Exporte ein. Nun wächst die Angst vor weiteren Teuerungen. Bangladesch ist für den Großteil seiner jährlichen Weizen- und Ölsaatenimporte weitgehend von den russischen und ukrainischen Märkten abhängig. Laut Khatun hat Bangladesch im vergangenen Jahr Waren für 480 Millionen US-Dollar aus Russland eingeführt, darunter viel Weizen und Mais, zudem Erbsen, Senfsaat, Düngemittel oder Chemikalien. All dies müsse nun aus anderen Ländern importiert werden. Die wichtigsten Importgüter aus der Ukraine sind wiederum Weizen, Erbsen, Milchpulver, Sonnenblumenöl und -samen sowie Raps. Medienberichten zufolge sind die Preise für Grundnahrungsmittel infolge des Krieges bereits gestiegen. Khatun fordert von der Regierung unter anderem, bei den aktuellen Haushaltsplanungen angemessene Mittel für soziale Sicherheitsnetzprogramme in größerem Umfang für die Armen und einkommensschwachen Familien bereitzustellen.
Zivilgesellschaft ist wichtig
Was das bedeutet, wird insbesondere in den Schwerpunkt-Arbeitsregionen von NETZ deutlich: Die Organisation arbeitet mit Menschen, die über weniger als 35 Euro-Cent pro Tag verfügen. „Schon geringe Preissteigerungen für Grundnahrungsmittel auf den Weltmärkten können existenzbedrohend für ganze Familien sein und akuten Hunger zur Folge haben“, sagt NETZ-Geschäftsführer Dr. Max Stille. Laut einem Bericht des UN-Welternährungsprogramms (WFP) lagern gegenwärtig 13,5 Millionen Tonnen Weizen und 16 Millionen Tonnen Mais in der Ukraine und Russland und können nicht ausgeführt werden. Knapp ein Drittel des Exports aus der Ukraine könnte nun insgesamt wegfallen, schätzt die Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO. Die Zahl unterernährter Menschen weltweit könne infolge des Krieges um bis zu 13 Millionen ansteigen.
NETZ verweist in dem Zusammenhang besonders auf die wichtige Rolle der Zivilgesellschaft zur Überwindung der weltweiten humanitären Folgen des Krieges und für mögliche Lösungsansätze. Zivilgesellschaftliches Engagement ist von elementarer Bedeutung für gesellschaftliche Pluralität, die Wahrnehmung von Grundrechten, Meinungs- und Pressefreiheit sowie die friedliche Transformation von Konflikten. Spielräume für die Zivilgesellschaft dürfen daher nicht weiter eingeschränkt werden, wie es in Russland bereits lange vor dem Angriffskrieg der Fall war. Das Engagement von Aktiven ist und bleibt ein wichtiges Korrektiv von staatlichem politischen Handeln und bringt Beistand für viele Menschen in Not.